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Der große Moviebreak Jahresrückblick 2014 - Stu

siBBe

Von siBBe in Der große Jahresrückblick der MB-Redaktion für 2014

Der große Moviebreak Jahresrückblick 2014 - Stu

So oft wie dieses jahr war ich Ende der 1990er Jahre, als eine Kinokarte noch mehr kostete als eine Portion Popcorn, moderne Handys aufklappbar waren und wir uns alle auf „Episode I“ gefreut haben. Damals, da war ich so 16 oder 17, hatte ich das Gefühl, dass das Kinojahr recht anständig war. Zu 2014 fällt mir hingegen ein anderes Wort ein: Quantität. Viel gesehen, aber vieles hat mich enttäuscht. Groß angepriesene Filme, die angeblich den Kopf des Zuschauers herausfordern sollten, haben mich kalt gelassen, weil sie letztlich dann doch auf Schema F basierten und statt echte Spuren zu hinterlassen, liebe treudoof der Simplizität folgten. Das Kinojahr 2014 war voll Werken, die so damit beschäftigt waren die Erwartungen zu erfüllen, dass sie nicht mehr boten als sanftes Streicheln der Fanseelen.

2014 war außerdem das Jahr der übertriebenen Hypes. Gefühlt aus jedem dritten Film wurde ein angebliches Meisterwerk oder ein definitiver Meilenstein gemacht. „Interstellar“? Der wird in meiner Liste nur hier erwähnt, weil ich ihn weder gut genug für die Tops, noch schlecht genug für die großen Enttäuschungen fand. Hatte das Gefühl, dass jeder Blockbuster, der 2 IQ-Punkte mehr hatte, als die üblichen Dumm-Verdächtigen (z.B. „Transformers“) schon als Retter des intellektuellen Blockbusters tituliert wurden. Aber hinter „Interstellar“ oder „Planet der Affen: Revolution“ steckte nicht mehr als kalte Konzeption. Da gönne ich mir lieber eine Zugfahrt mit den „Snowpiercer“. Der war kreativ, scherte sich einen Dreck um die Art von Zusehern, die immer alles logisch erklärt haben wollten und bietete große Abwechslung, tolle Darsteller, Kreativität und einen einfachen wie aber unglaublich stimmungsvollen Subtext. Davon waren die Intelligenz-Blockbuster dieses Jahr weit entfernt und suhlten sich in schwülstiger Epik und überlangem Botschafts-Gewichse.


DIE TOP FILME 2014:

