Inhalt
Der Autor und Regisseur Abu Bakr Shawky präsentiert nach seinem gefeierten Film YOMEDDINE eine neue Geschichte über Freundschaft, Widrigkeiten und Entschlossenheit, die im späten 20. Jahrhundert zwischen Ägypten und Österreich spielt.
Kritik
Die titelgebenden Geschichten Abu Bakr Shawkys farbenfrohen Familienepos sind nicht nur die Handvoll biografischer Erlebnisse seiner Eltern, deren deren Liebesgeschichte den dramaturgischen Leitfaden seiner historischen Handlung dient. Es sind ebenso all die kleinen darin gewobenen Anekdoten der erweiterten Verwandtschaft seines ägyptischen Vaters, die Memoiren, die seine österreichische Mutter in Romanform schließlich niederschreibt, und die mit der Wahrheit untrennbar verflochtenen Übertreibungen. Die Mischung aus herber Realität, Komik und knallbuntem Kitsch bestimmt auch die visuelle Ebene der sprühenden Symbiose aus Archivmaterial, Spielszenen und TV-Ausschnitten.
Deren Handlung beginnt im Jahr 1967 mit einem Brief, den der junge Ahmed (Amir El-Masri) auf der Suche nach einer Brieffreundschaft aus Österreich erhält. Der Briefwechsel zwischen der aspirierenden Schriftstellerin Elizabeth (Valerie Pachner, Delicious) und dem Musikstudenten entspinnt sich vor dem geschichtlichen Hintergrund der Kriege mit Israel 1967 und 1973, die sogenannten Bread Riots 1973 gegen die explodierenden Preise sowie das Attentat auf Präsident Anwar Sadat 1981. Die Nationalgeschichte ereignet sich auf dem Fernsehbildschirm, über den Archivbilder von Fussballspielen, präsidiale Ansprachen und alten Filmszenen flimmern, die Familiengeschichte davor.
Ein kauziger Klüngel Onkel, Freunde und Bekannter versammelt sich in immer neuen Sitzkombinationen, die dem nationalen Fußballclub Zamalek kein Glück bringen, in dem kleinen Wohnzimmer. Viel Lärm bedeutet viel Liebe in der übersprudelnden Mischung aus Screwball Comedy und Schmalz. Jedes Unglück hat hier ihre komische Seite und hinter jedem Lachen liegen zugleich Wehmut und Schmerz. Tragik, Todesfälle und trotziger Humor verschmelzen zu einer aufgedrehten Anthologie über Zeitgeschichte, Zensur und Zusammenhalt. Das klangvolle Potpourri ägyptischer Schlager und Pop-Songs der 60, 70er und 80er wird zum musikalischen Marker der Jahrgänge.
Fazit
Stakkato-Dialoge, sprunghafte Schnitte und hitzige Kamerabewegungen treiben das Grundtempo Abu Bakr Shawkys chaotischer Chronik hoch. Hält die drei Jahrzehnte ägyptischer Geschichte und persönlicher Lebensgeschichten umspannende Handlung inne, wird das Sentiment so dick aufgetragen wie in den klassischen Dramen, denen die ironische Inszenierung huldigt. Für die feineren Töne von Satire und Systemkritik ist wenig Raum in dem turbulenten Tohuwabohu, das danke seiner Herzenswärme und seines Humors dennoch besticht. Realismus und Romantik halten die Balance in dem cineastischen Roman à clef voller prägnant gespielter Stereo-, Proto- und Charaktertypen.
Autor: Lida Bach