Von Souli in Bilder des Zerfalls: Im Klammergriff der Kontroverse - Teil 20
am Dienstag, 14 Juni 2016, 19:40 Uhr
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Herr Mel Gibson scheint ein paar Probleme und eine besondere Vorliebe zu haben. Während über erstere zu genüge in Print-Medien, auf Preisverleihungen und im Internet schwadroniert wird, soll hier einmal Wert auf Mels Vorliebe gelegt werden. Betrachtet man, worauf dessen zweite Regie-Arbeit hinarbeitet, so ist das die heldenhafte Opferung für das größere Wohl. Altruistisch, nicht wahr? Diese Dramatik muss man erst einmal steigern. Kein Problem für Mel, der legt nicht nur eine Schippe drauf, der geht gleich ans Äußerste und zeigt in seinem dritten Spielfilm die ultimative Opferung; die des heiligen JC. Da sich die Opferung nach dieser Leidensgeschichte nicht mehr steigern lässt, backt Gibson in seinem vierten Film eher kleine Brötchen und behandelt die Opfergabe, um die Götter zu besänftigen. Diesmal jedoch ist die Opfergabe keine Erlösung für Zuschauer oder Figur, sondern viel mehr eine Bedrohung für die Pranke des Jaguar, der der Protagonist in Apocalypto ist.
Seine besondere Vorliebe der Opferungskalauer hat Gibson also etwas unterdrückt, nicht aber sein christlich-verklärtes Weltbild - zum Leidwesen jeglicher Figuren des Films und des Gewissens der Zuschauer. Das Bild, das Gibson von den Maya-Stämmen zeichnet und dem Publikum als realistisch verkaufen will, ist nämlich nicht weniger als unheimlich verachtenswert. Der realistische Anspruch, den der Film wie eine Medaille trägt, ist oberflächlicher Humbug. Die Tatsache jedoch, dass der Film in einer originalen Maya-Sprachen gefilmt wurde (obwohl das Zielpublikum der große US-Markt ist) ist bereits ein Zeichen, das Gibson als künstlerische Note anpreisen kann. Ihm geht es schließlich um Authentizität, ihm geht es darum, seinem Publikum eine fremde Welt realistisch zu zeigen. Ein Ausgangspunkt, der dazu führt, dass Gibson auch den Inhalt seines Films als unbedingt realistisch und faktengetreu gezeigt haben will. Und hier sitzt das größte Problem des Films, denn der Inhalt ist beleidigend, kurzsichtig, verklärt.
Die Maya in Apocalypto besitzen zwei Eigenschaften. Erstens sind die Maya unheimlich primitiv; die gesamte 20-minütige Exposition baut darauf auf, dass die Vertreter des Stammes den impotenten Horst vom Dienst durch den Kakao ziehen. Als sie damit fertig sind, werden sie auch schon von einem fremden Stamm unterjocht. Gewalt und pubertäre Kalauer - mehr mutet Gibson den Menschen in seinem Film nicht zu. Bis zum Schluss. Damit durchkreuzt er den vorneweg gestellten Realitätsanspruch ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein. Gibson beutet die Maya aus; er nutzt ihre Welt, um einen Actionfilm zu erzählen, ist sich der Verantwortung und der Brisanz jedoch zu keiner Sekunde bewusst. Wäre man radikal, könnte man das als Völkermord bezeichnen, lässt er den Maya doch nichts als ihre Hülle und lächerlichen Klischees. Da rettet den Film in kleinstem Maße einzig und allein die Tatsache, dass der Film technisch einwandfrei inszeniert ist. Das ist kraftvoll wie Schmitz’ Katze, sauspannend und wirklich mitreißend inszeniert und wartet in manchen Momenten auch mit einer schmerzvollen Tragik auf. Doch während Mel auf der einen Seite alles richtig macht, versaut er auf der anderen Seite den ganzen Rest. So abgrundtief schlecht-gut kann eigentlich nur Mel sein.