MB-Kritik

Souad 2021

Drama

Bassant Ahmed
Basmala Elghaiesh
Hussein Ghanem
Katrin Hansmeier
Sarah Shedid

Inhalt

Wie viele Identitäten können wir leben – in den Augen einer Zufallsbekanntschaft im Linienbus, im geschützten Kreis bester Freund*innen, in Bildern auf Social Media? Die 19-jährige Ägypterin Souad steht am Anfang ihres Erwachsenenlebens. In ihrem Alltag kämpfen die Lust am Ausloten neuer Freiräume mit den Erwartungen von Gesellschaft, Familie und Glaubensgemeinschaft, die sie verinnerlicht hat.

Kritik

Der radikale narrative Bruch, den Ayten Amin knapp vor der Mitte ihres episodischen Jugenddramas vollzieht, wird zum Brückenschlag zwischen zwei in Atmosphäre, Fokus und Rhythmus gänzlich verschiedenen Akten. Beide fügen sich allerdings nur schwer zu einem stimmigen Ganzen. Die erste Hälfte untersucht die Identitätskrise einer Jugendlichen im Spiegel der konfliktirrenden Erwartungshaltungen einer ultrarepressiven Gesellschaft und der trügerischen Freiheitsversprechungen sozialer Medien. Die zweite Hälfte droht selbst den kaum minder erstickenden Konstrukten moderner Pop-Kultur zu verfallen.

Diese Ambiguität lässt eine Tragödie innerhalb des ersten Filmkapitels plötzlich in einem anderen, ungleich brutaleren Licht erscheinen. Was zuvor als Folge des doppelten Drucks zweier einander antagonistisch gegenüberstehender gesellschaftlicher Impulse erschien, wirkt im Rückblick wie persönliches Versagen der betroffenen Figur. Letztes ist die junge Titelheldin (Bassant Ahmed), deren Name nunmehr Symbolwert erlangt. Doch wofür Souad letztlich stehen soll - ob für eine Mahnung oder Einladung -, scheint die ägyptische Regisseurin und Drehbuchautorin selbst nicht recht zu wissen. 

Somit frustriert ihre unausgewogene Liaison von Jugenddrama und zaghafter Romanze schließlich auf dramaturgischer Ebene die vom jeweiligen Handlungsstrang geweckten Erwartungen. Ob dieses inszenatorische Spiel mit der gezielten Verweigerung bestimmter Vorgaben als metatextuelller Bezug zur bipolaren Story gedacht ist oder lediglich Zeichen von Unentschlossenheit zwischen zwei Genres, bleibt unklar. Trotz vielversprechender Ansätze bleiben die einander gegenübergestellten Geschichten zweier gegensätzlicher Jugendlicher in einem destruktiven patriarchalischen System wenn überhaupt in Erinnerung, dann durch die Leistungen der jungen Darstellerinnen.

Fazit

Mittels einer unerwarteten dramatischen Sezession entreißt Ayten Amin ihrem rauen Jugendfilm mit dessen bisheriger Protagonistin den Fokus. Den Freiraum, den dieser in seiner äußeren Nebensächlichkeit bedrückende Schachzug schafft, effektiv zu nutzen, versteht die Regisseurin allerdings nicht. Stattdessen füllt sie die Leerstelle auf denkbar triviale Weise mit Konventionen typisch westlicher Mainstream-Unterhaltung. Diese grenzt nicht nur mit Blick auf das gewaltsame Ende des ersten Teils bisweilen an Selbstparodie, es verzerrt auch das bis dahin skizzierte Porträt.

Autor: Lida Bach
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