Bevor das Film Festival Jahr sich dem Ende neigt, erstrahlt es noch einmal mit einem besonders hell: mit internationalen Stars und jungen Talenten, cineastischen Highlights und Premieren, Würdigungen renommierter Film-Persönlichkeiten und spannenden Debüts. All dies vor einer atemberaubenden Kulisse, die Kulturgeschichte mit Moderne verknüpft. Vom 28. November bis zum 6. Dezember rückt das Marrakech International Film Festival die marokkanische Metropole ins Spotlight der internationalen Film-Szene. Marrakesch sei das Tor zwischen Europa und Afrika, sagte der künstlerische Leiter des Festivals, Remi Bonhomme zur 22. Ausgabe: „Wir haben versucht, das Festival als eine Brücke zwischen führenden Persönlichkeiten des Weltkinos und aufstrebenden Talenten anzulegen.“
In seinen gerade einmal 25 Jahren seit der Gründung 2021 auf Initiative König Mohammed VI, dessen Schirmherrschaft das Festival seine Prosperität verdankt, katapultierte sich das Event an die Spitze der internationalen Festival-Szene. Alljährlich strömen Stars nach Marrakesch, dessen sorgsam kuratiertes Programm in angenehmen Kontrast zur unübersichtlichen Filmmenge der Berlinale oder Tallinn steht. Gus van Sants auf realen Begebenheiten basierter Mix aus Geisel-Krimi und GesellschaftssatireDead Man‘s Wireeröffnet die beeindruckende Auswahl von 82 Filmen aus 31 Ländern, verteilt auf sechs Sektionen. Unter denen fungiert der Wettbewerb mit seinem Fokus auf Erstlings- und zweite Werke zugleich als cineastisches Prisma und professionelles Sprungbrett für junge Filmschaffende. Um den Golden Star konkurrieren dieses Jahr 13 Beiträge.
Zu den spannendsten zählen Siyou Tans Amoeba um eine rebellische Clique junger Frauen im repressiven Klima einer chinesischen Elite-Schule, Meryem Benm'Bareks LiebesdramaBehind the Palm Treesum eine von neo-kolonialen Hierarchien untergrabene Romanze, und Regisseur und Fotograf James J. RobinsonsFirst Light, eine ältere philippinische Nonne an ihren Glaubensgrundsätzen zweifeln lässt. Unter dem Vorsitz von Jury Präsident Bong Joon Ho wählen Anya Taylor-Joy, Jenna Ortega, Celine Song, Julia Ducournau, Karim Aïnouz, Hakim Belabbes und Payman Maadi die Preistragenden aus. Was Marrakesch von anderen Festivals abhebt, ist jedoch der offene Dialog zwischen prominenten Filmschaffenden und Publikum im Rahmen der Conversations. Angekündigt sind unter anderem Jodie Foster, Guillermo del Toro, Laurence Fishburne und Jafar Panahi.
Dazu widmen sich zwei Panels mit Virginie Efira und Chiara Mastroianni zeitgenössischer Schauspielkunst und gesellschaftlicher Wirkung filmischer Figuren. Regisseurin Asmae El Moudir und Dokumentarfilmerin Karima Saïdi untersuchen anhand des marokkanischen Dokumentarkinos die Verbindung von Erinnerungsarbeit, Exil und gesellschaftlichem Umbruch. Besondere Ehrungen gibt es für Foster, del Toro sowie die marokkanische Schauspielerin Raouya sowie den ägyptischen Schauspieler, Regisseur und Produzenten Hussein Fahmi. Raouya prägte das marokkanische Kino mit ihren zahlreichen charaktervollen Darstellungen ebenso nachhaltig wie Fahmi, der seit der ersten Ausgabe mit dem Festival eng verbunden ist. Die Förderung heimischer Talente in der Branche und Aufmerksamkeit für das arabische und nordafrikanische Kino sind Grundpfeiler des Festivals.
Dessen interessanteste Sektion bleibt das Moroccan Panorama mit Werken lokaler Fimemacher*innen wie Yassine Fennane, deren EpisodendramaThe Antsin drei verschlungenen Geschichten einer jungen Migrantin folgt, und Madane El GhazouaniBad Weatherüber die bedrückenden Auswirkungen soziologischer Grenzsituationen. Von außen wirkt das Festival so perfekt konstruiert, dass sich unwillkürlich die Frage nach einem strukturellen Gegenimpuls stellt. Nach kreativem Chaos, organischer Entwicklung und der Integration marginalisierter Stimmen. Seine fulminante Erfolgsstory verdankt Marrakesch nicht nur der reizvollen Positionierung, kalendarisch, regional und logistisch, sondern umfassender und zielgesteuerter Förderung. Wie sich dieser - zumindest von weitem - glamouröse Kontrast zum Existenzkampf und den bitteren Budgetkürzungen vieler internationaler Film Festivals aus der Nähe anfühlt, erfahrt ihr in unserem umfassenden Festival Special!