Inhalt
Der Amerikaner Arthur Brennan ist in seinem Leben an einem Punkt angekommen, wo er den sprichwörtlichen Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Er ist in einer Sackgasse, aus der er als einzigen Ausweg nur noch den Selbstmord sieht. Dafür hat sich Arthur einen ganz besonderen Ort ausgesucht: Im japanischen Aokigahara, dem sogenannten Suicide Forest oder Sea of Trees, einem am Fuße des Fuji gelegenen 35 km² großen Waldes, der nahezu bar jeden tierischen Lebens ist, will er seiner Existenz ein Ende setzen.Doch der Versuch kommt nicht zur Vollendung, denn Arthur trifft in diesem seltsam aus der Zeit gefallenen Raum auf Takumi Nakamura , der – anderen Motiven folgend – das gleiche Ziel hat. Statt weiterhin den Freitod zu verfolgen, suchen sie ein neues Leben und dazu einen Weg heraus aus dem dichten Wald. Der Selbstmord-Trip wird so wider Erwarten zu einem Überlebenskampf.
Kritik
Zu Beginn appellieren die vielen Schilder am Eingang des Waldes noch an seine Vernunft. Auch wenn es Rückschläge und Tiefpunkte gibt, lohnt es sich, für die vielen wunderschönen Momente des Lebens durchzuhalten und vielleicht doch umzukehren, den engsten Verwandten und Freunden den womöglich endlosen Schmerz ersparen, der auf sie zukommt. Für Arthur Brennan ist der Entschluss, Selbstmord zu begehen, aber offensichtlich gefasst, als er sich in den berüchtigten Selbstmordwald Japans, der Aokigahra, begibt.
Gus van Sants (Good Will Hunting) The Sea of Trees wird mit einer ebenso bedrückenden wie fesselnden Atmosphäre eröffnet. Die Kamera von Kasper Tuxen kreiert fantastische Bilder, in denen sich die Schönheit der Natur mit der morbiden Grundstimmung des Ortes verbindet, den jedes Jahr zahlreiche Menschen als letzte Anlaufstelle besuchen, um sich das Leben zu nehmen. Matthew McConaughey (Interstellar) spielt die Hauptfigur des todessehnsüchtigen Amerikaners und glaubt man dem öffentlichen Echo, ist dieser Film ein erster Knick im bis dahin glanzvollen Höhenflug des Schauspielers. Als die Credits bei der Uraufführung in Cannes im Jahr 2015 einsetzten, hagelte es stürmische Buhrufe für das Werk und den nachfolgenden Kritiken war ein einstimmig vernichtender Tonfall zu entnehmen. An McConaughey darf man diese negative Rezeption allerdings nicht festmachen, denn der verleiht seiner Figur mit zurückhaltender Sensibilität und zunächst verborgener, später intensiv offenbarter Tragik ein starkes emotionales Gewicht, das dem Film neben der tollen Bildsprache maßgeblichen Halt verleiht.
Das zunehmend hanebüchene, mit geradezu abstoßendem Kitsch versehene Drehbuch von Chris Sparling (Buried - Lebend begraben) ist es schließlich, welches The Sea of Trees nach etwa zwei Dritteln der Gesamtlaufzeit immer langsamer, aber dafür umso härter den Todesstoß versetzt. Am meisten interessiert man sich als Zuschauer verständlicherweise für die Beweggründe Arthurs, das Motiv, weshalb sich der Amerikaner das Leben nehmen will. In eingestreuten Rückblenden setzt sich nach und nach das Bild einer problematischen Ehe zusammen, in der Arthur mit seiner Frau Joan unter Spannungen zu kämpfen hat. Während sie als Immobilienmaklerin die Hauptverdienerin ist, wartet er gemütlich darauf, dass sein geschriebenes Buch von einem Verlag veröffentlicht wird. Auch wenn The Sea of Trees gelegentlich bewegende Momente erzeugt, wenn er das Innenleben seiner Hauptfigur stückweise nach außen kehrt, werden die späteren Enthüllungen derartig konstruiert mit dem Klischee-Holzhammer und unterlegt von einem ziemlich unpassenden Score auf den Zuschauer eingehämmert, dass selbst diejenigen, die nah am Wasser gebaut sind und sich leicht einlullen lassen, irritiert sowie frustriert mit dem Kopf schütteln werden.
Anstatt zu einer nachdenklichen, anrührenden Reflexion über Leben und Tod, Verlust und Schuld entwickelt sich der Streifen recht bald zu einer banalen Mischung aus Überlebensdrama sowie unpassendem Esoterik-Kitsch, nachdem die Hauptfigur recht bald auf den japanischen Geschäftsmann Takumi trifft. Dieser hatte zunächst geplant, sich die Pulsadern durchzuschneiden, möchte jetzt aber doch lieber zurück zu seiner Frau und seiner Tochter, wobei ihm Arthur unbedingt helfen möchte. Was das Drehbuch dem Zuschauer spätestens in der letzten halben Stunde alles an erzwungener, aufgesetzter Sentimentalität und platten Dialogen zumutet, nur um zu einem völlig missratenen Ende zu gelangen, erinnert an Kitsch-Meister Nicholas Sparks (Kein Ort ohne Dich), dessen Bücher ebenfalls nie darum verlegen sind, mit jeder noch so zuckersüßen, rosaroten Banalität aufzuwarten.
Fazit
Auch wenn "The Sea of Trees" anfangs atmosphärisch stark beginnt, mit einer tollen Bildsprache überzeugt und einen gewohnt fantastischen Matthew McConaughey in der Hauptrolle bietet, zerfällt Gus van Sants Film aufgrund des haarsträubenden, vor kitschigen Sentimentalitäten und hanebüchenen Klischees nur so überquellenden Drehbuchs spätestens nach zwei Dritteln in seine Einzelteile. Was zunächst wie eine tiefgründige, nachdenkliche Reflexion über Themen wie Leben, Tod, Schuld, Liebe und Reue beginnt, endet in einem Desaster, das keine noch so naiven Kalenderweisheiten ausspart, Mystery in unpassende Esoterik verwandelt und schließlich auf ganzer Linie enttäuscht.
Autor: Patrick Reinbott