Inhalt
Tom Penderel ist nach London gezogen und arbeitet dort als Autoverkäufer. Für seinen Mitbewohner Casper, Spross einer exzentrischen Millionärsfamilie, liefert der junge Amerikaner einen Luxuswagen auf dessen Familienanwesen. Doch als Tom dort eintrifft, findet er Casper tot auf. Tom muss eine alptraumhafte Nacht in dem alten, finsteren Haus mit Caspers skurriler Familie überstehen, die durch grausige Morde weiter dezimiert wird. Als er dem Täter auf die Schliche kommt, ist es beinahe zu spät ...
Kritik
Der vielleicht konventionellste, deshalb keinesfalls minderwertige und dennoch äußerst ungewöhnliche Output aus der Schmiede von B-Movie-Tausendsassa William Castle (Das Haus auf dem Geisterhügel). Der selbsternannte Hitchcock des kleinen Mannes vermochte stets seine (meist) ironischen Low-Budget Gruselfilme durch die Präsentation abseits der Leinwand zum künstlichen Event aufzuplustern. Seine berühmt-berüchtigten Gimmicks waren manchmal schlicht gutes Marketing (wie bei Macabre), manchmal verschmolzen filmische Handlung und Show-Effekt einzigartig miteinander (Schrei, wenn der Tingler kommt). Das alte finstere Haus ist dahingehend schon speziell, da er (augenscheinlich) auf dieses Markenzeichen verzichten musste. Zugrunde liegt eine Kooperation, die für beide Parteien nicht unbedingt von Vorteil war.
Da sowohl Castle als auch die damals aufstrebenden und überaus erfolgreichen HAMMER-Studios zeitgleich an einem Remake von James Whale’s lange Zeit verschollenen The Old Dark House arbeiteten, schlug HAMMER-Häuptling Anthony Hinds vor die Strahlen zu kreuzen. Heute wissen wir, dass man das zwingend vermeiden sollte, damals klang das für beide Seiten jedoch wie eine gute Idee. Sie konnten jeweils mit etwas mehr Budget und besseren Vermarktungswegen auf dem anderen Tellerrand rechnen, das Resultat beschnitt sie irgendwie gegenseitig. Bei HAMMER und dem europäischen Publikum generell rechnete man wohl mit einem verhältnismäßig ernsten Gruselfilm (wobei schon das Original damit kaum was gemein hatte), Castle hingegen durfte nicht sein übliches Jahrmarkt-Happening abziehen und sah sich gezwungen zumindest grob Dienst nach Vorschrift zu liefern. Dem konterte er dafür mit dem Clou, die Nummer auch ohne Kirmes-Spielerei von Anfang an in der Comedy-Schiene anzusiedeln, was dem Film bis heute oftmals negativ angekreidet wird. Dabei ist es genau dieser Aspekt, der das „halbseidene Remake“ insgeheim sogar besser macht als die schon arg in die Jahrzehnte gekommene Vorlage.
„Must have been murder. She always knittled so carefully.“
Schon James Whale verwendete die literarische Vorlage von John Boynton Priestley für skurrile Ereignisse im Geisterbahn-Gewand, aber William Castle setzt dem Ganzen ganz offensiv die Krone auf. Die absurde Kreuzung aus Grusel-Kabinett, Whodunnit-Agatha Christie-Parodie und Der rosarote Panther im falschen Film ist ganz wunderbar Over the Top und mitunter sogar schreiend komisch. Da sitzt nicht jeder Gag und gerade gegen Ende ist man mehr auf Cartoon-Niveau angelangt, aber bis dahin gibt es einige herrlich-pointierte Einfälle, die von einem spielfreudigen Cast rund um Tom Poston (Die wilden Siebziger) und Robert Morley (Topkapi) auf breiten Schultern über die Ziellinie getragen werden. Mit dieser radikalen Interpretation – in der auch eine Arche gebaut wird, für alle Fälle – übertrifft Castle seinen berühmten Kollegen Whale nicht nur in Sachen Irrsinn, es wirkt in seinem Unfug einfach viel konsequenter. Die Erstverfilmung schwankte zwischen Parodie und Gruselfilm mitunter unentschlossen hin und her. Diesem Problem entledigt man sich hier von Anfang an.
Übrigens: Ganz verzichtete William Castle nicht auf sein Gimmick, auch wenn es diesmal nur versteckt daherkommt. Der Vorspann wurde von Chas Addams gezeichnet, dem Schöpfer der Addams Family. Diesen hatte Boris Karloff’s Rolle im Original zu der Figur des Butlers Lurch inspiriert. Somit schließt sich ein Kreis, der an sich überhaupt nicht rund ist. Aber trotzdem echt viel Spaß macht.
Fazit
Das alte, finstere Irrenhaus. William Castle darf nicht seine übliche Geisterbahn abziehen, dafür dehnt er seine Möglichkeiten bis ans Limit aus. Heraus kommt eine schrille, teilweise extrem komische Genre-Parodie, die natürlich Originalfetischisten und -Puristen negativ aufstoßen lassen kann. Dabei ist diese liebevolle Neuinterpretation nicht nur konsequenter als die Vorlage, sondern darüber hinaus nicht zwanghaft an sie gebunden. Das ist insgesamt kein großer Film, aber eine sympathische Alternative zu den etlichen, überflüssigen Remakes, mit denen man sonst so belästigt wird.
Autor: Jacko Kunze