Inhalt
Outlaw McCord, auf den 10.000 $ ausgesetzt sind, flüchtet vor dem Gesetz und gnadenlosen Kopfgeldjägern in das berüchtigte Nest Escondido, ein El Dorado der Gesetzlosen. Dort gerät er schnell mit den Befehlshabern aneinander und erfährt gleichzeitig, dass der Governor von New Mexico allen Straftätern eine Amnesty anbietet, wenn sie sich selbst stellen. Für den zusehend an immer wiederkehrenden Lähmungserscheinungen leidenden McCord inzwischen eine ernsthaft Option, allerdings hat er fast schon zu viele Feinde gemacht, als einfach so von neuem beginnen zu können.
Kritik
Eine wirklich große Karriere hat Regisseur Franco Giraldi (Rocco – Der Mann mit den zwei Gesichtern) nicht hingelegt, am ehesten dürfte sein Name noch im Italo-Western auf Wiedererkennung treffen. Dort verbrachte er zwar nicht den größten, aber den prägendsten, wichtigsten und erfolgreichsten Teil seines Schaffens, war gar Second Unit Director bei Eine Handvoll Dollar, bevor er danach eigenständig Regie führt. Sein vierter und letzter Western wurde Mehr tot als lebendig aus dem Jahr 1968. Mitfinanziert von ABC sogar eine amerikanische Co-Produktion, was ihn in seinem Auftreten und Wesen als waschechter Spaghetti-Western aber nicht sichtlich beeinflusste. Auch in der neuen Welt hatte sich inzwischen herumgesprochen, dass diese Art ihres ehemaligen Haus-und-Hof-Genres äußert lukrativ war. Da mischt man lieber gleich mit, anstatt sich davon nur die Butter vom Brot nehmen zu lassen.
Wie im Schmutz-und-Schmuddel-Western oft üblich ist Protagonist McCord (Alex Cord, Horizont in Flammen) alles andere als ein Unschuldslämmchen. Ein berüchtigter Pistolero, der geprägt durch traumatische Ereignisse bereits als Kind seine ersten Kerben am Gewehrschaft sammelte. Ein mehrfacher Mörder und gesuchter Verbrecher soll als Sympathieträger fungieren, was aber kein Problem darstellt, denn die gesamte Welt um ihn herum wird kaum weniger verroht und niederträchtig skizziert. Da scheuen unter dem Deckmantel des Gesetzes dienende Kopfgeldjäger sich nicht, einen Priester eiskalt hinzurichten, nur um in eine bessere Position für einen Hinterhalt zu kommen oder es werden weiße Fahnen ignoriert, wenn in die Enge getriebene Diebe sich ergeben wollen. Und selbst die großzügig vom Governor (Robert Ryan, The Wild Bunch – Sie kannten kein Gesetz) angebotene Amnesty für jedermann wird von seinem Gefolge wie dem scheinheiligen Marshal Colby (Arthur Kennedy, Lawrence von Arabien) ausgenutzt, um gesuchte Straftäter wie Kaninchen zur gefräßigen Schlange zu locken. Es sind Zeiten voller Gewalt, Verrat, Gier und Überlebenskampf, in denen selbst dieses Fünkchen Anstand, Menschlichkeit und Gerechtigkeitssinn im Herzen eines Getriebenen den Unterschied ausmachen können.
Aus dieser anti-moralischen Prämisse und seinen ambivalenten, sich im Verlauf der Handlung durchaus noch verändernden Hauptpersonen bezieht Mehr tot als lebendig seinen größten Reiz. McCord ist zwar ein Schurke, wird aber aufgrund seiner positiven Charakterzüge wie einem schon früh schemenhaft dargestellten Kindheitstrauma – welches ihm eine tragische, fast mitleidige Note verleiht – klar die Heldenrolle zuteil. Allerdings gewinnt er mit der Zeit nicht unbedingt Sympathien hinzu, wie es vielleicht in anderen (US-)Western der Fall wäre. Eher bekommt sein Auftreten durch ein paar fragwürdige Aktionen einen kleinen Knacks, wobei damit ja eigentlich nur unterstrichen wird, das Schwarzweiß-Denken in guten Western (und guten Filmen ohnehin) selten förderlich ist. Im Gegenzug ist auch Arthur Kennedy als verachtenswerter Gesetzeshüter nicht komplett auf diese Rolle festgenagelt. Gewinnt im schießwütigen Finale plötzlich doch noch die Gunst des Zuschauers, wenn er sich aufopferungsvoll gegen die wahren Bad Guys (ja, auch die gibt es) stellt. Selbst der um Vergeben und Vergessen bemühte, fortschrittliche, aber wenn es sein muss auch ziemlich handfeste Governor besitzt trotz seiner oberflächlich saubersten Rolle ein paar wenigstens graue Flecken auf der weißen Weste. So scheint es ihm doch sehr darum gelegen, den berüchtigten McCord publikumswirksam zu begnadigen, wobei es ihm mehr um den Effekt, als um den Menschen selbst geht. Politische Instrumentalisierung, zeitlos wichtig.
Fazit
Franco Giraldi hat den Italo-Western von seinen Ursprüngen an verinnerlicht und versteht genau, wie dieses (Sub-)Genre funktioniert. Sein Manko liegt dabei eher in der Tatsache begründet, dass er rein formell nicht über das Grundsolide hinauskommt, was nicht als despektierlich verstanden werden soll. Der Film funktioniert, gefällt speziell in seinem angesprochenen Spiel von Gut und Böse, falsch und richtig, ethisch und verwerflich und kann einige gelungen Sequenzen für sich verbuchen, wie sie auch bei Leone, Corbucci oder Solima grundsätzlich vorhanden sind. Etwas räudiger, gerade da es die Voraussetzungen beinah zwingend einfordern, könnte es gerne noch zugehen und auch die knapp zwei Stunden Laufzeit der Originalfassung wirken etwas zu lang (wobei die immer noch klar der zu stark gekürzten, deutschen Kinofassung vorzuziehen ist). Dafür ist die Schlusspointe mit viel bitterem Zynismus getränkt, fast wie bei den Besten.