1. The Raid 2

Laut deutscher Rechtsprechung handelt es sich dann um Pornografie, wenn ein Film mit seinen expliziten Bildern darauf abzielt, profan gesagt, den Zuschauer aufzugeilen. So gesehen ist die Bezeichnung Action-Porno für „The Raid“ aus dem Jahre 2011 durchaus passend. Der Waliser Gareth Evans inszenierte mit diesem simplen, aber höchst effektiven Reißer einen der meist gelobten Actionfilme des neuen Jahrtausends. Dank diverser positiver Stimmen und dem daraus resultierenden Hype gelang „The Raid“ sogar der Sprung ins ausländische Kino. Für einen indonesischen Film durchaus eine Seltenheit. Und so scharte sich um Evans dritten Spielfilm eine große Anhängerschaft, denn er erschuf mit „The Raid“ ein Werk, welches in seiner konzentrierten Reduktion aufs Physische sowie seiner klaren Videospielmentalität endlich wieder eine Fußspur im Genresand des Actionfilms hinterließ, der noch nicht breit getrampelt wurde. „The Raid“ war einfach pures Actionkino: Hart, schnell, rüde, gnadenlos - ein Rausch!
[...] Zwar ist „The Raid 2“ bei seinen Actionszenen ähnlich exzessiv wie [andere] Hollywood-Kassenerfolge, jedoch inszeniert Gareth Evans Action konsequent anders als es etwa Justin Lin in seinen letzten „Fast & Furious“-Filmen getan hat. Evans Action ist geerdeter. Sie ist zu 100% auf Effektivität ausgelegt. Sie besitzt etwas Naturalistisches und wirkt gerade deswegen so absolut kompromisslos. Während die PS-Stiernacken Vin Diesel und Dwayne Johnson 40 Minuten lang auf einer Landebahn mit ihrem Boliden für Krach und Zerstörung sorgen und dabei ein Effektgewitter von Stapel lassen, welches zwar die Portokasse der Universal Studios erzittern lässt, nicht aber die Leinwand. „The Raid 2“ hingegen ist – klingt antiquiert passt aber äußerst treffend – haus- und handgemachte Action. 18 Monate lang wurden die diversen Actionszenen geplant, geprobt und vorbereitet. Ein Zeitaufwand, der für heutige Hollywood-Produktionen absolut utopisch erscheint. Statt Special Effects aus dem Hochleistungsrechner und Performance vor Greenscreen wurde bei „The Raid 2“ bedingungs- und hemmungslos auf die alte Schule gesetzt. Die Frage wie viele Knochen bei den Dreharbeiten zu Bruch gingen und wie oft der Krankenwagen mit Blaulicht einen der Darsteller oder Stunt Men ins Krankenhaus fahren musste, kann wohl nicht akkurat beantwortet werden, allerdings sind all diese Schmerzen und Anstrengungen nicht umsonst gewesen, denn mit „The Raid 2“ bekommt das Action-Genre endlich wieder einen echten Meilenstein spendiert. Wer gut Action mag, muss „The Raid 2“ einfach lieben. [...]
das Figurenkarussell ist aus einem Guss und bietet neben typischen Figuren wie Gangsterbossen und Verrätern auch einige nette Ausreißer. Da wäre der zottelige Auftragsmörder Prakoso, den Action-Choreograph Yayan Ruhian spielt, der bereits bei „The Raid“ als Mad Dog in Erscheinung getreten ist, sowie das Geschwisterpärchen Hammergirl und Baseballbat-Man. Vor allem die letzten zwei stechen in ihrer klaren Formulierung aus dem Figurenkabinett heraus. Jedoch sollte angemerkt sein, dass sie nicht so zentral sind, wie es die PR-Abteilung von „The Raid 2“ einem weiß machen will. Letztlich sind es charakterliche Randnotizen, die gegen Ende aber erneut mit ihrem Auftreten und ihrer Funktion „The Raid 2“ wieder an die Videospiel-Ästhetik heranbringen und somit einer der klarsten, stilistischen Brücken zwischen Erstling und Fortsetzung sind.
Ansonsten verlässt Gareth Evans mit dem Sequel das konsequent physische Gefilde von „The Raid 2“. Selbstverständlich sind die Actionsequenzen immer noch pures Körperkino in exzellenter Vollendung (diesmal ist der Anteil von Shoot-Outs sogar deutlich kleiner als im Vorgänger), doch dadurch dass er einen größeren Plot um die Action errichtet hat, wirkt die Fortsetzung wesentlich reifer und vielfältiger. Bestand „The Raid“ zu 100% aus dreckigen Fluren und grauem Beton, frönt Evans in „The Raid 2“ der Abwechslung: mal brüchig und verstaubt, dann wiederrum edel und glänzend. Evans genießt es sichtbar sich in mehreren gesellschaftlichen (Unter-)Welten austoben zu dürfen. Sein bereits gelobter Blick fürs Wesentliche, sowie seine wirklich ansprechende Montage von Szenenwechseln vervollständigen das überaus positive Gesamtbild. Schon lange sah kein Actionfilm so verdammt gut aus wie „The Raid 2“. Da passt es dann auch, dass zwischen indonesischen Trommelinfernos und elektronischen Beats auch Zeit bleibt für Georg Friedrich Händels „Sarabande“. [...]
Fazit: „The Raid 2“ als gelungene Fortsetzung zu bezeichnen, ist untertrieben. Regisseur, Cutter und Autor Gareth Evans hat mit seinem Sequel einen Meilenstein des Genre formiert: Hart, fesselnd, elektrisierend, umwerfend inszeniert. Ohne die Fans der letzten erfolgreichen Actionvehikel verprellen zu wollen: Aber bessere und reinere Action als bei „The Raid 2“ gab es seit ewigen Zeiten nicht mehr im Kino zu bestaunen. Alles andere wirkt dagegen wie ein Kindergeburtstag im Inklusionshort. Wer Action mag, MUSS „The Raid 2“ einfach sehen. Gareth Evans führt hier etwas fort, was er 2009 mit seinem ersten Actionfilm „Merantau“ begann: Eine Liebeserklärung an das Action- und Kampfkunst-Genre. So gesehen ist „The Raid“ und „The Raid 2“ schon zu romantisch, um wirklich als Porno durchzugehen.

