Inhalt
„Scheiße, wir steigen auf!“ hieß es 2019 noch augenzwinkernd auf einem Banner im Stadion des damaligen Zweitligisten 1. FC Union Berlin an der Alten Försterei. Vier Bundesliga-Jahre später qualifiziert sich der ostdeutsche Traditionsverein für die Champions League und vollbringt damit etwas, das ihm wohl die wenigsten zugetraut hätten. Bei all der Euphorie über den Erfolg der letzten Jahre steigt aber auch der Druck, sportlich und wirtschaftlich leistungsstark zu bleiben, und die Befürchtung zwischen Tradition und Wandel in einen Identitätskonflikt zu geraten. Dass es der Fußball-Underdog aus Köpenick dennoch schafft, sich seinen Zauber zu bewahren, liegt vor allem an den Menschen, die hinter den Kulissen unaufhörlich und voller Begeisterung den Betrieb am Laufen halten. Immer an ihrer Seite: Eine treue Fangemeinschaft, die bereit ist, den Weg ihres Clubs tatkräftig mitzugestalten.
Kritik
Eine Fußballdoku ohne Fußball? Diesen Eindruck kann man fast gewinnen, wenn man sich Annekatrin HendelsUnion – Die Besten aller Tage ansieht. Tatsächlich steht die Jagd nach dem Ball kaum im Mittelpunkt, sodass sich die Doku weniger mit Spielern und Cheftrainer befasst, sondern den Fokus auf die Personen legt, die den Betrieb eines Fußballvereins am Leben halten. Angefangen von der Zeugwärtin, über die PR- und Marketingabteilung, den Co-Trainern, der Geschäftsstelle bis hin zum Präsidenten Dirk Zingler bekommt man einen tiefen Einblick hinter die Kulissen des Berliner Kultvereins, der in den letzten Jahren einen bemerkenswerten Aufschwung genossen hat und mittlerweile zur Nummer 1 in Berlin aufgestiegen ist. Doch wie der kometenhafte Aufstieg von der 2. Bundesliga in die Champions League gelang, kann die Doku nie richtig ergründen. Dass Union Berlin ein besonderer Klub ist, bei dem es trotz aller Professionalität des Geschäfts immer noch familiär zugeht, zeigt Hendel (Fassbinder) in ihrem Film dagegen überdeutlich.
Doch genau da stellt sich die Frage, für wen den Film nun gedacht ist. Für Fußballfans? Für alle, die schon einmal wissen wollten, wie es hinter den Kulissen eines Sportvereins abläuft? Oder doch für die hartgesottenen Fans von Eisern Union? Eine eindeutige Antwort liefert der Film nicht, obwohl vieles dafür spricht, dass letzteres der Fall ist. Es beginnt schon damit, dass die im Dokumentarfilm gezeigten Personen nie so richtig vorgestellt werden. Wer sie sind, wie sie zum Verein gekommen sind und welchen Anteil sie letztendlich am Erfolg haben, wird nur teilweise ergründet. Ebenso wenig scheint der Film eine klare Struktur zu haben. Der Doku selbst mangelt es an Höhepunkten, denn diese liegen eher abseits der Handlung im sportlichen Erfolg der Mannschaft auf dem Spielfeld. Hendel begleitet das Team in ihrer besten Phase, mit dem Einzug in die europäischen Klubwettbewerbe bis hin zum 34. Spieltag der Saison 2022/23 und dem fulminanten 4. Platz, der für den Einzug in die Champions League genügte. Es ist natürlich lobenswert, dass sie gerade den Menschen mehr Beachtung und Anerkennung schenken wollte, die diese nicht jede Woche erhalten, doch ohne Spieler und Trainer wären auch sie nicht dort wo sie jetzt sind, sodass dem Film hier ein gewisser Mix nicht geschadet hätte, ohne natürlich den Fokus auf das eigentliche Ziel und damit seinen Protagonisten zu verlieren.
Welchen Anteil diese Personen am Erfolg haben, hätte man zu gerne erfahren. Das Transfergeschehen, die Verhandlung mit Sponsoren, die Organisation um den Spieltag, das Wachsen an den Herausforderungen, die der plötzliche Erfolg mit sich bringt, wird allenfalls angedeutet. Ein paar einfache Telefonate und lockere Gespräche können hier nicht den Eindruck erwecken, als sei das schon alles. Der Aufstieg von Union an die Spitze der Liga gleicht einem Wunder, für das man gerne Erklärungsansätze gesehen hätte und nicht nur die Freude über das Ergebnis. Dass es in dieser erfolgreichen Zeit eher weniger Reibereien gegeben hat, mag in der Natur der Sache liegen, doch auch hier gab es einige Momente wie den Transferhickhack um den spanischen Nationalspieler Isco oder den deutschen Stürmer Max Kruse. Für Aufregung und Wirbel hat das ganze Gebaren der Spieler sicherlich gesorgt, nur bleibt auch das lediglich eine Randnotiz in der Doku. Vielmehr gewinnt man den Eindruck, als sei Hendel entweder bereits selbst Teil der Familie geworden und wolle deshalb nur die guten Seiten hervorheben oder als sei sie nur phasenweise anwesend und ihr fehle der Überblick über das Große und Ganze.
Oft weiß man auch nicht wirklich, wo man sich im Saisonverlauf gerade befindet. Es werden ein paar Highlights, etwa aus den Auftritten in Europa oder die Siege gegen den Erzrivalen Hertha hervorgehoben, aber so richtig zeitlich eingeordnet wird es nicht. Hinzu kommt, dass es keinen Off-Kommentar gibt, der für Überbrückungen sorgt und eine vernünftige Überleitung zu den einzelnen Zeitabschnitten herstellt und, dass kurze Schrifteinstellungen äußerst klein und dadurch unscheinbar sind. Was man der Doku nicht absprechen kann, ist aber der Sympathiefaktor. Auch als Nicht-Fan von Union Berlin schafft es der Film dank seiner erfrischenden Herangehensweise und seinen Protagonisten Pluspunkte zu sammeln. Dass Union Berlin ein besonderer Verein ist, der trotz des großen Erfolges noch immer sehr familiär ist, der den Kommerz nicht über die eigenen Fans stellt und der einfach noch natürlich daherkommt in diesem großen Fußballbusiness, bringt der Film zum Ausdruck. Genauso zeigt sich die große Fanliebe, die ebenfalls mehr in den Mittelpunkt hätte gerückt werden können, denn auch die Fans gehören zum Verein und sie sind es, die für die Atmosphäre sorgen und damit dem Verein den Kultstatus verleihen.
Fazit
„Union – Die Besten aller Tage“ ist eine interessante Dokumentation, die aber mehr Fanfilm ist. Für eingefleischte Unioner ist der Film ein wunderbares Geschenk mit Herz, der ihren Verein und die Menschen im Hintergrund würdigt. Doch für alle anderen fehlt es an Struktur und tieferem Einblick, an der Auseinandersetzung mit Kontroversen und einer Analyse des wunderbaren, aber doch überraschenden Erfolges. Tatsächlich wirkt die Doku wie eine schöne Familienfeier, auf der man sich fröhlich nette Geschichten erzählt, aber ansonsten bloß nicht zu viel offenbaren will.
Autor: Andy Mieland