Inhalt
Unglaublich, aber wahr: in der Seine scheint ein sieben Meter langer Makohai sein Unwesen zu treiben. Die Meeresbiologin Sophia hatte – damals noch im Pazifik – bereits eine Begegnung mit dieser Laune der Natur, die ihrer gesamten Crew das Leben kostete. Zwar kann sie Polizist Adil vom Ernst der Lage überzeugen, aber nicht so die Bürgermeisterin von Paris, die gar nicht daran denkt, den anstehenden Triathlon im Rahmen der Sommerolympiade durch die Stadt abzusagen.
Kritik
Ein neuer Monat, ein neuer „Blockbuster“ aus dem Haus Netflix und in Zeiten von allgemeiner Unsicherheit und Instabilität ist eines gewiss: der Streaming-Riese mit dem roten N liefert ab. Keine Qualität, aber schon wieder ein Projekt, das auf dem Papier vielleicht ganz interessant klingen mag, von dem sich super ein Trailer und ein Filmplakat bewerben lässt und das mit irgendeinem (in diesem Fall eher semi-)prominenten Namen daherkommt, der seine besten Zeiten schon lange hinter sich hat. In dem Fall der französischen Genre-Regisseur Xavier Gens, dessen „besten Zeiten“ auch nur ganz okay waren. Mit seinem Debütfilm Frontier(s) sorgte er 2007 im Zuge der Welle der „neuen französischen Härte“ durchaus für Aufsehen und sein ultra-brutaler TCM-Abklatsch gilt in gewissen Kreisen sogar als klitzekleiner Kultfilm. Danach blieb er vieles schuldig, aber das hier dürfte nach dem zuletzt zumindest handwerklich sehr soliden Farang – Schatten der Unterwelt (2023) jetzt der absolute Tiefpunkt sein. Aber Netflix sei Dank bestimmt ganz ordentlich bezahlt und weltweit vertrieben, das ist doch mal eine erfolgreiche Arbeitsvermittlungsmaßnahme. Glückwunsch dafür, leiden muss das Publikum.
Ein Hai – nicht irgendein stinknormal dahergeschwommener, sondern ein gigantisches, evolutionär völlig aus dem Ruder gelaufenes Killer-Vieh vor dem Herrn – lauert im trüben Brackwasser der Seine? Könnte tatsächlich ganz geil werden. Aber doch bitte nur, wenn man diese abstruse Nummer selbst nicht allzu ernst nimmt und daraus einfach eine turbulente, überdrehte Sause zimmert, die jeglichen „Realismus“ mit einer extra Portion Karacho komplett zum Teufel jagt. Das soll nicht auf die üblichen „Sharkto-Was-Auch-Immer vs. Random Platzhalter“ hinauslaufen, sondern mehr in die Richtung wie einst ein Deep Blue Sea (1999). Völliger Humbug, sich dessen bewusst ist, durchgehend mit einem leicht selbstironischen Augenzwinkern, aber dennoch mit dem Anspruch, für 100 Minuten einfach die Hütte abzureißen. Sollte selbstverständlich sein, aber Xavier Gens fühlt sich genötigt, ein französisches Pendant zu Der weiße Hai zu machen, dass sich (trotz einer kaum in Worte zu fassende Ansammlung von Schwachsinns-Momenten) unglaublich ernst zu nehmen scheint und statt sich auf atemlose Non-Stop-Action zu verlassen, lieber so tut, als wäre das hier furchtbar spannend und aufregend.
Viel Hai-Action gibt es lange kaum zu sehen, stattdessen uninteressante Klischee-Menschen in glattgebügelter DTV-Optik, und da ist wirklich alles dabei. Die traumatisierte und verbitterte Meeresbiologin, die sich ihren persönlichen Dämonen stellen muss (fast eine Vendetta, hat so was wie Jaws IV-Vibes), der kernige Polizist, der einst im Krieg seine Einheit im Stich ließ und nun auch was gutzumachen hat, die militanten Öko-Gen-Zs, die die Gefahr erst begreifen wenn sie sie buchstäblich selbst in den Arsch beißt und - selbstredend – die skrupellose und publicitygeile Bürgermeisterin, die allen Warnungen in die Wind schlägt (kommt das einem grob bekannt vor?). Das ist nicht nur ausgelutscht ohne Ende und strunzdumm, das wirklich fatale dabei: es ist STINKLANGWEILIG! Wer will denn das (noch) sehen, zumindest so präsentiert? Viel besser wird es leider auch nicht, wenn das große Fressen endlich beginnt. Unspektakulär inszeniert, mit teilweise lausigen CGI-Effekten und einfach nur hektisch aneinandergereiht. Keine effektvoll vorgetragenen und aufregend aufgebaute Hai-Attacken, einfach lieblos hingerotzte Stangenware. Zumindest das kann Xavier Gans doch nachweißlich. Ein Farang – Schatten der Unterwelt ist inhaltlich auch stumpf wie ein abgebissener Unterschenkel, aber hat doch wenigstens in den Actionszenen Impact. Das hier ist gar nichts. Es sieht furchtbar aus, ist unglaublich öde, belanglos inszeniert und geht das Ding sogar komplett falsch an. Nur mal so ein Gedankenspiel: wenn der Film mit dem letzten Image starten würde, hätte das richtig Potential. Bedauerlich, dass man quasi erst direkt vorm Abspann mit der ersten Situation konfrontiert wird, die Lust auf mehr macht. Raum für ein Sequel? Bitte nicht!
Fazit
Ein wahres HaiLight von Netflix, wer hätte das vermutet? Dabei schlummert in der groben Prämisse sicherlich ein ganz spaßiger Film, aber als wäre es schier heimtückisch Absicht verweigert sich „Im Wasser der Seine“ absolut jeder sich bietenden Chance und präsentiert stattdessen die maximal schlechtesten Alternativen in praktisch jeder Hinsicht. Das muss man ja beinah Absicht unterstellen, so betriebsblind und desinteressiert kann doch keiner sein. Spannend, was Netflix dieses Jahr schon alles abgeliefert hat, meine persönlichen Jahres-Flop-10 lassen bisher kaum noch Platz für anderes. Das könnte die Perfect-Ten werden, ein historischer Erfolg.
Autor: Jacko Kunze