2. Snowpiercer

Jedes Abteil eine neue Welt. Jeder erkämpfte Meter eine Besonderheit. Da darf gestaunt, gelacht, geweint, mitgefiebert und sich gewundert werden. Irgendwo zwischen dem letzten und dem ersten Wagon hab ich mein Herz verloren an dieses skurrile aber parallel auch intelligente und höchst unterhaltsame Kleinod des Sci-Fi-Genres. Für solche Filme sollte man ins Kino gehen, weil für solche Filme das Kino erfunden wurde.

3. Nightcrawler

Die Medienschelte, die „Nightcrawler“ betreibt, ist angriffslustig und plakativ. Sie negiert sich gegenüber Graustufen und funktioniert als fratzenhafte Spiegelung des medialen Wahns der Skandale, großen Bilder und emotionalen Trubels. Lou Bloom erweist sich dabei als eine Art Frankensteins Monster dieser Welt. Er ist die menschgewordene Essenz einer Gesellschaft, die Erfolgsdruck als genauso attraktiv und begehrenswert beschreibt wie alltägliche Nettigkeiten. Bloom ist so smart wie rücksichtslos, so charmant wie durchtrieben, so eloquent wie radikal. Ein Wolf im Schafspelz, der schnell versteht, wie die Regeln des Systems funktionieren, wie man sie optimal befolgt und somit Erfolge feiern kann. Eine ethische Komponente gibt es dabei nicht und wenn doch eine erscheint, versandet sie in der Scheinheiligkeit. Lou Bloom ist „Bild“ und „heftig.de“ in Menschengestalt.
Das Plakative an „Nightcrawler“ ist aber keine Passivität oder ungeschicktes Denken, sondern Teil der Offenlegung, die der Film praktiziert. Dan Gilroy nutzt Simplizität um einen Kreislauf sichtbar zu machen. Wenn am Ende von „Nightcrawler“ die Autos über die nächtlichen Straßen von Los Angeles heizen, sie dem Gegenverkehr ausweichen, sie sich überschlagen und gegen andere Fahrzeuge knallen, dann ist klar, dass die mediale Realität die Normalität vollends bestimmt. Das von den Marktschreier-Medien propagierte Weltbild, wir haben es längst angenommen und es zu unserem gemacht. So erweist sich Lou Bloom als absoluter Autonomer, hat er doch verstanden was zu tun ist, um das Spiel, das System so zu nutzen, dass man darin wandeln kann, ohne sich zu verändern und gleichzeitig Erfolge zu feiern. Er ist ein Monster, welches Egoismus und Gier so kongenial einnahmt hat, dass es adrett zu ihm passt. Lou Bloom ist das kompromisslose Ideal eines modernen Menschen. Sehr furchteinflößend.

4. Short Term 12

Unaufgeregt, aber dennoch mit einer ansprechenden Direktheit erzählt Regisseur Destin Cretton in seinem Spielfilmdebüt von einem Heim für schwer erziehbare Jugendliche. Dank brillanter Darsteller, emotionaler aber niemals kitschiger Momente und einer unprätentiösen Ehrlichkeit (Cretton arbeitete selbst in einem ähnlichen Heim) erschuf er so eines der bewegendsten Dramen, die ich 2014 gesehen habe. Leider wurde diesem Kleinod ein Kino-Release verwehrt. Auch gut, kommt man jetzt eben auf DVD und Blu-ray in den Genuss des Dramas.

