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Irreversibel [2015] - Dominics Meinung

Souli

Von Souli in Bilder des Zerfalls: Im Klammergriff der Kontroverse - Teil 21

Irreversibel [2015] - Dominics Meinung

Irreversible entleert Mägen und Kinosäle. Mit dieser Überschrift wurde vor einigen Jahren über ebenjene Reaktionen berichtet, welche Gaspar Noés skandalträchtigster Film bei seiner Premiere im Jahr 2002 verursacht hat. Verständlich, denn in vielerlei Hinsicht stellt das Werk die Antithese zu all jenem dar, was ein Großteil der Zuschauer vonFilmen erwartet. Irreversibel ist abstoßend und unangenehm, befreitvon allen eskapistischen Zwängen geht es ihm ebenso wenig um Unterhaltung wie um Eingeständnisse an sein Publikum. Damit ist Noés Meisterwerk nichts für Zartbesaitete, denn die ohnehin mehr alsschmerzhafte Darstellung physischer Gewalt ist nichts im Vergleich zu jenen Wunden, die dabei auf der Seele des Zuschauers entstehen.

Es beginnt mit dem Ende, wir sehen den Abspann rückwärts über den Bildschirm flackern, während die Kamera dynamisch über die Szenerie kreist. Sie versprüht etwas Unbeschwertes und Leichtes, ein Gefühl, welches alsbald verschwinden sollte, sobald Pierre (Albert Dupontel) undMarcus (Vincent Cassel) die Bühne betreten und einen Mann mitgrausamer Gewalt umbringen. Dass es sich dabei um die Rache für ein ebenso gewalttätiges Verbrechen handelt, weiß man zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Dieser einfache Kniff des Rückwärtserzählens ist ebenso effektiv wie intelligent, führt er doch von vornherein den Aufbau jedes Rachefilms ad absurdum. Auf jede Aktion folgt eine Reaktion und jede Wirkung hat eine Ursache. Doch nicht so in Irreversibel, denn hier gibt es keine Rechtfertigung und keine Katharsis.

Die Kamera tut es dem Zuschauer gleich und verfällt zusehends in eine Schockstarre, wird immer ruhiger und wagt es dennoch nicht ihren Blick von den Geschehnissen abzuwenden. Irreversibel ist so schrecklich, dass man eigentlich gar nicht hinsehen will, aber dennoch so faszinierend, dass man seinen Blick nicht abwenden kann. Was auf diese brachiale Vergewaltigung folgt ist eine reine Farce. Das Schicksal der Figuren ist entschieden und dennoch muss man zusehen, wie sie zuvor unbekümmert getanzt, gefeiert und geliebt haben. Es hat etwas überaus Zynisches an sich, das bereits vorgezeichnete Leben dieser Menschen zu beobachten. Eine schmerzhafte Erfahrung, wenn jede glückliche Minute angesichts derunabwendbaren Zukunft unerträglich wird und jede erfreuliche Nachricht dadurch zu ihrem Gegenteil verkommt. Und als hätte Noé nicht schon genug angestellt, lässt er den Film mit dem wohl bittersten Happy End  der Filmgeschichte ausklingen.

Doch Irreversibel ist nicht nur als filmische Erfahrung unfassbar wirkungsvoll, sondern übertritt darüber hinaus auch die Grenzen des Kinos. In dieser Wechselwirkung aus urbaner Paranoia und abstoßendem Exzess schafft das Werk etwas Bedeutendes, denn es gibt der Gewalt im Film ihre Gravitation zurück. Schändlich und ungeschönt. Gewalt als das, was sie eben ist, weder rechtfertigend noch verharmlosend. Als überflüssiger, aber nichtsdestotrotz omnipräsenter Teil unserer Welt, als lauernder Abgrund in der menschlichen Seele und als unabwendbarer Makel der Realität. Noés Opus Magnum sprengt die Fesseln der Fiktion, dennwenn Monica Bellucci minutenlang vergewaltigt und ein Gesicht miteinem Feuerlöscher bis zur Unkenntlichkeit zertrümmert wird, dann liegt darin all jener Schmerz, der auch in der echten Welt lauert. Und wir Zuschauer leiden mit, so intensiv als wären wir selbst das Opfer.


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