7.8

MB-Kritik

Vampyr - Der Traum des Allan Grey 1932

Horror, Fantasy – Germany

7.8

Nicolas de Gunzburg
Maurice Schutz
Rena Mandel
Sybille Schmitz
Jan Hieronimko
Henriette Gérard
Albert Bras
N. Babanini
Jane Mora
Georges Boidin

Inhalt

Der junge Allan Grey steigt in einem alten Schloß ab, wo er schon bald Augenzeuge diverser surrealer Phänomene wird. So sieht er beispielsweise einen Schatten, der offenbar ein Eigenleben führt. Dann stirbt eine Tochter des Schlossherrn an Blutarmut - oder gibt es doch andere Gründe?

Kritik

Im Jahr 1932 musste Vampyr ein Schicksal ertragen, welches viele Meisterwerke der damaligen Zeit bei ihrer Veröffentlichung ereilte. Der erste Tonfilm von Carl Theodor Dreyer (Das Wort) war ein Misserfolg beim Publikum und eine noch größere Enttäuschung für die Kritiker. Wie bei vielen Werken, die ihrer Zeit damals schlichtweg voraus waren, hat sich Vampyr im Laufe der Jahre von seinem schlechten Ruf gelöst und gilt heute nicht nur als ein Wegbereiter des Genres, sondern sogar als einer der besten Horrorfilme aller Zeiten. Und man ist durchaus geneigt dieser Einschätzung zuzustimmen, führt man sich vor Augen was Dreyer bereits in den frühen 30igern geleistet hat.

In der Tat könnten sich viele Genreregisseur auch nach über 80 Jahren noch ein Stück von Vampyr abschneiden. Mit welcher Versiertheit und welchem Ideenreichtum Dreyer die technisch beschränkten Mittel der damaligen Zeit nutzte, um einen inhaltlich wie formal mitreißenden Horrorfilm zu kreieren, verdient Respekt. Dem mittlerweile mehr als ausgelutschten Subgenre des Vampirfilms verleiht Vampyr einige dramatische und surreale Versatzstücke, die noch heute aus dem breiten Einheitsbrei herausstechen. Eine gewisse Nostalgie hinsichtlich des Mythos der Vampire kann bei der Sichtung sicherlich nicht schaden und wer sich dem Film vollends hingeben will, der sollte sich wohl auch ein Stück weit in das Weltbild der damaligen Zuschauerschaft hineinversetzen.

Denn aus einem groben Blickwinkel erzählt Vampyr eine für das Genre durchaus typische Geschichte. Ein junger Reisender landet in einem alten Schloss, in dem mysteriöse Geschehnisse stattfinden, die sich letztlich auf einen Vampir zurückführen lassen. Wie so oft sind es jedoch die Kleinigkeiten, die den Unterschied machen. Angefangen mit der Tatsache, dass der Haupthandlungsort des Schlosses keinesfalls der Hauptsitz eines Vampires ist, sondern ähnlich wie ein menschliches Opfer nur von dessen Kräften heimgesucht wird. Vampirismus wird hier nämlich primär als Krankheit und nicht als Ausgeburt des Teufels verstanden. So gesehen wird eben nicht (nur) gegen einen schrecklichen Lord der Finsternis, sondern gegen den Überträger einer Krankheit gekämpft. Eine Tatsache, die eine dramatisch wunderbar funktionierende Komponente hinzufügt.

Aus einem technischen Standpunkt ist Vampyr noch stark den späten Stummfilmen verschrieben und ästhetisch dienten sicherlich Klassiker des Deutschen Expressionismus wie Das Cabinet des Dr. Caligari oder Nosferatu, eine Symphonie des Grauens als Vorlage. Dennoch vermag es Vampyr eigene Akzente zu setzen, sei es im surrealen Spiel der Schatten und Perspektiven oder auch beim gekonnten Einfangen von düsterer Atmosphäre und morbider Stimmung. Besonders gelungen sind auch die gelegentlichen Ausbrüche von Furcht, Ahnungs- und Hilfslosigkeit, die Dreyer immer wieder in den Gesichtern seiner Figuren findet. Natürlich ist Vampyr kein Film, der seine Wirkung durch kurzweilige Schockmomente oder billige Tricks generiert. Vielmehr baut er durch seine Bildgestaltung eine beängstigende und fesselnde Stimmung auf, die sich über die komplette Laufzeit nicht verflüchtigt. Gewissermaßen ein Manifest für den wahren Horror.

Fazit

Obgleich „Vampyr“ von dem berühmten, dänischen Regisseur Carl Theodor Dreyer gedreht und als deutsch-französische Produktion finanziert wurde, steht dieser frühe Tonfilm überdeutlich im Zeichen des Deutschen Expressionismus. Die suggestiven Bildkompositionen sind aufgeladen mit düsterer Symbolik und surrealen Traumsequenzen. Ein Film, der seiner Zeit voraus war und es noch heute vermag seine Zuschauer zu beunruhigen.

Autor: Dominic Hochholzer
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