MB-Kritik

Regen fiel auf nichts Neues 2025

Noah Sayenko

Inhalt

David hat seine Strafe im Jugendgefängnis abgesessen. Seine ernsthaften Versuche, ein neues Leben als freier Mensch mit besseren Aussichten zu beginnen, werden jedoch von einer Gesellschaft behindert, die seine Vorstrafen nicht ignorieren kann und ihm keine zweite Chance gibt. Wird David mit seiner zunehmenden Frustration fertig werden oder wird er erneut der Verlockung der Kriminalität erliegen?

Kritik

Der finstere Fatalismus des Titels ist nur einer der zahlreichen Indikatoren der sozialen Perspektivlosigkeit Steffen Goldkamps (Nach zwei Stunden waren zehn Minuten vergangen) nuancierten Neo-Noirs. Dessen jugendlicher Protagonist, ebenso subtil wie eindringlich von Noah Sayenko gespielt, macht sich über seine Zukunft ebenso wenig Illusionen wie der Regisseur. Dessen visuell und dramatisch gleichsam düsteres Charakterporträt folgt dem unaufhaltsamen Abstieg eines jungen Mannes auf der Suche nach Halt, den das System nicht bietet. Nach seiner Entlassung aus der Jugendhaft versucht David vergeblich, ein geregeltes Leben aufzunehmen.

Zwischen einem stupiden Dead-End-Job und abschätzigen Betreuer-Blicken ist sein einziger Halt die Beziehung zu Janine (Kim Lorenz) und einer Hand voll alter Kumpels. Die zwischen Kleinkriminalität und Knast pendelnden Freunde wollen ihn nicht runterziehen, können aber selbst nicht aus dem System. Letztes analysiert die zurückgenommene Inszenierung ebenso konzentriert wie das psychologische Profil ihres Hauptcharakters. Präzise und ohne aufgesetzten Pathos entwerfen die unterkühlten, düsteren Szenen das schnörkellose Bild eines Justizapparats, dessen trügerisches Korrektiv eine Abwärts-Spirale zementiert. 

Die narrative Sprache funktioniert weniger über Dialoge als resigniertes Schweigens, dumpfe Blicke und unscheinbare Gesten. Leise Konflikte verraten mehr als laute Konfrontationen. Tom Ottes Kamera beobachtet mit nüchterner Distanz, doch niemals gleichgültig Davids Entwicklung in einem Mikrokosmos geprägt von sichtbaren und unsichtbaren Gittern, Mauern und versperrten Türen. Ein visuelles Vokabular der Gefangenschaft evoziert unheilvoll den elliptischen Verlauf des Plots. Der offenbart mit minimalen Mittel die destruktiven Muster, die in einer gleichgültigen Welt als einziges Stabilität präsentieren.

Fazit

Haft wird zum physischen Ausdruck sozialstruktureller Ausweglosigkeit in Steffen Goldkamps vielversprechendem Debüt-Drama, das in Karlovy Varys Nebenprogramm Premiere feiert. Wer kein soziales Netz hat, fällt unweigerlich härter. Wie der junge Hauptcharakter, dessen unvermeidlicher Rückfall nicht Bosheit markiert, sondern Chancenlosigkeit. Gewalt kommt still, doch unentrinnbar; ein dramaturgisches Pendant der visuellen Reduktion. Bill Bultheels emotional sparsamer Soundtrack und die Ästhetik folgt der inneren Leere der Figur: dumpfe Farben, lange Einstellungen, räumliche Enge. Stillstand an der Schwelle zur Implosion.

Autor: Lida Bach
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