5. Her

Schnell könnte die Vermutung aufkeimen, dass „Her“ den übermächtigen, mahnenden Stempel einer Gesellschaftskritik aufgedrückt hat. Alleine wie Jonze die im Film präsentierte Technik inszeniert und einsetzt weckt bekannte Bilder aus unserem Alltag: Menschen, die zusammen stehen und reden, jedoch nicht mit ihrem Gegenüber, sondern mit sich selbst, bzw. mit ihrem Mobiltelefon. Doch obgleich diese Intention wahrlich nicht von der Hand zu weisen ist und dieser Subtext den vierten Spielfilm von Spike Jonze durchzieht wie Kapillargefäße, ist „Her“ in erster Linie doch mehr daran interessiert eine romantische Geschichte zu erzählen, einhergehend mit der Frage ob wir auch wirklich dann einsam (besser gesagt: alleine) sind, wenn wir niemanden an unserer Seite haben, außer die moderne Technik, die uns, wie heutzutage, es ermöglicht mit anderen Menschen zu kommunizieren, auch wenn der gute, alte Blickkontakt fehlt oder sogar ganze Weltmeere zwischen ihnen liegen? Aus dieser Frage entspinnt „Her“ dann aber mehr als eine Abhandlung schnöder Plattitüden, Pro und Kontras. Viel mehr erweitert er sie: Kann man sich in jemanden verlieben, den man noch nie gesehen hat? Kann man sich verlieben in eine Stimme, die zwar liebevoll und bezaubernd klingt, die allerdings von einer Software stammt?
 
Auch hier wäre es einfaches gewesen, diese Frage zu zerschmettern, sie als Unfug abzutun, aber wir alle leben doch bereits jetzt in einer digitalisierten Welt, in der das physische immer zweitrangiger wird. Nur als Beispiel sei hier einmal angebracht, dass sich die Autoren dieses Film-Blogs noch nie persönlich getroffen haben, sich aber dennoch über Facebook und Twitter hinaus aus Freunde bezeichnen würden. Statt den modernen Weg der Kommunikation zu dämonisieren, zeigt Jonze in „Her“ einfach eine Liebesgeschichte, zwischen Autor Theodore und einer Software, die sich selbst Samantha nennt. Es ist der nächste, klare Schritt im Kreislauf der sozial-kommunikativen Renovation. Aus zwei menschlichen Gesprächspartnern werden ein Mensch und eine Maschine. Was beängstigend klingt, da es aber von dort an nur noch ein kleiner Schritt ist, bis das Humane komplett wegfällt, nutzt Jonze für seinen hintersinnigen Film „Her“, der sich sehr offen und ohne Angst dieser Thematik annimmt und dennoch das Menschliche mehr fokussiert als die Elektronik. Überhaupt nähert sich „Her“ dem Ganzen ohne großen Druck ohne Scham (Sexualität wird nicht ausgespart). Was auf dem Papier, Tablet oder Monitor befremdlich klingen mag, wird im Film fast schon nonchalant erzählt und akzeptiert. Faszinierend und durchaus mutig.

6. Guardians of the Galaxy

Wenn man mal ganz ehrlich ist, so muss man doch schon irgendwie zugeben, dass der aktuell grassierende Comicboom im Kino mittlerweile einen Sättigungsgrad erreicht hat, der wohl am besten mit dem Wörtchen „Überfressen“ beschrieben werden kann. Spider-Man, Thor, Iron Man, Captain America, Superman, X-Men, Ghost Rider, Batman plus einige Helden abseits des Mainstreams wie etwa Kick-Ass oder Hellboy. Die Lust an dröhnenden, lauten Blockbuster basierend auf Comics sorgt immer noch für volle Kinos und noch vollere Kassen und doch, das gewisse Etwas, was diese Werke einst umgab, gibt es nicht mehr wirklich. Mit „Guardians of the Galaxy“ gibt es nun aber eine Comicverfilmung die ihn wieder besitzt: den Hauch des Speziellen. Regisseur James Gunn („Slither“) hat mit seinem ersten Big-Budget-Movie einen der besten Filme des späten Sommers abgeliefert und ganz sicher den wohl besten Blockbuster des Jahres 2015 (und wahrscheinlich auch der nächsten Jahre).
 
