Bildnachweis: Arthaus

"Best of Pedro Almodóvar": Ein Blick auf das neue limitierte Box-Set

von Sebastian Stumbek

Er ist einer der erfolgreichsten und wichtigsten Regisseure Europas, der das Kino seit rund 45 Jahren prägt. Seine Filme erzählen oft bizarre Geschichten, die eindrucksvoll mit Tragik und Humor jonglieren und das Publikum regelmäßig begeistern und polarisieren. Und die gern exzentrische Frauenfiguren in den Fokus rücken, die ihre Sehnsüchte ohne jede Diskretion einfach ausleben. Mit seinem einzigartigen Blick auf das Leben schafft es Pedro Almodóvar immer wieder eindrucksvoll seine Zuschauer zu berühren.

Am 25. September wird der in Spanien geborene Filmemacher stolze 75 Jahre alt. Zu diesem Anlass haben wir bereits 10 seiner bedeutendsten Filme vorgestellt, nun möchten wir einen Blick auf das neu erschienene limitierte Box-Set Best of Pedro Almodóvar werfen, das passend zum anstehenden Geburtstag der Regie-Ikone von Arthaus am 22. August auf dem deutschen Heimkinomarkt veröffentlicht wurde. Eine Auswahl an 10 Highlights seines Schaffens befinden sich neben umfangreichem Bonusmaterial darin verteilt auf insgesamt 10 Discs (wahlweise auf Blu-Ray oder DVD): Frauen am Rande des NervenzusammenbruchsHigh Heels - Die Waffen einer Frau, Mein blühendes Geheimnis, Live Flesh - Mit Haut und Haar, Alles über meine Mutter, Sprich mit ihr, La Mala Educación - Schlechte Erziehung, Volver – Zurückkehren, Leid und Herrlichkeit sowie Parallele Mütter. Wir stellen die enthaltenen Filme an dieser Stelle kurz vor, fassen im Anschluss die technischen Details und die Ausstattung der Veröffentlichung zusammen und ziehen dann unser Fazit. 


Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs

Darum gehts: Pepa wurde gerade von ihrem Liebhaber Iván sitzengelassen. Emotional ein schwerer Schlag, hat sie doch gerade erfahren, dass sie von ihm ein Kind erwartet. Der Zufall und einige kuriose Ereignisse sorgen dafür, dass sich bald darauf Iván’s Sohn aus erster Ehe, dessen zickige Verlobte, Pepa’s hysterische Freundin Candela, Iván’s psychisch labile Ex-Frau und ein paar Polizisten auf der Suche nach schiitischer Terroristen in ihrer Wohnung versammeln…

Fazit unserer MB-Kritik: Pedro Almodóvar stellt bei seinem gefeierten Durchbruchswerk bereits unter Beweis, welch großes Talent und welche unverwechselbaren Attribute ihn auszeichnen. Objektiv und aus der Distanz betrachtet ist hier einiges noch nicht perfekt, aber schon auf einem sehr guten Weg. Und Luft nach oben ist in dem Status einer Karriere ja noch kein Problem, mehr eine Chance. Die hat er definitiv genutzt.

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High Heels - Die Waffen einer Frau

Darum gehts: Eine junge Frau, die den früheren Liebhaber ihrer Mutter geheiratet hat, versucht sich aus der Hass-Liebe zu dieser Mutter zu lösen. Pedro Almodóvars ironisches Melodram um Liebe, Mord und verspätete Mutterliebe ist eine Hommage an die Weiblichkeit und ihre diversen Spielarten, die ihre beiden Hauptdarstellerinnen Victoria Abril und Marisa Paredes in ausgeklügelten Dekors in Szene setzt.

