Inhalt

Willkommen im Jahr 1989 - eine Zeit, in der Frauenkörper die Währung sind, mit der sie eine Krone kaufen können. Ausgewählte Kandidatinnen aus ganz Mexiko werden ins Valle de Bravo gebracht, um sich dort in der opulenten Hacienda „La Encantada” auf die Wahl zur Miss Mexico vorzubereiten. Bis zur Wahl dürfen sie diesen Ort nicht verlassen und alle Frauen haben ihr bisheriges Leben aufgegeben, um daran teilnehmen zu können – nur ein kleiner Preis, um die neue Königin des Landes zu werden. Anfangs fühlt es sich wie ein Paradies auf Erden an – jedoch wird schnell klar, dass der Schein trügt - hartes Training, strenge Diäten und auch heimliche Operationen sollen die Teilnehmerinnen "perfekt” machen. Hinzu kommen extravagante Partys, bei denen zwielichtige Geschäfte stattfinden und sexuelle Gefälligkeiten der Frauen erwartet werden. Als eine der Kandidatinnen tot aufgefunden wird, kommt die Polizei ins Spiel. Jedoch zeigt sich auch hier, wie tiefgreifend Korruption, Machtmissbrauch und Manipulation in der harten Welt des Showbusiness verankert sind.

Kritik

„Wer schön sein will, muss leiden“ ist der berühmte Spruch, der Frauen auf der ganzen Welt immer noch eingetrichtert wird. Dieses Kredo nimmt die mexikanische Serie Señorita 89 ziemlich wörtlich, denn hier wird den Frauen einiges abverlangt: von sexuellen Gefälligkeiten bis ungewollten Schönheits-Operationen und völliger Isolation von der Außenwelt. Man fragt sich unwillkürlich, warum die Damen all das auf sich nehmen, nur um das glänzende Krönchen zu bekommen und genau darum dreht sich die ganze Serie. Einzelne Folgen tragen die Namen der Schönheitsköniginnen und erzählen ihre Leidensgeschichten, die erklären sollen, was in ihrem Leben alles schiefgelaufen ist, damit sie gezwungen waren, an den Schönheitswettbewerben teilzunehmen und sich reiche Förderer zu suchen, die sie unterstützen. Die meisten Frauen scheinen tatsächlich keine andere Wahl oder Alternative in ihrem Leben zu haben als ein Teil der Fleischbeschau-Maschinerie zu werden. Señorita 89 gibt den Frauen allerdings zu keinem Zeitpunkt die Schuld an ihrer Lage, sondern zeigt viel Mitgefühl und Verständnis und prangert eher das ausbeuterische Geschäft mit der Schönheit an.

Die Abgründe der Schönheitswettbewerbe tun sich in der opulenten Hacienta „La Encantada“ auf und drohen die jungen Frauen und ihre Seelen zu verschlingen. Jede Folge wird mit der Erzählerstimme der Kulturbeauftragten Elena (Ximena Romo, Sin hijos) , die den Mädchen kultiviertes Benehmen beibringen soll, kommentiert. Obwohl Elena sich äußerlich kaum von den Missen unterscheidet, darf sie die Rolle einer grauen Maus übernehmen, die offensichtlich in Kartoffelsack-ähnliche Klamotten gesteckt wird, um sich bloß von den Schönheitsköniginnen abzuheben. Dann verpasst man Elena auch noch eine kindliche deutsche Synchronstimme, die sich keinesfalls wie eine erwachsene Frau anhört und diese unpassende Kinderstimme kann auf Dauer schon ein wenig nerven. Trotzdem ist die Serie durchaus sehenswert, weil sie ein paar Spannungsbögen aufbaut und mit Cliffhangern dienen kann. Die Handlung wird dennoch häufig gestreckt, vor allem wen eine der Schönheitsköniginnen sich mal wieder nicht entscheiden kann, ob sie gehen oder bleiben soll oder wenn die fiesen Machenschaften hinter den Kulissen in aller Ausführlichkeit aufgedeckt werden.

Jedem muss klar sein, dass eine Serie nicht nur aus Höhepunkten bestehen kann, und Señorita 89 ist da keine Ausnahme. Die Serie arbeitet viel mit Rückblicken, um Verständnis für die einzelnen Figuren aufzubauen. Das Tempo variiert, mal läuft es schneller, mal langsamer und man lässt den Charakteren auf jeden Fall viel Zeit sich zu entfalten. Das Interessante an ihnen, ist, dass sie niemals nur schwarz oder weiß sind, weil in diesem Szenario kaum eine Figur ausschließlich gut oder ausschließlich böse ist. Wer glaubt über eine bestimmte Figur sein Urteil gefällt zu haben, muss es ein paar Folgen später überdenken, denn man erfährt immer wieder etwas Neues, was den Blick auf die Figuren völlig verändert. Sie können doch so böse, gemein oder manipulativ sein, aber in gewissen Situationen zeigen sie genug Mitgefühl, dass man sie ja fast schon als liebenswert ansehen könnte, aber eben nur fast. Selbstbestimmung ist in dieser Serie ein Privileg, umso wichtiger erscheint es unter anderem, die Geschichte einer jungen Frau zu erzählen, die genau weiß, worauf sie sich da einlässt und bewusst alle Strapazen auf sich nimmt, um zu gewinnen. Bei den Schönheitswettbewerben wimmelt es eben nicht nur von potenziellen Opfern, die nur ausgenutzt werden, sondern auch von entschlossenen Raubtieren, die sich unter dem Schafspelz der naiven Schönheitskönigin verstecken.

Technischer Part

Polyband/WVG veröffentlichte die Serie Señorita 89 am 24. Februar 2023 auf zwei DVDs in hervorragender Bild-und Tonqualität in Deutsch und Spanisch. Es sind keine Bonusmaterialien vorhanden.

Fazit

Hinter der glitzernden Fassade der Schönheitswettbewerbe versteckt sich jede Menge Bösartigkeit, Intrigen, Süchte, Selbstverleumdung und Angst. Es ist nicht alles Gold, was glänzt und "Señorita 89" blickt hinter die Fassade der schönen heilen Welt, um Geschichten zu erzählen, die sich mit Sicherheit irgendwo auf der Welt genauso zugetragen haben. Erschreckend realitätsnah, erinnert die Serie stets daran, dass man für die glänzende Krone und den Ruhm oft einen viel zu hohen Preis zahlen muss. "Señorita 89" rechnet gnadenlos mit der Schönheitsindustrie ab.