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Die letzte Versuchung Christi [1988] - Levins Meinung

Souli

Von Souli in Bilder des Zerfalls: Im Klammergriff der Kontroverse – Teil 8

Die letzte Versuchung Christi [1988] - Levins Meinung

Mit seinem elften Spielfilm hat Martin Scorsese heiligen Boden betreten und ein Werk über den Messias Jesus Christus gedreht. Ein Unterfangen, das schon im Voraus mindestens als mutig zu bezeichnen ist, schließlich sind die Staaten von Amerika nicht nur vereinigt, sondern auch zur überwältigenden Anzahl christlich. Wie schwer empört eine Gruppe unzähliger Menschen über ein paar Rollen Zelluloid sein kann, hat sich damals nur neun Jahre vorher gezeigt, als die britischen Meister des Humors namens Monty Python die Weltpremiere ihres Meisterstücks „Das Leben des Brian“ in Amerika abhielten. Damals wie zur Veröffentlichung von Martys Film gingen die Gläubigen auf die Barrikaden, Priester verteufelten den Film und alle Verantwortlichen. Das zeigt nicht nur auf fast schon parodistisch deutliche Weise, wie wackelig der ach so tiefe Glauben an Gott sein kann (wenn sogar ein Film ihn erschüttert), sondern auch, wie reaktionär und unüberlegt religiöse Menschen Propaganda betreiben können.

Die damaligen Proteste sind zwar zum Beispiel in Hamburg und Frankreich ausgeartet, als im Kino eine Bombendrohung einging, bzw. ein Lichtspielhaus in Brand gesteckt wurde, aber wirklich interessant ist eher die pubertäre Reaktion der Priester, die den Gläubigern der ganzen Welt davon abrieten, dieses „blasphemische Werk“ anzugucken - ohne es selbst gesehen zu haben. Die Stimmen wurden nämlich vor der Premiere laut. An dieser Stelle könnte man innehalten und über so viel verblendeten Unsinn weinen, aber leider ist es nur ein normaler Dienstag in einer Welt, in der der Glauben regelmäßig über Rationalität siegt. Bei der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) über 1000 Beschwerden und zahlreiche Unterschriftenlisten ein, die die Veröffentlichung des Filmes verhindern wollten und damit Gott sei Dank (ha!) scheiterten.

Hätten die damaligen Gegner des Films ihn wenigstens gesehen und sich danach eine Meinung gebildet; ich würde hier wahrscheinlich nicht so genüsslich gegen die Betroffenen austeilen. Aber die Geschichte ist nun einmal die Geschichte und die ehrenwerten Gläubigen haben einen Film verdammt, der wohl als einer der einzigen Filme über Jesus Christus angesehen werden kann, der ihn als Figur wirklich respektiert. Denn Jesus (Willem Dafoe, „Antichrist“ ha!) wird hier nicht überstilisiert, über den saftig grünen Klee gelobt, ihm wird nicht ein Teil seines Wesens abgesprochen. Das bedeutet, dass er stammeln, verunsichert ist, begehrt, leidet, fleht und sich freut. Jesus mag der Sohn Gottes sein, aber er ist ein Mensch und damit nicht frei von Lust, Trieben und Furcht. Zu Beginn des Films ist er sogar recht zynisch, er liebt weder sein Leben noch seinen Nächsten.

Die Liebe wird er erst noch lernen, denn zu Beginn ist sein Leben vor allem von Furcht gezeichnet. Nicht Ehrfurcht oder Mitleid, sondern blanke Angst. Er leidet unter der Liebe Gottes und sehnt sich gar seinen Zorn herbei. Das sagt JC so, ohne sich wohl wirklich der Konsequenzen bewusst zu sein, sodass er sich später auf etwas anderes besinnt. Er hört auf, von sich selbst zu fordern und fordert stattdessen vom Allmächtigen. Jesus ist hier nicht von Geburt an der Messias, er bekommt diese Aufgabe irgendwann zugetragen und erkennt, dass er derjenige welche ist. Jesus fällt nicht einfach von irgendeinem Baum und fängt an wie ein verdammter Wohltäter wildfremde Menschen zu heilen. Er wägt ab, er lernt, er lehrt. Wenn Gott allmächtig ist, ist er auch für das Schlechte in der Welt verantwortlich.

In einer Szene sagt Judas, dass zunächst der Körper und dann die Seele verändert werden müsse, Jesus erkennt richtigerweise, dass es andersherum sein muss. Und an dieser Stelle wird deutlich, dass Scorsese hier weniger einen Film des Films wegen inszeniert, sondern eine Geschichte über seine Zuschauerschaft. Das, was geschieht, erfordert eine stete und schnelle Beurteilung des Publikums. Der Film erfordert Offenheit, Toleranz, Aufmerksamkeit und eben Zuneigung - die Essenz von Jesus. Der Film hätte es mit seiner Natur erreichen können, dass die gläubigen Zuschauer ihrem Erlöser näherkommen, aber die Zuschauer haben den Film ignoriert. Der Film hätte sie zu besseren, weil genaueren Christen machen können, aber die Kirche hat es mit ihren gepöbelten Verboten verhunzt. Der Verfasser dieser Zeilen schreibt das nicht ohne ein Lächeln auf den Lippen zu haben.

Regie-Legende Martin Scorsese („GoodFellas - Drei Jahrzehnte in der Mafia“) hat mit „Die letzte Versuchung Christi“ein ziemlich mutiges und waghalsiges Unterfangen auf die Beine gestellt, dass von den kirchlichen Institutionen der Religion blind verachtet und verbannt wurde, obwohl der Film für die Gläubigen gedacht war und sie der unbereinigten und unveränderten Aussage des Messias ein Stück näher gebracht hätte. Wenn nämlich Kirchen und Religionen etwas fehlt, dann ist das Rationalität und die Fähigkeit zur Distanz für eine ordentliche Beurteilung eines Bestandes. Beides ist etwas, was Scorsese mit seinem Film behandelt hat. Der Skandal um den Film ist ein weiteres Mal eine Kurzschlussreaktion von religiösen Fanatikern, die in ihrer Blind- und Sturheit fast schon peinlich ist. Der Film ist kein blasphemisches Werk, sondern ein ehrliches, intelligentes. Eines, das als Film mit der Thematik in puncto Ehrlichkeit und Weitsinn um Längen über den anderen Werken steht, die Jesus als glänzenden Rockstar missbrauchen. Da wäre ein Skandal angebracht, aber das wird nicht passieren, weil die Kirchen damit auf’s Einfachste indoktrinieren können. Der Jutebeutel geht gleich rum, wenn du in den Himmel willst, dann gib uns Geld.

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