MB-Kritik

Sow the Wind 2020

Drama

Inhalt

Nica, eine junge Agrarwissenschaftsstudentin, kehrt nach langer Abwesenheit in ihr Elternhaus in Süditalien zurück. Sie spürt eine tiefe Verbundenheit zum Land ihrer Großmutter mit seinen jahrhundertealten Olivenbäumen, die seit drei Jahren keine Früchte mehr tragen. Gegen die Schädlinge, von denen sie befallen sind, hat bislang kein Pestizid geholfen. Nica ist fest entschlossen, eine Lösung zu finden. Doch die Zeit drängt, denn ihre Eltern stehen finanziell unter Druck und wollen die Bäume fällen. So sanft und zugleich willensstark wie die Natur, mit der sie sich verbunden fühlt, wird Nica sich ihrem Vater entgegenstellen müssen.

Kritik

Ein jahrtausendealter Olivenhain wird Objekt des symbolträchtigen Kampfes um ein universelles Erbe, welches den gefährdeten Familienbesitz der unbeugsamen jungen Hauptfigur (Yile Yara Vianello) weit überragt. Die bedrohte Natur als Vermächtnis einer Generation an die nächste ist zeitaktuelles Kernmotiv seines ruhigen Dramas auf dem Schnittpunkt von Parabel und Gesellschaftsstudie. Zweite untermauern Danilo Caputo und seine Co-Autorin Milena Magnani mit einer Reihe an Gegensatzpaaren, deren Korrelation und Interaktion seit einigen Jahren einem grundlegenden Wandel unterzogen sind.

Fortschritt und Rückständigkeit, Naturverbundenheit und Technisierung, heidnischer Brauch und christlicher Klerikalismus, Dorf- und Stadtleben, Jugend und Alter, Fremdheit und Ansässigkeit kollidieren am ländlichen Schauplatz, einer nasskalten Winterlandschaft, deren raue Schönheit sich nur wenigen erschließt. Die matte Farbpalette und fühlbare Kälte der Bilder spiegelt die resignative Stimmung der Bevölkerung, die ihre Hilflosigkeit gegenüber der ihre Lebensgrundlage bedrohenden Ungezieferplage internalisiert hat. Die angehende Agrarwissenschaftlerin Nica hingegen trotz nicht nur den Verkaufsplänen ihres Vaters, sondern einem verirrten Fortschrittsglauben.

Ihr Ansatz zur Plagebekämpfung ist zugleich alt und neu, eine Mobilisation natürlicher Resistenz anstelle wirkungslos gewordener Pestizide. In mystisch angehauchten Szenen interpretiert Caputo Nicas Verhältnis zur Natur als wechselseitige Nutzbeziehung. Der Hain ihrer Großmutter verleiht ihr innere Kraft und skeptisch beäugtes Sachverständnis, das der Plot als moderne Analogie zum Hexenglauben der alten Anwohnern aufstellt. Die Parallele eröffnet neben einer feministischen Auslegung die eines unablässigen Kampfes wissenschaftlicher Erkenntnis gegen von Gier und (Schein)Frömmigkeit angetriebene Bigotterie.

Fazit

In kühlen Bildern und gedämpfter Farbpalette entwirft Danilo Caputo das Bild einer von ökologischem Idealismus motivierten jungen Generation als Rettung eines ablehnenden Establishments. Dessen Vertrauen auf Technisierung und Chemie, einst Symbole einer trügerischen Überlegenheit menschengemachter Manipulation über naturgegebene Prozesse, enthüllt die metaphorische Story als ähnlich destruktiven (Irr)Glauben wie den an Kirche und Gott. Yile Yara Vianello überzeugt als unscheinbare Heldin eines Berlinale Panorama Beitrags, der trotz einer Spur verschrobener Esoterik seine gesellschaftliche Relevanz wahrt.

Autor: Lida Bach
Diese Seite verwendet Cookies. Akzeptieren.