MB-Kritik

Two Seasons, Two Strangers 2025

Short

Shim Eun-kyung
Yuumi Kawai
Mansaku Takada
Shiro Sano
Shinichi Tsutsumi

Inhalt

Nagisa und Natsuo begegnen sich im Sommer am Meer. Ihre leeren Blicke spiegeln einander, während sie unbeholfene Worte wechseln und in den verregneten Ozean waten. Im Winter reist Drehbuchautorin Li in ein schneebedecktes Dorf. Dort entdeckt sie ein Gästehaus, das von Benzo geführt wird.

Kritik

Weckt Langweile Kreativität oder Kummer? Die beiden Handlungsstränge, die Shô Miyakes (Keiko, me wo sumasetemelancholische Momentaufnahme elegant zu einem motivischen Tepisch verwebt, geben unterschiedliche Antworten auf diese Frage. Diese entspringt aus einem der nachdenklichen Gespräche der Titelfiguren, die einander an einem Sommertag am Strand begegnen. Nagisa (Yuumi Kawai, Renoir) und Natsuo sind beide allein in im Urlaub und finden einen seltsamen Trost in der Gesellschaft vom jeweils anderen. Aber sind sie reale Figuren oder Gestalten in einem Film im Film, den die Drehbuchautorin Lee (Shim Eun-kyung, The Journalist) geschrieben hat? 

Phantasie und Realität stehen gleichwertig nebeneinander in der sanften Ellipse der nuancierten Inszenierung, die sowohl die emotionale Distanz der Charaktere als auch deren feine zwischenmenschliche Bindungen widerspiegelt. Die titelgebenden Jahreszeiten - ein Sommer am Meer und ein Winter in einem entlegenen Berghotel - sind Teil eines komplexen Musters von Spieglungen und Paaren. Dazu zählen auch Lees äußere und innere Welt, in denen sie jeweils eine Reise an einen spezifischen Ort antritt. Diese Struktur schafft natürliche Gegenpole, in denen Zeit und Erinnerung ineinander übergehen.

Beide markieren Phasen der Selbstbeobachtung für Lee, deren im Alltag verborgene Trauer sich über die Charaktere in ihren Drehbüchern ausdrückt. Miyake inszeniert die Geschichte mit dem Gespräch für subtile Symbolik und dramatischer Zurückhaltung, die bereits seine früheren Werke auszeichnet. Lange Einstellungen von weiter Landschaft, in der die menschlichen Gestalten wie verloren wirken, leeren Räumen und Geselligkeit, an der die Charaktere keinen Anteil haben, machen die Einsamkeit physisch greifbar, ohne sie direkt zu zeigen. In der Isolation liegt eine subtile Spannung; die Antizipation eines psychischen Wandels, der nie ganz eintritt.

Der sorgsam ausgearbeiteten Szenenbilder werden ebenso zum essenziellen Teil der melancholischen Erzählung wie die stimmungsvolle Bildsprache. Jedes der Kapitel hat eine eigene Farbplatte, deren Reduktion die seelische Stagnation der Figuren spiegelt. Die Bilder der Sommer-Episode tauchen in tiefe Blautöne von Himmel, Meer und Regen, und sattes Grün. Im Kontrast dazu stehen die Braun- und Schwarzabstufungen und das frostige Weiß der Winter-Episode. Die Kamera verharrt in zurückhaltender Beobachtung und setzt auf natürliche Lichtquellen. Diese Zurückhaltung in Optik und Schnitt verstärkt das Gefühl innerer Entrückung, die das Publikum subtil vereinnahmt. 

Fazit

Basierend auf Yoshiharu Truges Comics “Mr. Ben and his Igloo” und “A View of the Seaside” entwirft Shô Miyake eine hypnotische Studie postmoderner Vereinsamung. Die ausgefeilten narrativen Fragmente fügen sich weniger zu einer linearen Erzählung als einem psychologischen Mosaik, das mehr an inneren Prozessen interessiert ist als an äußeren Aktionen. Das differenzierte Spiel der Darstellenden enthüllt in unscheinbaren Gesten das Gewicht scheinbar beiläufiger zwischenmenschlicher Momente. Einfühlsam und poetisch zeichnen die malerischen Kompositionen in griffiger 16‑mm-Optik ein bedrücktes Stimmungsbild, umfangen und zugleich losgelöst von Zeit, Ort und Natur.

Autor: Lida Bach
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