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Cruising [1980] - Levins Meinung

Souli

Von Souli in Bilder des Zerfalls: Im Klammergriff der Kontroverse – Teil 4

Cruising [1980] - Levins Meinung

Die etwas ängstlichen und empörten Vorwürfe der Homophobie, wenn es in einem Film um einen Killer geht, der reihenweise Homosexuelle niedermetzelt, sind als eine erste Reaktion - ungeachtet des letztendlichen Filmes - verständlich. Sobald der Film erschien, hätten diese Vorwürfe dennoch relativiert werden müssen. Als schwulenfeindlich lässt sich der Film nie und in keiner Weise ernsthaft klassifizieren. Das wäre zu kurz gegriffen, zu blind, zu sehr darauf erpicht, die unsichere und unkontrolliert schwingende Peitsche der political correctness zu schwingen und alles umzumähen, was bei zwei nicht auf den Bäumen ist. „Cruising“ macht sich nie über die Schwulenszene lustig, inszeniert sie nicht des Schockes wegen - viel mehr gewährt William Friedkin ihr eine urteilsfreie Ehrlichkeit und Freiheit. Und das ist der einzig richtige Weg.

Viel mehr als an der Homosexualität ist der Film jedoch auch an der von Al Pacino verkörperten Figur des Steve Burns interessiert. Er ist nicht nur die Hauptfigur, er ist auch das Hauptmotiv des Films. In ihm vereinen sich all die Fäden über innigstes Vertrauen, Hass, Liebe und die eigene (sexuelle) Identität. Burns ist Undercover-Polizist und besucht eine Art Mottoparty in einem Schwulenclub. Alle um ihn herum, mit Ausnahme von ihm selbst, sind auf einmal als Polizisten verkleidet. Es ist das erste Mal, dass Friedkin die Welt von Burns gehörig auf den Kopf stellt. In all der Verunsicherung, der Kontrolllosigkeit. Später setzt der Regisseur ebendiese Unsicherheit meisterhaft in Szene, wenn Burns den Mitbewohner seines schwulen Nachbarn durch die Tür anbrüllt. Der Nachbar antwortet, er würde die Polizei rufen. Es ist der Moment, der Burns am elendigsten zeigt. Er möchte aus seiner Haut fahren, kann aber vorerst nicht.

Wie auch später in „Killer Joe“ bewahrt sich Regisseur Friedkin sein As im Ärmel, seinen Geniestreich, seine wundersame Kraft bis zum Ende auf und schließt den Kreis der Geschichte dann so elegant und aussagekräftig, dass man seltsam zufrieden überrumpelt ist. Pacinos Charakter versucht am Ende, sich der „Schicht“ zu entledigen und wieder zu seinem alten Ich zu werden. Seine „wahre“ Identität anzunehmen - und scheitert. Als einzige Figur im Film bemerkt er, dass das nicht möglich ist. Sein Vorgesetzter, sogar seine Freundin, die im Nebenzimmer Burns’ Undercover-Verkleidung anzieht (und damit einen überwältigend starken Kontrapunkt zu ihm selbst darstellt) haben letztendlich im Umgang mit Identität, aber auch mit Homosexualität nichts gelernt.

William Friedkins Film wurde damals für drei Goldene Himbeeren nominiert: Schlechtester Film, schlechtester Regisseur und schlechtestes Drehbuch. Es ist vermessen und lässt die Institution ein wenig oberflächlich dastehen. Als wären sie gar nicht daran interessiert, einen Film zu verstehen. Sondern als wären sie bloß den anfangs aufkeimenden Schreien der Kritiker gefolgt. Auf den ersten Blick ist das traurig, auf den zweiten und dritten Blick jedoch ist es fast schon verständlich. William Friedkin hat mit diesem Film vor den Kopf gestoßen. Er hat Dinge gewagt, die davor und für eine lange Zeit danach keiner wiederholt hat. Er hat einen Film inszeniert, der dem Publikum am Ende klar und deutlich ins Gesicht sagt, ein hasserfülltes und intolerantes Grüppchen zu sein. Mutig, genial und stets mit einem bösen Grinsen auf den Lippen. Am deutlichsten wird der bissige Humor Friedkins wahrscheinlich dann, wenn er amerikanisches Heiligtum angreift und die theoretischen Werte des Publikums erschüttert: Burns und die anderen Homosexuellen bewegen sich wie die männlichsten Männer der amerikanischen Geschichte, wie der Urtypus des Maskulinen: wie Cowboys.

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