Inhalt
Seit Ben (Florian David Fitz) von seiner Ex-Frau Mira (Marie Burchard) und den gemeinsamen Kindern Oskar (Laurì) und Erna (Ava Petsch) getrennt lebt, ist sein Leben aus den Fugen geraten. Er sitzt alleine in seiner Doppelhaushälfte und trinkt Bier zum Müsli. Doch unerwartet bekommt Ben eine zweite Chance: Als die hochschwangere Mira vorzeitig ins Krankenhaus muss, wohnen seine Kids plötzlich wieder bei ihm. Ben bekommt Aufwind und will zeigen, dass er der perfekte Vater sein kann. Diesmal wird alles gut – glaubt er! Denn Sohn Oskar bringt ein winziges Problem ins Haus: Er trägt ein Kleid, das er nicht mehr ausziehen will. Ben und seine Familie stolpern in ein Abenteuer mit unbekanntem Ausgang und der Chance auf einen Neuanfang.
Kritik
„Lass uns das bitte nicht verkacken“, sagt Mira (Marie Burchard) einmal zu ihrem Ex Ben (Florian David Fitz, 100 Dinge), der sich während ihres Krankenhausaufenthalts um die beiden gemeinsamen Töchter kümmern will. Der Polizeibeamte ist Alkoholiker, bedroht Miras kubanischen Lebenspartner Diego (Juan Carlos Lo Sasso, Deine Farbe) rassistisch und ist offen queerfeindlich. Zielscheibe seiner Intoleranz wird nun die jüngere Tochter Lili (Laurì). Ben ruft die 9-Jährige weiterhin bei ihrem titelgebenden Deadname und männlichen Pronomen und ist damit nicht allein.
Neben dem Titel Hüseyin Tabaks (Gipsy Queen) Familiendramas sprechen auch offizielle Inhaltsangaben von Lili als einem Jungen und Sohn, der jetzt ein Mädchen sein wolle, und verwenden falsche Pronomen. So bedient die erste deutsche Mainstream-Großproduktion zum Thema schon vorab ein falsches Bild von trans* Menschen als dem einst zugewiesenen Geschlecht zugehörige Personen, die sich mal eben umentscheiden. Verstärkt wird das dadurch, dass selbst Lilis unterstützende Mutter und große Schwester Erna (Ava Petsch, Was man von hier aus sehen kann) sie nicht als „echtes“ Mädchen wahrnehmen.
Davon, was ein Mädchen ausmacht, hat Florian David Fitz, der neben der Hauptrolle das Drehbuch übernahm, eine fragwürdige Vorstellung. Auf dem Klo sitzen (kacken Männer im Stehen?), morgens länger brauchen („typisch Frauen“, sagt Erna) und natürlich Kleidchen tragen. Als Lili aus Schuldgefühlen über die durch Ben provozierten Konflikte ihre Haare kinnlang schneidet und in Jeans zur Schule geht, wird sie umgehend von sämtlichen Kids als trans* erkannt und gemobbt. Das tut Papa dann doch leid.
Um ihn dreht sich die vorhersehbare Handlung, nicht um Lili, deren Situation unendlich schwerer ist. Problematisch ist daran nicht nur die Implikation, Eltern eines trans* Kindes zu sein sei unabhängig von äußeren Faktoren wie Diskriminierung ein schweres Schicksal. Eine charakterliche Entwicklung erfährt keine der Figuren, am wenigsten Ben und seine jüdischen Eltern (Burghart Klaußner, Brecht; Senta Berger, Die Häschenschule - Der große Eierklau), die für antisemitisch gefärbte Witze über Finanzen herhalten. Ihrer aller Liebe zu Lili sieht die seichte Inszenierung als gegeben.
Dem Kind zuliebe und nach der Lektüre von ein, zwei Broschüren ringen sich alle ein Minimum Akzeptanz ab, was als gewaltiger Gewinn gefeiert wird. Ein Lernprozess ist nicht erkennbar und wird auch beim Publikum nicht angestoßen. Destruktive Vorurteile wie die Vermischung von sexueller Orientierung und Identität oder Irrigkeit eines binären Gender-Konstrukts werden tendenziell eher bestätigt statt berichtigt. Verbreitete Mythen wie der eines „trans Trends“ oder „transition regret“ bleiben ebenfalls unwiderlegt. Dafür türmen sich narrative Klischees.
Ein abgebrochenes Psychologengespräch führt umgehend zu Besuch vom Jugendamt, dessen Vertreterin sofort eine optionale Pflegefamilie für die Töchter organisiert. Ein Schulwechsel geht ebenso flink. Ben steht nachts unangemeldet in Uniform vor der Tür einer trans* Frau, deren Adresse er aus der Polizeikartei gesucht hat, und wird auf Tee und trans* Lebensweisheiten hereingebeten. Xenophobe Aggression ist nur einer der faden Witze für den unumgänglichen Touch Warmherzigkeit. Daran mangelt es der sentimentalen Story allerdings ebenso wie Einsicht.
Fazit
„Lass uns das bitte nicht verkacken“, hätten vielleicht mehr Leute zu Florian David Fitz sagen sollen. Seinem Drehbuch dient die komplexe Thematik lediglich als Gimmick, um den väterlichen Frust eines unsympathischen Protagonisten über seine trans* Tochter zu romantisieren. Statt um die marginalisierte Minderheit geht es um die Befindlichkeit des weißen, wohlhabenden hetero Cis-Mannes. Regisseur Hüseyin Tabak gibt der schauspielerisch mittelmäßigen, handwerklich soliden Mainstream-Dramedy eine generische Hochglanz-Optik. Glaubwürdiger als die halbherzige Toleranzbotschaft sind die kommerziellen Ambitionen.
Autor: Lida Bach