Inhalt
Fabrikarbeiter Barry Kane wird fälschlicherweise beschuldigt, Sabotage verübt zu haben. Diese führte zu einer Explosion, bei der einer seiner Freunde und Kollegen ums Leben kam. Als er feststellt, dass ihm niemand die Wahrheit glauben möchte, ist er gezwungen, mit den wenigen Informationen, die er über den Vorfall hat, den wahren Verantwortlichen ausfindig zu machen. Dieser entpuppt sich als Anführer eines Schmugglerrings, dem Kane schließlich bis zum Showdown auf der Freiheitsstatue folgt.
Kritik
Los jetzt Kinders, wir essen zeitig…
Das könnte das Motto von Hitchcock’s dritter US-Arbeit und seiner ersten, inoffiziellen Neuinterpretation von Die 39 Stufen sein, welche er viel später mit Der unsichtbare Dritte endgültig in Gold goss. Das „Mittelstück“ Saboteure (nicht zu verwechseln mit seinem Sabotage von 1936) will zwingend seinen ursprünglichen Gedanken noch flotter und moderner, (auch zeitlich) angepasster gestalten (der Zweite Weltkrieg spielt dem mehr oder weniger dankbar in die Karten, um eine diesmal wirklich plausible Bedrohung zu installieren), was leider in überflüssiger Hektik mündet und einen ansonsten sehr unterhaltsamen Film mehr schadet als nützt.
Wiedermal wird ein unbescholtener Nobody namens Barry (Robert Cummings, Bei Anruf: Mord) zum Sündenbock gemacht. Weil er bei einem Terroranschlag auf seinen Arbeitsplatz, eine Rüstungsfabrik, sich überrumpeln und somit denunzieren ließ, ergreift er Hals über Kopf die Flucht. Gejagt von der Justiz will er den wahren Drahtziehern auf die Spur kommen und sticht dabei in ein noch größeres Wespennest. Nun trachten ihm alle nach dem Leben und die wenigen Verbündeten muss man sich nehmen, wie sie einem merkwürdig sinnlos in den Schoß fallen. Mit so viel Gegenwehr (und Glück im Unglück) konnte nun kaum jemand rechnen, und schon ist die an sich perfekt organisierte, subversive Untergrund-Zelle ziemlich baff, wenn der schwarze Peter samt zufällig mitgenommenen Anhang die gesamte Operation im 1 ½ -Gang aushebelt.
Uff, Saboteure interpretiert den Begriff von narrativ (weitestgehend) sinnvollem Tempo komplett neu. Schnell, schneller, das hier. Ohne das die Hauptfigur auch nur die Chance zur Profilgewinnung bekommt, ist der Plot dem schon drei Schritte voraus und der Typ von vorhin schon in der nächsten, brenzligen Situation. Da werden die wenigen Verschnaufpausen zur echten Wohltat, da nun endlich mal Raum für Figuren, Zusammenhänge und wenigstens den groben Aufbau von Suspense vorhanden ist. Wie mit dem nervösem Messer im Rücken gepiesackt treibt Hitchcock – trotz seinem handwerklich inzwischen schon routiniert hohen Qualitätsstandards – das Geschehen nervös voran und überschlägt sich unnötig viel zu hurtig, wodurch auch Priscilla Lane (Arsen und Spitzenhäupchen) als charakterlicher Fremdkörper, als pures, weibliches Nutzvieh praktisch nur dazu geschubst wird. Das fühlt sich alles so falsch und unbequem an, dabei ist hier richtig viel Dampf unter der Haube. Wenn Saboteure sich mal kurz die Zeit für den Suspense und seine grundsätzlichen Möglichkeiten nimmt (mal wieder und bezeichnend dafür ist es eine eigentlich intime, entschleunigte Szene, in der die größte (An)Spannung aufgebaut wird), dann ist Hitchcock voll in seinem Element.
Saboteure wirkt ungeschickt unausgegoren, gerade weil er viele positive Attribute besitzt und sie voller Inbrunst zur Schau stellt, aber nicht so effektiv auswerten kann. Ein grundsätzlicher Denkfehler wird tatsächlich total zufällig im Finale extrem in den Mittelpunkt gerückt. Wer macht hier was warum? Bloß nicht drüber nachdenken. Dabei stimmen hier sowohl Dynamik, Idee und technische Umsetzung. Diesem Hitchcock fehlt es an innerer Ruhe, Kohärenz und Feintuning, was er durch flotte (wenn auch teils unsinnige) Narration sicherlich ein Stückweit kompensieren kann. Übrigens: Einer der wenigen (US)-Hitchcocks, dem es an echter Starpower mangelt. Mit einem Gregory Peck, Cary Grant oder James Stewart in der Hauptrolle sehe das wahrscheinlich noch anders aus. Neben den inhaltlichen Stolpersteinen ist es auch die mangelhafte Identifikation mit den leidgeprüften Hauptfiguren, die einer sonst wesentlich höheren Bewertung im Wege steht. Spaß macht er aber natürlich trotzdem, keine Frage.
Fazit
Der theoretisch hochwertigere, aber qualitativ deutlich schwächere Variante von„Die 39 Stufen“. Weil viel zu ungeduldig-sloppy im Plot – nicht im Handwerk. Hitchcock gefallen offensichtlich die gesteigerten Möglichkeiten, nutzt sie auch, aber verbindet das nicht auch mit einem stimmigeren Erzählrhythmus. Hemmt ihn eher durch sein brachiales Tempo. Ein ordentlicher, unterhaltsamer, aber diskutabler Beitrag des Meisters.
Autor: Jacko Kunze