Fazit unserer MB-Kritik: Vom flippigen Lästermaul, tendenziell chaotischen Lästermaul zum scharfsinnigen Thriller-Künstler. Pedro Almodóvar’s Werdegang zu verfolgen ist wie einer potenziell majestätischen Pflanze beim Wachsen zuzusehen. Es fängt sehr klein, aber da schon interessant und positiv anders an. Einfach besonders. Dem Status des nur möglichen Talents ist er hier schon lange entwachsen, dass die Entwicklung aber immer noch nach oben geht, das spricht Bände. Und das Ende ist noch lange nicht erreicht.

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Mein blühendes Geheimnis

Darum gehts: Psychodrama von Pedro Almodóvar, in dem Marisa Paredes eine verzweifelt verliebte Schriftstellerin von Groschenromanen spielt, deren Ehemann sich von ihr trennt.

Fazit unserer MB-Kritik: Eine Art Comig-of-Middle-Age-Geschichte einer Frau leicht jenseits der besten Jahre, die sich nun schlagartig neu erfinden muss. Zwischen zwei Identitäten, zwischen zwei Männern. Mit Witz, Emotion und Herz erzählt, ohne sich dabei zu sehr im Ton zu vergreifen (nur hier und da mal etwas pöbelt, aber das ist ja auch gut so) oder in den Kitsch zu verfallen, der hier ganz offensiv an den Pranger gestellt wird. „Mein blühendes Geheimnis“ ist sicher einer der unspektakuläreren Filme von Pedro Almodóvar, was ihm Qualitativ aber nicht schadet. Ihn nicht auf ein Podest hebt, was er auch absolut nicht benötigt. Einfach ein schöner Film, den so praktisch nur einer machen kann.

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Live Flesh -Mit Haut und Haar

Darum gehts: Die beiden Polizisten David und Sancho werden zu einem Einsatz in eine Madrider Wohnung gerufen. Dort bedroht der Pizzabote Victor die drogensüchtige Elena mit einer Pistole. Während David den jungen Mann zu beruhigen versucht, beginnt Sancho ihn zu provozieren und stürzt sich schließlich sogar auf ihn. Im Handgemenge feuert Victor ab, getroffen wird David. – Vier Jahre später: David ist seit dem Vorfall querschnittsgelähmt und muss im Rollstuhl sitzen. Er ist jetzt mit Elena verheiratet, die von den Drogen weg ist und ein Kinderheim leitet. Der unverletzt gebliebene Sancho lebt immer noch mit seiner Frau Clara zusammen. Als Victor seine Haftstrafe abgesessen hat und wieder auf freiem Fuß ist, beginnt er, sich vehement in das Leben der beiden Paare einzumischen. Denn er hat eine Version des damaligen Ereignisses zu erzählen, die sich von der offiziellen deutlich unterscheidet.

Fazit unserer MB-Kritik: Das Schaffen von Pedro Almodóvar ist in seiner (chronologischen) Gesamtheit besonders spannend, da der Werdegang nicht nur ein reiner Lernprozess ist. Es ist eine Entwicklung, die manches ausschleicht und anderes anreichert, trotzdem sind Anfang und Ende immer noch aus einem Guss. Als würde man dem eigenen ADHS-Sorgen/Wunderkind beim Großwerden zusehen und am Ende mit stolzgeschwellter Brust feststellen, es war alles genau so richtig. Und hier befinden wir uns erst bei der Mitte.

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Alles über meine Mutter

Darum gehts: Pedro Almodóvar erzählt in diesem Film die Geschichte einer Frau, die auf der Suche nach dem Vater ihres verstorbenen Sohnes mit ihrer Vergangenheit konfrontiert wird. Seine "Hommage an die Mütter" lockte allein in Spanien mehr als zwei Millionen Zuschauer in die Kinos.

Fazit unserer MB-Kritik: Pedro Almodóvar auf der Höhe seiner Kunst: Alles über meine Mutter weist all die Charakteristika und Motive auf, die den spanischen Filmemacher berühmt gemacht haben, mit dem Unterschied, dass er sie hier noch feiner ausarbeitet, als in manch anderen Filmen. Alles über meine Mutter ist warmherzig und tieftraurig, ehrlich und voller menschlicher Schönheit.

