Erwähnungen
Teil 2: Alte Klassiker
Von Felidae in Buchclub #5: Horror Special
am Montag, 31 Oktober 2016, 01:20 Uhr
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Ein junger Erwachsener – Die Klassiker kehren zurück
Bereits in der 3. Ausgabe des Buchclubs zum Thema Frankenstein, habe ich einen Kurs in meiner Uni Laufbahn erwähnt, welcher mein Herz erneut für Horror Literatur geöffnet hat, nachdem ich etliche Jahre überhaupt nichts mit dem Genre am Hut hatte. Während sich dass Genre auf filmischer Ebene immer weiter zu einer nicht enden wollenden Abfolge von austauschbaren, billigen Schockeffekten wandelte, waren es im besonderem die klassischen Romane des späten 19. Jahrhunderts, die mir erneut die wahren Werte guter Literatur aufzeigten: eine unheimliche Atmosphäre, komplexe Figuren, eine Handlung, welche nicht bloß von Set piece zu Set piece hechtet, sondern sich organisch entfaltet und all dies verfasst zu einer Zeit, in der Autoren keinen Thesaurus brauchten, um die Grenzen der englischen Sprache auszuloten.
Zugegebenermaßen muss ich jedoch nochmal darauf hinweisen, dass Romane wie Frankenstein, The Fall of the House of Usher, The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde, The Picture of Dorian Gray, Dracula und viele weitere aus heutiger Sicht, knapp 100-150 Jahre nach der ersten Veröffentlichung, sprachlich dem Leser einiges abverlangen. Verschachtelte Sätze, eine alte Sprache und ein Erzählstil, der zwar viele positive Tugenden aufweist, mitunter aber auch recht ermüdend und langatmig wirken kann.
Über Mary ShelleysFrankenstein haben wir ja bereits in aller Ausführlichkeit gesprochen, daher möchte ich an dieser Stelle einmal das Augenmerk auf ein paar typische Stilmittel der damaligen Autoren richten.
1. Das Setting
Egal ob Friedhof, düsteres Herrenhaus, verlassenes Gemäuer, oder dergleichen Mehr, der Schauplatz der Geschichte setzt den tonalen Grundtenor für den weiteren Verlauf der Handlung und ist daher von essentieller Bedeutung. Es gibt in der frühen Horror Literatur etliche Beispiele für jene Schauplätze, wie etwa das Schloss von Graf Dracula, das Herrenhaus von Dorian Grey, oder das verfallene Gemäuer von Usher, die der Rahmenhandlung die atmosphärisch passenden Räumlichkeiten boten.
Dabei sollte man jedoch nicht den Fehler machen, die Geschichte, gleich einem Kammerspiel, auf jenen Ort zu zentrieren, viel mehr ist es ein Ort der sowohl Anfang, wie auch Klimax einer Handlung beherbergen kann. Zeitlich gesehen passt die Wahl der Örtlichkeiten zur Gesellschaftsordnung der Autoren und ihrer Leser, denn auch wenn sich die Aristokratie mit wehenden Fahnen aus Europa verabschiedete, so stehen viele der Schauplätze in jenen Büchern doch für jenen dekadenten Lebensstil, der nur einer Hand voll privilegierten Individuen vergönnt war.
2. Die Figuren
Im Rampenlicht der damaligen Zeit standen in erster Linie Männer mit gehobener Bildung, gerne medizinische Fachkräfte, da der Umgang mit dem Tod bei ihrem Beruf quasi alltäglich war. Frauen wurden, bis auf einige wenige Ausnahmen, für gewöhnlich als wehrlose Opfer stilisiert, welche dank ihrer Unschuld und Reinheit einen wunderbaren Kontrast zu den dunklen Mächten darstellten.
Selbst eine Autorin wie Mary Shelley hat bei ihrem Roman jene strikte Rollenverteilung eingehalten. Den Herren der Schöpfung fielen indes zwei unterschiedliche Rollen zur Auswahl.
Auf der einen Seite haben wir eben jener gebildeten Männer der Wissenschaft, die mit Hilfe von Logik und Verstand einem übernatürlichem Ereignis auf der Spur sind. Spannend ist dabei, dass der Glaube und das Verständnis von unerklärlichen Mächten tief in den Figuren verankert ist. Als sich in Bram StokersDracula etwa die Anzeichen häufen, dass der verehrte Graf mitunter ein Geschöpf der Nacht sein könnte, stellt Niemand die Thesen von Abraham van Helsing infrage. Versuchen sie mal einen heutigen Doktor davon zu überzeugen, dass eine Knoblauchkette und ein bisschen Weihwasser eine wesentlich bessere Behandlungsmethode darstellt, als Antibiotikum und Co.