 „Guardians of the Galaxy“ ist ein großes wie liebenswertes Spektakel (genau wie auch Whedons Helden-Versammlung), allerdings atmet James Gunn die herrlich frische Lust eines großen Weltraumabenteuers. „Guardians of the Galaxy“ erinnert mehr an „Star Wars“ – an die guten, alten Filme, die noch Seele, Inspiration und Esprit besaßen. Überall wimmelt es vor kuriosen Einfällen, Details und Figuren. Dabei versucht Gunn nicht seinen Film zwanghaft auf massentauglich aufzupumpen, sondern tobt sich dafür ungehemmt und mit einer enorm leidenschaftlichen Chuzpe in der dargebotenen Space-Story aus. Diese ist simple aber effektiv, hält wunderbar Balance aus großem Getöse, wohl dosierten Trief-Kitsch und charmanter Ironie, die den Films niemals hintergeht, sondern ihn keck umschmeichelt. Einfach ein verdammt großer Spaß.
 
„Guardians of the Galaxy“ ist ein definitives Entertainment-Highlight 2014. Ja, die Handlung ist überfrachtet und im Prinzip ähnlich wie “Marvel’s The Avengers” ein reinrassiger Starter-Film, in dem das ungleiche Team erstmal zueinander finden muss. Doch das alles ist unglaublich mitreißend erzählt, wird mit einem grandiosen Soundtrack unterlegt, bietet Helden denen man einfach nur zuschauen möchte und ein Welten-Design, welches vor Ideenvielfalt einfach nur so strotzt. „Guardians of the Galaxy“ ist schlicht und ergreifend grandios.

7. Foxcatcher

Es geht nicht nur außerhalb der Trainings- und Turnierszenen ums Ringen. „Foxcatcher“ ist ein Film über den inneren Kampf zweier unterschiedlicher Männer. Der eine ein Sportler, der sich freikämpfe will vom Schatten seinen großen Bruders, der andere ein Multimillionär, der sich und seiner Umwelt beweisen will dass er mehr ist, als der Sohn einer elitären Mutter. Diese Kämpfe, sie werden ohne physischen Kontakt ausgetragen. Oftmals sind es nur Blicke, nonverbale Geplänkel, bei denen es am Ende nur Verlierer gibt. Der Kampf ist bei „Foxcatcher“ ein Sinnbild für die Suche und das Verlangen nach Akzeptanz und Anerkennung. Starkes Kino!

8. Nebraska

Lakonisch wie melancholisch, unaufgeregt, weise und ehrlich. Aus dieser Zutatenliste macht Alexander Payne immer wieder umwerfend tolles Kinos. Mit „Nebraska“ gelang ihm ein unaufgeregtes, tragikomisches Road Movie mit einem großartigen Altstars (Bruce Dern, June Squibb) und Komiker Will Forte, der hier erstmals in seiner Karriere als echter Schauspieler überzeugen kann. Payne versteht seine Figuren, bringt sie uns ohne großes Tamtam näher und zeigt die Vereinigten Staaten unaufgeregt als Hort von Monotonie und begrabenen Träumen. Was für ein herrliches Gefühl, wenn diese Lethargie sanft aufgebrochen wird.

9. Under the Skin

Regisseur Jonathan Glazer („Sexy Beast“) hat dieses Jahr den audiovisuell stärksten Film hingelegt und darüber hinaus eine vielschichtige Allegorie über Einsamkeit und Vergänglichkeit inszeniert, deren künstlerisch hochwertige Sogkraft ich gerne im Kino, statt daheim auf dem Fernseher, erlebt hätte. Aber selbst im kleinen Format erweist sich „Under the Skin“ als wahre, cineastische Schönheit, deren thematische Essenz, trotz außerirdischer Hauptfigur, etwas zutiefst menschliches hat. Wir sind eben nicht alleine allein im Universum.

10. Im August in Osage County

Laut, hysterisch, überladen, unkontrolliert, ziemlich wunderbar.

