Inhalt
Nach dem spurlosen Verschwinden eines jungen Mädchens führen seine Nachforschungen Ermittler Neil Howie nach Summerisle, einer entlegenen Insel vor der Küste Schottlands. Die mysteriöse Dorfgemeinschaft scheint alles andere als erfreut über den ungebetenen Gast und hüllt sich in Schweigen. Doch Howie lässt sich nicht einfach abschütteln. Das seltsame Verhalten der Einheimischen, die einem heidnischen Fruchtbarkeitskult frönen, löst bei dem strenggläubigen Sergeant jedoch zunehmend Unbehagen aus. Sein Instinkt trügt ihn nicht, die Gemeinschaft ist in eine tödliche Verschwörung verwickelt.
Kritik
Es gibt nicht viele Filme, die als wirklich einzigartig gelten. The Wicker Man von Robin Hardy (The Fantasist) ist einer davon, schon allein deshalb, weil sich nur schwerlich Referenzfilme zu Rate ziehen lassen. Dieses Gefühl der Andersartigkeit nutzt der Film auch ganz bewusst, denn von Beginn an arbeitet der Regisseur mit Eindrücken wie Verunsicherung und Ungewissheit, die ein so spezieller Film beinahe zwangsläufig mit sich bringt. Vordergründig zeigt sich das bereits in der gekonnten Vermengung des Horrorgenres respektive des Okkulten mit typischen Elementen eines Musicals. Was zunächst sehr merkwürdig anmutet, fühlt sich im fertigen Film zwar durchaus befremdlich, in Anbetracht der zugrundeliegenden Narration jedoch nie fehl am Platze an. Überhaupt scheint befremdlich das treffendste Wort für The Wicker Man zu sein, beschleicht dieses Gefühl seinen Zuschauer doch fast durchgängig, was sowohl an der eigensinnigen Erzählstruktur als auch an Hardys ungeschliffener Inszenierung liegt.
Erzählt wird dabei zunächst eine recht bodenständige Mysterygeschichte, in dessen Mittelpunkt der pflichtbewusste Polizeibeamte Neil Howie (Edward Woodward) steht, den es aufgrund einer Vermisstenmeldung auf die schottische Insel Summerisle verschlägt. Erwartungsgemäß zeigen sich die Einheimischen wenig kommunikativ und stoßen den christlich bodenständigen Polizisten alsbald durch widersprüchliche Falschaussagen und eigenartigem Verhalten vor den Kopf. Seinen Gegenspieler findet Howie in Form von Lord Summerisle (Christopher Lee), der ihn über den heidnischen Fruchtbarkeitskult der Insel aufklärt. Von Beginn an spielt der Film mit den gegensätzlichen Anschauungen, welche Howie und der Inselkult verkörpern. Während die einheimische Bevölkerung stark den heidnischen Riten verschrieben ist und eine ausgeprägte Vorliebe für kultische Tänze, Gesänge und nicht zuletzt einer offen ausgelebten Sexualität entwickelt hat, ist Howie stark dem christlichen Glauben verpflichtet. Schon seine zugeknöpfte Uniform und die saubere Frisur bekräftigen seine Ansichten, ein Symbol, mit dem der Film gegen Ende ganz bewusst spielt.
Über weite Strecken spottet The Wicker Man auch seiner Genrezuordnung als Horrorfilm, denn gerade zu Beginn findet man nur wenig Genrestereotypen. Auf der Seite des konservativen und sehr selbstsicheren Howie fühlt man sich als Zuschauer ebenso sicher wie er selbst. Schließlich hat er aus eigener Sicht sowohl das Recht als auch den Glauben auf seiner Seite. Dadurch spielt Hardy auch gekonnt mit Zuschauererwartungen, denn während man selbst noch an naheliegende Auflösungen denkt, hat die Falle des Films schon längst zugeschlagen. Als Identifikationsfigur dient er, ebenso wie die Inselbewohner, nur schwerlich, denn dafür ist er zu unsympathisch und bis zu einem gewissen Grad auch borniert. Mit ihren verstörenden und bunten Ritualen bildet der Inselkult einen perfekten Kontrast zu ihm, doch auch sie vermögen es kaum Zuschauersympathien auf ihre Seite zu ziehen. Diese Empathie hat The Wicker Man jedoch gar nicht nötig, denn seine Spannung generiert er eben nicht durch schlichte Emotionen, sondern durch den Wahnsinn, den er durch Bild und Ton transportiert.
Fazit
„The Wicker Man“ ist eine einzigartige Mischung aus Horror-, Mystery- und Musicalversatzstücken. Seinen Horror transportiert der Film dabei weniger über klassische Schockmomente oder einen genretypischen Spannungsaufbau, sondern viel mehr über morbide Situationen und abstruse Figuren. Denn unter der unnahbaren Oberfläche der mysteriösen Dorfbewohner schlummert ein ebenso krankhaftes wie rückständiges Weltbild, dessen reine Existenz schon verstörend genug ist.
Autor: Dominic Hochholzer