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Sprich mit ihr - Hable con ella

Darum gehts: Almodóvar erzählt die Geschichte von zwei verhinderten Lieben und scheut dabei nicht die Auseinandersetzung mit brisanten moralischen Themen. Wie bei dem spanischen Regisseur üblich, stehen auch hier die Frauen im Mittelpunkt der Handlung. Und dennoch ist es eine Männerfreundschaft, die daraus entspringt.

Fazit unserer MB-Kritik: Der ewige Provokateur ist endgültig unantastbar. Pedro Almodóvar kann inzwischen machen was er will und wird dafür (zurecht) allerorts bejubelt. Er hat verstanden, wie er seine kontroversen Stoffe verpacken kann, um nicht nur als Nischen-Messias begriffen zu werden. „Sprich mit ihr – Hable con ella“ ist inhaltlich komplett auf seiner bisherigen Linie, was ihn niemals konventionell oder ohne Reibungspunkte erscheinen lässt, aber so verdammt gut und geschickt in seiner Präsentation, dass er damit selbst sonstige Gegner seines Schaffens bekehrt. Oder besser: Clever übertölpelt.

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La Mala educación - Schlechte Erziehung

Darum gehts: Filmemacher Enrique Goded sucht Inspiration für sein nächstes Projekt, als er unerwarteten Besuch bekommt. Ein junger Mann steht vor seiner Tür und stellt sich als Ignacio vor. Jener Ignacio, mit dem Enrique einst auf dem katholischen Internat der Salesianer eine tiefe Freundschaft verband. Aber dann musste Ignacio die Schule verlassen und die Wege der Freunde trennten sich. Mittlerweile hat er den Namen Ángel angenommen und arbeitet als Schauspieler. Und er hat Enrique eine Geschichte mitgebracht, seine eigene Lebensgeschichte, die er von seinem ehemaligen besten Freund verfilmen lassen will. Ángel selbst möchte die Hauptrolle in der Produktion übernehmen. Zunächst ist Enrique begeistert von der Idee, doch die anschließende Recherche für seinen neuen Film gerät immer mehr zur kriminalistischen Wahrheitssuche, reißt alte Wunden auf und bringt schreckliche Ereignisse aus der Vergangenheit ans Tageslicht.

Fazit unserer MB-Kritik: Der 16. Spielfilm von Pedro Almodóvar stellte bis dato seine selbstbewussteste, durchdachteste, narrativ intelligenteste Arbeit dar. Von der ersten Minute packend und stetig in Bewegung, nie vorhersehbar und mit so vielen Eindrücken, Gedankengängen und Diskussionsansätzen versehen, dass es einen förmlich überrollt. Auf so vielen Ebenen überzeugend bis überwältigend, ein wahres Kunststück.

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Volver - Zurückkehren

Darum gehts: Raimunda dreht gleich durch: Während vorne in ihrem Restaurant ein äußerst lebhaftes Filmteam eine ziemlich lautstarke Party feiert, lagert hinten in der Kühltruhe des Vorratsraumes ein äußerst lebloser und ziemlich schweigsamer Männerkörper: Der muss dringend da weg! Aber wie? Große Not mobilisiert Frauensolidarität und allerhand kriminelle Energie: Und so formiert sich spontan ein weibliches Leichenräumkommando, bestehend aus Raimunda, ihrer 15-jährigen Tochter Paula, einer hilfsbereiten Hure von nebenan und einiger weiterer freundlicher Nachbarinnen. Der Kadaver ist bald fort, aber die Probleme - Santa Maria!