"You're thoughtful, Barbara, but you're not open. You're passionate, but you're hard. You're a good, decent, funny, wonderful woman, and I love you, but - YOU'RE A PAIN IN THE ASS!"

Ebenfalls erwähnenswert: Boyhood, Mud, Stromberg: Der Film, No Turning Back, Enemy, The Sacrament, Nymph()maniac (Director’s Cut), Ruhet in Frieden - A Walk Among the Tombstones, Die Arier, Liebe und andere Kleinigkeiten, Episode 11 und 12 der finalen „Sons of Anarchy“-Staffel, Staffel 1 von “The Returned”


DIE ENTTÄUSCHENDSTEN 5 FILME 2014 (nicht zwangsläufig die größten Flops!)

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1. The Wolf of Wall Street
„Gier ist gut“. Das wusste Gordon Gecko (Michael Douglas) in Oliver Stones Kapitalismuskritik "Wall Street" von 1987 zu berichten. Jordan Belfort, ein Ex-Börsenmarkler, auf dessen Memoiren „The Wolf of Wall Street“ beruht, hat dieses Mantra noch weiter verfeinert. Seine Devise lautet „Reich ist perfekt“ und Regie-Altmeister Martin Scorsese bringt diese Wörter nun als dreistündigen Dauerrausch auf die Leinwand. Das Ergebnis ist purer Exzess. Da wird aus Hurenhintern gekokst, mit Zwergen geworfen und Einhundertdollarscheine landen zerknüllt im Papierkorb. Drehbuchautor Terence Winter (der zusammen mit Scorsese die Prohibitionserie „Boardwalk Empire“ ins amerikanische Fernsehn breachte) machte aus Belforts Buch, welches in einem klassischen Rise &Fall-Gerüst steckt, ein primär nicht an Kritik und Substanz interessiertes Script. Immerhin weiß Scorsese wie er diese Mankos mit viel inszenatorischem Zuckerguss kaschieren kann. Doch bei 179 Minuten Film bleibt es nicht aus, dass dieses hübsche Kartenhaus irgendwann in sich zusammen fällt. Fast schon so wie ein Börsencrash.
 
Sagt man „The Wolf of Wall Street“ muss man zwangsläufig auch Leonardo DiCaprio sagen. Nach Calvin Candie („Django Unchained“) und Jay Gatsby („Der große Gatsby“) performt er nun die dritte Kapitalistenrolle in Folge. Auch hier schöpft DiCaprio aus den Vollen, spielt kraftvoll und überzeugend. Es gelingt ihm sogar das, was bereits Michael Douglas in „Wall Street“ gelang: es stellt sich eine Faszination ein. Das geldgeile Ekel Belfort wird zum Sympathieträger. Eine durchaus große Leistung, wie es auf dem ersten Blick scheint, doch dies wird durch Heuchelei erschwindelt. Denn „The Wolf of Wall Street“ ist in allem sehr zeigefreudig und redselige, nur die Opfer des Börsenbetrügers kommen nie zu Wort und sind auch nie zu sehen. Sie bleiben unsichtbar. Das Wort „Opfer“ fällt erst gegen Ende, ganz beiläufig und ohne wirkliche Resonanz. Zugegeben, diese Mentalität passt schon zum Rest des Films, der auf political correctness pfeift und einen Verbrecher feiert als wäre es ein Rockstar. Aber wo bleibt dabei die Substanz? Die Kapitalismuskritik kommt erst gegen Ende aus ihrem dunklen Verschlag herausgekrochen. Es wirkt fast wie eine Art Kür, die mit großem Zwang aber ohne sonderliche Aufrichtigkeit herausgepresst wird. Dabei hätte Scorsese und Winter durchaus Optionen gehabt aus Belfort und seinen Machenschaften mehr herauszuholen als eine langgezogene Ansammlung von Orgien, Designermöbeln und Geschäftsvorträgen.
 
