Bildnachweis: © Locarno Film Festival

Das Locarno Film Festival 2024

von Lida Bach

Die meisten schielen schon nach Venedig oder vielleicht sogar Toronto. Dabei hat Locarno, das beständig mit der Berlinale um den Platz vor dem Schlusslicht der Top Five internationaler A-List Filmfestivals rangelt, sich einen Ruf als Bühne von Independent-Produktionen und Arthouse Kino abseits des Mainstreams gemacht. Ob die 77. Ausgabe des 1946 begründeten Festivals dem gerecht wird, gilt es in den zehn Tagen vom 7. bis zum 17. August herauszufinden. Gianluca Jodices Historiendrama The Flood über die im Zuge der Französischen Revolution inhaftierte Königsfamilie eröffnet ein Programm, in dem selbst die größten Namen vergleichsweise klein sind. Zu den bekannteren zählen dafür die Mitwirkenden der Jury des Hauptwettbewerbs.

Jury-Präsidentin Jessica Hausner unterstützen Payal Kapadia, die im Wettbewerb von Cannes mit All We Imagine as Light begeisterte, Luca Marinelli (Acht Berge) und Tim Blake Nelson, der in dem bereits in Tribeca aufgefahrene Boxer-Drama Bang Bang Auch auf der Leinwand zu sehen ist. Im Wettbewerb zeigt Ben Rivers mit der schwarz-weißen Semi-Doku Bogancloch eine Fortsetzung seines gelobten Two Years at Sea, Christoph Hochhäusler taucht erneut ins Kriminaldrama mit seinem düsteren französischsprachigen Thriller La Mort Viendra, Ramon Zürcher zeigt mit Der Spatz im Kamin ein weiteres Familiendrama als Schlussteil seiner Tier-Trilogie und Kurdwin Ayub präsentiert mit Moon ein Pendant zu ihrem stilistisch markanten Debütfilm Sonne

Als Anwärter auf den Goldenen Leopard gilt Wang Bing, der seine dokumentarische Trilogie Youth mit Youth (Hard Times) fortsetzt. Favoriten der Nebensektionen sind Alice Lowes romantische Sci-Fi-Satire Timestalker, Paz Vegas durch die Augen der kindlichen Protagonistin betrachtetes Familiendrama Rita, Aislinn Clarke beschwört mit dem ersten irischsprachigen Horrorfilm Fréwaka uralte Mächte herauf, Tomás Pichardo-Espaillat sinniert in dem assoziativen Animationsfilm Olivia & the Cloudes über zwischenmenschliche Hürden und Radu Jude, der letztes Jahr für Do Not Expect Too Much From the End of the World ausgezeichnet wurde, zeigt mit Sleep#2, dessen Titel man angesichts der beständig fallenden Filmqualität des Regisseurs vielleicht besser wörtlich nimmt. 

Auffälligster Unterschied zu Cannes, Venedig und Berlinale ist von außen betrachtet mehr internationale Diversität, ein ausgewogenerer Anteil weiblicher Filmschaffender, die von 17 Wettbewerbsfilmen sieben inszeniert haben, sowie weniger Dauergäste. Weniger positiv wirkt der erste komplett unter Verwendung von AI entstandene Film im Festival-Programm und ein erstmals vergebener Letterboxd-Award, der angesichts des ambivalenten Einflusses von Institutionen wie IMDB und Rottentomatoes (trotz begrenzter Vergleichbarkeit) ein fragwürdiges Signal setzt. Der künstlerische Leiter Giona A. Nazzaro sagte zur diesjährigen Ausgabe, er wolle „eine Community aufbauen“. Wie und für wen diese beschaffen ist, wird sich ab dem 7. August zeigen. Wir von Moviebreak sind jedenfalls für euch dabei.

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