Die zweite Sorte von Protagonisten fällt im Laufe der Geschichte ihrer eigenen Hybris zum Opfer, welche in einer Spirale aus Melancholie, Elend und Wahnsinn mündet. Egal ob Viktor Frankenstein, Dorian Grey, oder Dr. Henry Jekyll, sie alle stehen für das Streben nach Größerem, für die Habgier der Menschen und für das gefährliche Spiel mit Mächten, die ein gewöhnlicher Sterblicher besser nicht erzürnen sollte. Erneut zeigt sich dabei die tiefe Verbundenheit zu den Urängsten der Menschen und zur Religion als Sinnbild für das Übernatürliche. Während Dorian Grey und Viktor Frankenstein dem Tod selbst ein Schnippchen schlagen wollen, geht es bei Dr. Jekyll um nicht weniger als die Seele der Menschen, Sakrilege für die man 100-200 Jahre früher noch auf dem Scheiterhaufen gelandet wäre.
3. Die Erzählstruktur
Auch wenn sich die Geschichten thematisch unterscheiden, folgen sie trotzdem gewissen Eckpfeilern, die das Grundgerüst der gesamten Handlung bilden. Das auffälligste Merkmal ist dabei vermutlich die Erzählstruktur, welche für gewöhnlich die Handlung in Briefen, Tagebucheinträgen, Journalen und Ähnlichen zusammenfasst. Dies hat mehrere Effekte, zunächst ist es den Autoren so möglich längere Zeitsprünge, sowie Wechsel in der Perspektive ohne Probleme zu bewältigen.
Zum zweiten verleiht es der Geschichte einen gewissen Grad von Authentizität, denn durch die bloße Erwähnung und die ständige Wiederholung von Ort und Datum der Handlung, bekommt die Geschichte plötzlich einen wesentlich lebendigeren Eindruck. Zuletzt muss man wieder einmal auf die Zeitepoche blicken und damit auf die Tatsache, dass Kommunikation über weite Strecken eben eine gewisse Zeit in Anspruch nahm. Wenn also eine Person aufgrund eines Briefes als neuer Charakter zur Handlung dazustößt, kann der Autor gut und gerne mehrere Monate nach vorne springen, um die Zeit der Reise in die Geschichte mit einzubeziehen. Ein wunderbares Beispiel dafür ist erneut Bram Stokers Dracula, welcher gleich zwei mehrmonatige Zeitsprünge beinhaltet und mehrmals den Protagonisten wechselt.
Zum Abschluss dieses kleinen Specials möchte ich noch den Blick auf einen Autor richten, der beim Thema Horror einfach nicht übergangen werden kann. Die Rede ist natürlich vom Meister des American Horror: Stephen King. Da wir in der Vergangenheit bereits über The Dark Tower, sowie Pet Sematary gesprochen haben, möchte ich über kein weiteres Werk von King ausführlich schreiben, auch wenn man dieses Special sicherlich einzig mit seinen Werken hätte bestücken können. Vielmehr ist King für mich ein Autor, der im besonderen in der Horror Literatur, die Tugenden der frühen Klassiker aufgreift und sie in die Moderne bringt. Oftmals dreht es sich mal wieder um Urängste, sei es der Tod eines geliebten Menschen in Pet Sematary, die Austreibung von übernatürlichen bösen Mächten in Salem's Lot, oder dem Verlust der menschlichen Psyche in The Shining. Auch wenn sich King thematisch nur selten vom Standardregelwerk des Genres entfernt, so trifft er mit seinen Erzählungen dennoch stetig einen Nerv beim Publikum, denn auch wenn viele Bücher von ihm auf den ersten Blick etwas überladen wirken, ist es doch die Liebe zum Detail und zu den Figuren, welche aus den Werken Kings weitaus mehr macht als nur plumpe Unterhaltung.
Das war es nun mit der 5. Ausgabe vom Buchclub, ich wünsche euch ein wunderschönes Halloween und bin natürlich wie immer auf eure Erfahrungen mit dem Genre gespannt. Buch Tipps zum Thema Horror, gerne auch von unbekannteren Autoren, sind in den Kommentaren natürlich herzlich willkommen. Beim nächsten Mal widme ich mich aller Voraussicht nach der Meisterspürnase Sherlock Holmes.
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