MB-Kritik

Simón de la montaña 2024

Drama

Lorenzo Ferro
Kiara Supini
Pehuen Pedre

Inhalt

Auf der Suche nach Veränderung findet der 21-jährige Simon einen neuen Sinn im Leben, als er zwei behinderte Kinder kennenlernt, die ihm beibringen, die Freuden des Lebens zu genießen. Gemeinsam navigieren sie durch eine Welt, die nicht für sie gemacht ist, und erfinden ihre eigenen Regeln für Liebe und Glück.

Kritik

Ein scharfer Wind weht in den Bergen, in denen der junge Protagonisten Federico Luis kryptischer Charakterstudie zum ersten Mal auftaucht, als sei er aus dem Nichts gekommen. Jener Eindruck, dass er nirgendwo hingehört, zu keinem Ort oder Menschen, verfestigt sich und treibt vielleicht auch ihn, zu tun, was er tut. Eindeutig klar werden seine Intentionen und Motivationen nie in der ganz auf ihn konzentrierten Inszenierung. Simón (Lorenzo Perro) ist in jeder Szene, ein psychologisches Studienobjekt. 

Diese subtile Einladung, ihn genau zu beobachten - seine Ticks, Manierismen und Blicke, die ihrerseits präzise seine Umgebung aufnehmen - verstärkt die gefühlte Distanz zwischen dem Kinopublikum und dem Hauptcharakter, der sich am Ende den gleichen Fragen stellen muss wie zu Beginn. Doch die Umstände und seine Antworten könnten kaum verschiedener sein. Ob er sein Bett machen kann? Seine Kleidung falten? Zuerst lautet die Antwort nein, später fast immer ja. 

Aber nicht, weil er dazu gelernt hat. Stattdessen beginnt das Spiel von Neuem. Oder ist es ein verzweifelter Fluchtversuch? Denn Lorenzo Perros eindrucksvolles Schauspiel und geschickt gestreute Hinweise verraten früh, dass Simón im Gegensatz zu den anderen Gästen eines Centers für Menschen mit geistigen Handicaps seine Behinderung vortäuscht. Keine der Vielzahl an Fragen sowohl textuelle als auch metatextueller Art, die Simóns Scharade aufwirft, beantwortet der Regisseur und Drehbuchautor, wohl in dem Wissen, dass die Diskussion darum interessanter ist als das eigentliche Drama.

Fazit

Mit einem beeindruckenden Cast aus professionellen Schauspielenden und Laien entwirft Federico Luis ein trotz seiner psychologischen und narrativen Unfertigkeit eindringliches Porträt individuellen und kollektiven Außenseitertums. Die elliptischen Ereignisse fesseln weniger als menschliches Drama denn als filmische Vorlage für zeitlos aktuelle Fragen. Deren markanteste ist die nach dem Umgang mit, den Orten für und der Wahrnehmung von Personen mit intellektuellen und körperlichen Einschränkungen im Gegensatz zu jenen, die sich aus psychosozialen Gründen nicht gesellschaftlich einfügen können.

Autor: Lida Bach
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