Inhalt
In der Großstadt, fernab der Heimat in den Bergen Irans, wagt eine Familie ein neues Leben.
Kritik
Die kargen Vorstädte Teherans, wo sich ärmliche Familienbaracken zwischen unfertigen Hochhaustürmen drängen, verleihen dem Schauplatz Mahmoud Ghaffaris präzisen Sozialdramas etwas von einer bedrückenden Dystopie. Die ist jedoch bittere Realität für die Figuren, die hier jeden Tag einen unscheinbaren Überlebenskampf antreten. Trotz unbeschwerter Momente ist die Armut beständig spürbar für Mehdi und seinen älteren Bruder Saeed, deren Familie der Verdienst des Vaters als Apfelverkäufer gerade über Wasser hält. Jede zusätzliche Last kann sie nach unten ziehen.
Eine solche Belastung ist der Korb voller Äpfel, die Mehdi in der Klasse verteilen soll. Als durch den Diebstahl des Apfelwagens das väterliche Einkommen wegfällt, droht das Gewicht von Sorgen und Verantwortung die kleine Familie zu brechen. In schmutzigen Grau- und Brauntönen entwirft der iranische Regisseur und Drehbuchautor mit knappen, präzisen Strichen ein scharfsichtiges Gesellschaftsbild, dessen fast dokumentarisch anmutender Realismus sich mit universeller Symbolik verbindet. Die hereinbrechenden Wintertemperaturen werden zum Sinnbild der allseitigen zwischenmenschlichen Kälte.
Letzte kulminiert in der Rolle staatlicher Schule, die bei aller strukturellen Verschiedenheit direkt das hiesige System widerspiegelt. Bestechung und materieller Nimbus der Eltern entscheiden buchstäblich über den Platz der Schüler in der Klasse. Wenn die Lehrerin jeden Jungen auffordert, je nach väterlichem Beruf Lern- und Genussgüter zu verteilen, dient die vorgebliche Lektion in Gemeinschaftssinn tatsächlich der öffentlichen Bloßstellung privaten Elends. Dessen Stigmatisierung zwingt die Charaktere in einen moralischen Konflikt, der die ungeschönte Handlung elliptisch beschließt.
Fazit
Für die Teheraner Familie in Mahmoud Ghaffaris harscher Sozialparabel ist es ein Korb Äpfel. Für die Kinder der Familien, die keine Berlinale-Tickets bezahlen können, sind es die teuren Schulmaterialien oder die regelmäßigen Extraausgaben für Ausflüge und Schulveranstaltungen. Mit neo-realistischer Poesie und eindrucksvollem Schauspiel zeigt der raue Kinderfilm den verheerenden Einfluss geringfügiger Erschütterungen auf Menschen, deren Existenz ein ständiger finanzieller Balanceakt ist. Ein bedrückender filmischer Blick auf die hässliche Seite des vertieften gesellschaftlichen Grabens.
Autor: Lida Bach