Inhalt
Litauen 1673: Hanna und ihr Mann leben in einer kleinen jüdischen Gemeinde. Seit sie ihr erstes Kind verloren haben, betet Hanna jeden Tag zu Gott und studiert heimlich die Thora, was eigentlich den Männern vorbehalten ist. Plötzlich wird ihr abgeschottetes Dorf bedroht: Die Eindringlinge behaupten, dass die Juden Schuld an einer Pestepidemie haben. Hanna beschwört darauf hin den Golem, eine mystische Lehmkreatur.
Kritik
Gesehen beim 29. Jüdischen Filmfestival Berlin Brandenburg
In der jüdischen Mythologie ist der Golem eine seelenlose, menschenähnliche Kreatur, die meistens aus Ton oder Lehm erschaffen wurde und über übermenschliche Kräfte verfügt. Bereits in der Stummfilmära ist das mystische Wesen mit Der Golem, Der Golem und die Tänzerin und Der Golem, wie er in die Welt kam mehrfach filmisch in Szene gesetzt worden. Die Motive stammten dabei von der wohl bekanntesten Legende, wonach der Prager Rabbi Löw einen Golem aus Lehm erschuf, um die in Bedrängnis geratenen Juden zu schützen. Der Golem diente aber nicht nur zur Verteidigung, sondern auch zur Erledigung alltäglicher Aufgaben. Eines Tages hörte der Golem jedoch nicht mehr auf seinen Schöpfer und wandte sich gegen ihn. Diese Legende ist zugleich Ausgangspunkt von Golem - Wiedergeburt des israelischen Regieduos Doron und Yoan Paz (Plan A).
In der Eröffnungssequenz wird dabei gleich deutlich gezeigt, wozu der Golem fähig ist und man darf sich auf eine ordentliche Splatterplatte freuen, die hier aufgetischt wird, selbst wenn man den Golem noch nicht in Aktion sehen kann, sondern „nur“ sein Werk präsentiert bekommt. Das wirkt bereits sehr vielversprechend und mit dem Wissen um die Legende des Golems erwartet man nun ein wahres Splatterspektakel. Leider wird man hier aber enttäuscht und auch die Horrorelemente halten sich im weiteren Filmverlauf arg in Grenzen. Der Film, der im Rahmen des 29. Jüdischen Filmfestival Berlin und Brandenburg in der Sektion Jewcy Horror Movies zu sehen war, kann zwar noch einige wenige, aber effekttechnisch nicht unbedingt überzeugende Splatterelemente präsentieren, das war es dann jedoch schon an Horror- und Gruselelementen. An dieser Stelle merkt man dem Film sein offenbar stark limitiertes Budget an.
Selbst ohne großes Budget lassen sich aber ausgezeichnete Horrorfilme produzieren. Jedoch gelingt es Golem hier gerade nicht eine entsprechende Atmosphäre zu kreieren. Weder schafft man mit dem Erscheinen des Golems noch dem Erscheinungsbild der Kreatur Gänsehautmomente zu erzeugen. Ein bisschen Rascheln hier, ein paar knarrende Holzdielen da, das kann nicht ernsthaft erschrecken, vor allem wenn man grundsätzlich weiß, worauf man wartet. Der Golem selbst erscheint in der Form eines etwa achtjährigen Jungen und bei allen Bemühungen des Jungdarstellers Kirill Cernyakov (Der letzte Partisan), ist er nur selten wirklich furchteinflößend. Der Film hat dagegen in anderen Bereichen unerwartete Qualitäten. Als Historiendrama funktioniert er bis zu dem Punkt, als die Horrorelemente für Spannung sorgen sollen, recht gut.
Hanna (Hani Furstenberg, The Kingmaker) ist eine für die damalige Zeit emanzipierte Frau, die sich nicht von den vorherrschenden gesellschaftlichen Regeln abhalten lasst. Nach dem Verlust ihres Sohnes, möchte sie ihn nicht einfach ersetzen und schafft erfolgreich unbemerkt zu verhüten, obwohl sich ihr Mann Benjamin (Ishai Golan, White Bird) nichts sehnlicher wünscht als einen männlichen Nachkommen. Im Dorf wird sie wegen ihrer vermeintlichen Unfruchtbarkeit teilweise bereits wie eine Aussetzige behandelt. Dennoch hält ihr Mann weiter zu ihr und lässt es sogar zu, dass seine Frau die heiligen Schriften studiert und sich heimlich in die Gottesdienste schleicht. Mit dem Wissen, dass sie sich dabei aneignet, schafft sie es schließlich den Golem zu erschaffen, was sich die geistlichen Gelehrten der Gemeinde selbst nicht zugetraut haben. Hani Furstenberg ist in ihrer Rolle absolut überzeugend. So stark Hanna nach außen zunächst erscheint, in dem sie der Männerwelt trotzt und die Verteidigung des Dorfes im Alleingang übernimmt, in dem sie den Golem erschafft, ist sie doch auch sehr verletzlich, was sich spätestens dann zeigt, als der Golem in der Gestalt des kleinen Jungen erscheint. Schnell entwickeln sich mütterliche Gefühle und man merkt, dass zwischen den beiden eine enge Verbindung entsteht. Hier überzeugt der Film allemal, weshalb er auch kein Totalausfall ist. Zudem ist das Setting der jüdischen Gemeinde im Litauen des 17. Jahrhunderts hervorragend in Szene gesetzt. Es ist daher besonders schade, dass gerade der Horrorpart nicht mit dem übrigen Film mithalten kann.
Fazit
Mit einem stärkeren Drehbuch und einem gewissen Gespür für atmosphärischen Horror hätte „Golem - Wiedergeburt“ ein herausragender Horrorfilm werden können. Der Golem als Horrorfigur stellt an sich eine gelungene Abwechslung zu allen anderen religiösen Dämonen und Monstern dar und schon allein aus der eigentlichen Legende kann man viel herausholen, auch ohne viel Geld. Die Grundidee des Films ist an sich gut und das Setting ist exzellent, nur fehlt es an wirklichen Schreckensmomenten. Die Grundgeschichte ist als Historiendrama aus der Perspektive einer jüdischen Frau indes deutlich überzeugender.
Autor: Andy Mieland