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Elephant [2003] - Levins Meinung

Souli

Von Souli in Bilder des Zerfalls: Im Klammergriff der Kontroverse - Teil 14

Elephant [2003] - Levins Meinung

Kriminalität, Sexualität, Drogenkonsum und derlei weitere Dinge, die sich einfach nicht gehören, werden oft bei Filmen besonders empfindlich aufgenommen, wenn es sich um Jugendliche handelt, die genannten Sachen frönen. Gus van Sant, der König des Films über problematische Jugendliche, hat ein paar Jahre nach dem Schulmassaker von Columbine einen kurzen Film gedreht, der sich mit dem unwirklichen Tag an der High School befasst. Basieren tut der Film auf einer Geschichte, die Harmony Korine geschrieben hat, ein Mann, der - die aufmerksamen Leser werden es wissen - bereits mit zwei Filmen in unser Kolumne vertreten ist. Korine, dessen frühere Filme stets natürlich und unstilisiert sind, die bittere Wahrheit zeigen, ins Extreme gehen und damit nicht selten verschrecken. Aber eben auch Filme mit einer immensen Wirkung, die Hoffnung entziehen, zutiefst berühren und doch irgendwie abstoßend sind. Damit schlich Korine sich langsam aber sicher zu einem unerkannten Helden des zeitgenössischen amerikanischen Kinos - schade, dass nur so wenige Menschen ihm die Ehre geben, die ihm gebührt. Gus van Sant hat das getan, „Elephant“ ist quasi ein Harmony Korine-Film.

Und das äußert sich darin, dass van Sant dem Zuschauer hier einen typischen Film verweigert. Hier gibt es keine Dramatisierung der Geschehnisse, keinen Plot, erst recht keine Schematik. Stattdessen erzählt er episodenhaft, wie Schüler der einer High School ihren Tag verbringen. Ein Junge zieht auf dem schuleigenen Sportplatz einen Pullover an, auf dem „Lebensretter“ steht und geht über die Wiese in das Schulgebäude, eine Treppe hinauf und einen Gang entlang, durch unzählige Türen, bis er in einem weiterem Flur landet. Diese Plansequenz wird nicht die einzige bleiben, sie wird länger und länger und obwohl hier und da ein bekanntes Motiv aufzutauchen scheint (sei es das gleißende Licht, das durch die Fenster eindringt), scheint die Kamerafahrt ihren Sinn im Ziellosen zu finden. In diesem Stil dokumentiert van Sant über eine knappe Stunde das Schulleben, das Treiben und Schaffen in der High School. Nach dieser knappen Stunde läuft „Elephant“ auf sein Ende zu - eines, auf welches der Film überhaupt nicht hinarbeitet und das dennoch derart schweißtreibend und herzzerfetzend ist, dass man gar nicht weiß, wo man hingucken soll.

Gus van Sants hauptsächliche Strategie ist es, dass er dem Zuschauer keine Erklärung, keine Antworten auf das Unglück liefert. Gerade deshalb wurde der Film von Kritikern als Trivialisierung und Verharmlosung eingestuft. Das sind durchaus logische Vorwürfe von engstirnigen Zuschauern, die nicht um anderthalb Ecken denken können und mit Filmen überfordert sind, die mehr Schichten als die äußerste besitzen. Gus van Sant liefert nämlich durchaus einen kleinen Ansatz, maßt sich aber niemals an, diesen Ansatz als die eine wahre Lösung darzustellen. Der kleine Ansatz findet sich in drei verschiedenen, voneinander größtenteils unabhängigen Szenen wieder. In der ersten ist ein Mädchen zu sehen, das sich weigert, kurze Hosen beim Sportunterricht zu tragen. In der zweiten zeigt van Sant drei Mädchen, die nach dem Essen in der Schulkantine routiniert und wie selbstverständlich auf die Toilette gehen und sich die Zeigefinger in den eigenen Hals stecken. Die dritte Szene wäre der Amoklauf an sich. In diesen Momenten zeigt sich ein äußerlicher Druck, der auf die Psyche der Jugendlichen einwirkt und ihnen vorwirft, nicht „normal“ genug, hübsch genug oder cool genug zu sein, sondern ein menschliches Mangelexemplar.

Aber zurück zu dem Vorwurf der Trivialisierung. Der wird zwar bereits durch die lähmende Wirkung des Films entkräftet, aber vielleicht reicht das ja nicht. Deshalb nun die ausführlichere Version. „Elephant“ verweigert dem Zuschauer klare Antworten auf den Amoklauf an der Columbine High School, der Film selbst ist vier Jahre nach dem Vorfall erschienen. Hat das Land Antworten auf das Massaker gefunden? Vorschläge für die Gründe waren Marilyn Manson, Rammstein, Hitler und „das waren halt Verrückte“. Seit Columbine hat es in den Vereinigten Staaten von Amerika 50 Massenschießereien oder Versuche von Amokläufen an Schulen gegeben - in 17 Jahren. 50. Hat das Land Antworten gefunden? Nach jedem Blutbad ist der politische Diskurs der gleiche. Was für ein Unglück, das sind halt Verrückte, aber sowas muss man nun wirklich nicht auf die armen Waffen schieben. Van Sant liefert keine Antworten auf das Massaker, weil erstens den Geschehnissen kein Sinn zuzuordnen ist und zweitens, weil „Elephant“ kein Film über das Massaker ist, sondern einer über den unveränderten Zustand in dem das Land damals steckte und bis heute noch steht. Weiter entfernt von einer Trivialisierung kann ein Film gar nicht sein. So ein Film gehört in den bildungsorientierten Kanon für (junge) Erwachsene.

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