Fazit unserer MB-Kritik: Pedro Almodóvar erfindet sich nicht neu, aber variiert sich erneut interessant und hochwertig. Mit einem wunderbaren Ensemble und enorm viel Herz vorgetragen. Geschickt erzählt und mit einer sehr emotionalen Pointe, die Hollywood-Kitsch ganz elegant zeigt, wie man deren kalkulierte Rührseligkeit noch viel hilfloser aussehen lässt.

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Leid und Herrlichkeit

Darum gehts: Als die Karriere des erfolgsverwöhnten Regisseurs Salvador Mallo (Antonio Banderas) von einem Tag auf den anderen endet, begibt er sich auf eine Reise in die Vergangenheit seines exzessiven, leidenschaftlichen Lebens.

Fazit unserer MB-Kritik: Als linear verstandene Geschichte mit Spannungsbogen und erzählerischem Sog funktioniert “Leid und Herrlichkeit“ nur bedingt, das ist aber auch eindeutig nicht Almodóvars Anliegen. Vielmehr zeigt der Film sich als autobiografisch inspiriertes Porträt, das auch losgelöst von diesem Kontextwissen als Charakterstudie der Hauptfigur überzeugen kann und vor allem im Kleinen, in einzelnen Szenen und Aufnahmen eine mitunter schmerzhafte Intensität entfaltet.

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Parallele Mütter

Darum gehts: Janis steht kurz davor,  alleinerziehende Mutter zu werden, wie schon ihre Mutter vor ihr und deren Mutter vor dieser. Im Kreißsaal lernt sie die weitaus jüngere, ebenfalls schwangere Ana kennen, mit der sie bald eine Freundschaft verbindet. Janis' unmittelbares Glück der Mutterschaft währt allerdings nur eine gewisse Zeit, reiht sich doch ein unglaublicher Schicksalsschlag an den nächsten, die allesamt ihr Leben aus den Fugen zu reißen drohen. Unterdessen setzt sich Janis mit der eigenen Familiengeschichte aus der Zeit des Spanischen Bürgerkrieges auseinander.

Fazit unserer MB-Kritik: Mag Madres paralelas auf den ersten Blick auch wie ein bloßes Beiwerk des späten Almodóvar anmuten, so zeigt sich mit zunehmender Dauer die Weitsicht des Spaniers, der hier auf geschickte Weise das Vergangene mit dem Gegenwärtigen, das Singuläre mit dem Kollektiven und das Prosaische mit dem Historischen verbindet.  

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Technische Daten und Ausstattung des limitierten Box-Sets

Arthaus veröffentlichte die Best of Pedro Almodovar-Box am 22. August 2024 in einem schicken Schuber auf dem deutschen Heimkinomarkt. 10 Filme befinden sich hier auf insgesamt 10 Discs (Titel siehe oben) und können technisch sowohl in Sachen Bild (1,85:1, 2,35:1 1080/24p Full HD) als auch Ton (Tonspuren liegen in der Regel auf Deutsch und Spanisch vor) überzeugen. Natürlich schwankt die Qualität entsprechend des Alters der einzelnen Werke ein wenig, dennoch liegt jeder Film für sich in einer sehr zufriedenstellenden Fassung vor. Freuen darf man sich zudem über massig Bonusmaterial, das Interviews mit Cast & Crew, Making ofs, Audiokommentare mit Cast & Crew, Featurettes, Blicke hinter die Kulissen, Kurzfilme, geschnittene Szenen, Trailer und Bildergalerien umfasst. 

Fazit

Eine tolle Auswahl an Filmen, die Arthaus in seiner "Best of Pedro Almodóvar"-Box vereint. Natürlich kann man sich je nach persönlichem Geschmack darüber streiten, welche 10 Filme denn unbedingt in eine solche Sammlung reinmüssen oder nicht, doch an der getroffenen Auswahl dürfte es wenig zu beanstanden geben. Hübsch perpackt ist das Ganze ebenfalls und mit reichlich Bonusmaterial versehen. Für Fans und alle, die es werden wollen, eine lohnenswerte Veröffentlichung.



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