Inhalt
Die junge Waise Mary sucht in New York nach ihrer Schwester, die aus unerklärlichen Gründen untergetaucht ist . Das verlassene Apartment der Verschwundenen führt Mary zu deren heimlichem Ehemann und ihrem Psychologen, die beiden eine bizarre Beziehung zu der Vermissten haben. Überall, wo die junge Frau hinkommt, spührt sie den Einfluss einer geschlossenen Gruppe, zu der auch ihre Schwester gehörte - und die keines ihrer Mitglieder einfach wieder gehen lässt.
Kritik
Die vierte Produktion des grandiosen Val Lewton, der nach dem Überraschungserfolg Cat People bei RKO ein hohes Maß an kreativer Freiheit genoss, trägt von seinen neun Horrorfilmen wohl am stärksten seine inszenatorische Handschrift. Mark Robson trug als Cutter zur zwielichtigen Stimmung von Lewtons letzten drei Filmen bei und war reif für ein eigenes Projekt. Aus der fruchtbaren Kollaboration des Produzenten und des Regisseurs entstanden die Jack-London-Adaption Ghost Ship sowie die mit einem exzellenten Boris Karloff besetzten Schauerhistorien Isle of the Dead und Bedlam (außerdem der wenig erinnernswerte Exploitation-Film Youth runs wild). Doch keine der auf solider geschichtlicher oder literarischer Grundalge basierenden Storys erreicht die nagende Furcht von Robsons Debüt, das ein Doppeltes war. Kim Hunter, die für ihre Nebenrolle in A Streetcar named Desire einen Oscar gewinnen sollte, hatte ihre erste Kinorolle als die junge Hauptfigur Mary Gibson.
Marys Initiation in das Leben außerhalb ihres Internats kommt mit der brutalen Erinnerung an ihren niedrigen sozialen Status. Die Schulgebühren wurden von ihrer älterer Schwester Jaquelin (Jean Brooks) nicht mehr gezahlt: sie muss im Internat arbeiten oder verschwinden. Sie flieht auf den Rat einer Mitbewohnerin, deren Schicksal eine der unerzählten Tragödien am Rande ihres Weges ist. Die Beiläufigkeit dieser angedeuteten Geschichten unterstreicht die Grausamkeit der Welt, durch die Mary wie eine Verlorene irrt. Die Suche nach ihrer einzigen lebenden Verwandten führt sie nach New York, zu Jaquelines ehemaliger Firma und unbewohntem Apartment. Zweites enthält einen der für Lewton charakteristischen reduzierten Schocks, die jeden schrillen Effekt übertrumpfen. Die Zeit läuft davon, für Mary und ihre von einem diabolischen Greenwich Village Club bedrängte Schwester und die armen Seelen in den Großstadtschluchten. Die Reihe einprägsamer Filmgestalten zählt zum festen Ensemble von Lewtons narrativem Kosmos.
In Jaquelines Nachbarzimmer stirbt die schwer kranke Mimi (Elizabeth Russell aus Cat People, The Curse of the Cat People und Bedlam) einen einsamen Tod. Der schäbige Privatdetektiv Irving August (Lou Lubin), der Mary aus spekulativer Neugier hilft, wird zum Requisit einer makaberen Einschüchterung. Jaquelines undurchsichtige Psychiater Dr. Judd (Tom Conway), der mit seiner Patientin eine Affäre hat, wird sein Faible für geheimnisvolle Frauen in Cat People bezahlen. Der glücklose Dichter Jason (Erford Gage) erzählt Mary von ihrer Schwester in einem Café namens „Dante's“, über dem Jaquelines für einen ganz speziellen Zweck gemietetes Apartment liegt. Der Raum wird zur letzten Zuflucht vor der Hölle, die ihr eine manipulative Clique High-Society-Satanisten auf Erden bereitet. Doch der hinter der weltgewandten Fassade überaus perfide Zirkel kanalisiert lediglich ein undefinierbares und dadurch umso verunsichernderes Verhängnis, das längst über Mary hängt: wie ein Galgenstrick über einem Stuhl in einem leeren Mietzimmer.
Fazit
Die modernen Teufelsanbeter in Val Lewtons atmosphärischem Okkultthriller, ein klarer Einfluss für Rosemary's Baby, verbreiten die subtile Bedrohlichkeit einer einflussreichen Sekte. Doch noch beklemmender ist die erdrückende Ausweglosigkeit, die jede Szene überschattet. Besiegelt wird sie durch ein Zitat aus dem gleichen Sonett John Donnes, das Lewtons erstes Horrormärchen abschloss:
"I run to death and death meets me as fast. And all my pleasures are like yesterday."
Autor: Lida Bach