„The Wolf of Wall Street“ besitzt ihn nämlich, einen Konterpart zu Jordan Belfort. Der FBI-Ermittler Patrick Denham (Kyle Chandler, „Super 8“, „Argo“) versucht dem Yuppie das Handwerk zu legen, nur dauert es zum einen zu lange bis dieser Denham sich zeigt und wenn er endlich in der Handlung positioniert wurde, scheint ihnen Winter und Scorsese einfach vergessen zu haben. Aber mal ehrlich, wer will einen Spielverderber schon auf einer Party haben? Denn „The Wolf of Wall Street“ ist eine einziges großes Fest. Champagner, Hummer, Kaviar, Callgirls und vor allem Drogen. Belfort ist ein Junkie: Koks, Tabletten und Dollar sind seine Stoffe und dieses Leben macht, allen  Einwänden zum trotz, Spaß. Das Ganze erinnert schon ein wenig an Danny Boyles Heroingroteske „Trainspotting – Neue Helden“. Auch hier wurde zunächst darauf verzichtet, die Moral einzufordern. Die Lebensfreude regiert. Doch wo Boyle mit Hilfe des Ekels und sozialer Tristesse schon von Beginn an die Schattenseiten offenbarte und diese ewig drohend über allem schwebte, steht „The Wolf of Wall Street“ eher arrogant und blind der brutalen Wahrheit gegenüber. Und genau das macht auch durchaus Freude, zumindest beim ersten Mal, aber „The Wolf of Wall Street“ suhlt sich so elendig repetitiv darin sich einfach nur diversen Maßlosigkeiten hinzugeben, dass am Ende nicht mehr übrig bleibt als ein großer Kater.
 
Letztlich ist es aber die schiere Länge, die „The Wolf of Wall Street“ dazu bringt, zu scheitern. Drei Stunden ist einfach zu viel. Scorsese und Winter füllen diese Zeit mit Szenen und Dialogen die durchaus einen Sinn haben und auch einen Zweck erfüllen, aber es findet keinerlei Entwicklung statt. Es wird viel gespielt mit Off-Kommentaren, Musikuntermalung und Montagen, aber es bleibt eine hübsche Hülle, die nach und nach das große Fast-Nichts, was sich dahinter verbirgt, nicht mehr wirklich verschleiern kann. Gewiss besitzt „The Wolf of Wall Street“ durchaus auch eine Aussage. Wenn Belfort vom Forbes Magazin kritisiert wird, es ihn als twisted Robin Hood bezeichnet, ganz öffentlich sein Geschäftskonzept verteufelt und diese harsche wie richtige und gute Kritik sich aber am Ende als beste Art der Werbung erweist, dann hält „The Wolf of Wall Street“ der Fratze des Kapitalismus den Spiegel vor. Eine Fratze, die sich nicht nur bei jungen Finanzjongleuren findet, sondern auch bei Herr und Frau Jedermann (was auch das Ende des Films offenbart). Ja, alles gute Einzelheiten, aber sie gehen einfach im wüsten Rausch unter.
 
Es gibt gewiss viele Gründe „The Wolf of Wall Street“ zu lobpreisen. Der Film haut einem seine Stärke immer wieder und mit voller Kraft und Geschwindigkeit um die Ohren. Dabei kümmert er sich einen Dreck um Etikette, was durchaus erfrischend ist, doch dies beinhaltet eben auch, dass er fast schon mephistophelisch grinsend die Wahrheit so verkauft und beinah schon verdreht, dass ein ungutes Gefühl zurück bleibt, zumindest dann, wenn es durch die andauernden Party- und Drogenszenen nicht betäubt wurde. Am Ende, und das ist durchaus auch eine Leistung, gelingt es „The Wolf of Wall Street“ ein Scheusal als gefallenen Helden darzustellen, als Symbol des Kapitals. Mag sein das Martin Scorsese irgendwo dazwischen noch andere, differenziertere und kritischere Zwischentöne versteckt hat. Die sind aber wahrscheinlich längst vom ganzen Koks high und so bleibt hier nur ein Fazit übrig: dieser Wolf heult wild und laut, nur beißen tut er nicht. Von Gordon Gecko könnte dieser Belfort noch was lernen.

2. Planet der Affen: Revolution

So schnell kann es gehen: Der erste Teil der „Planet der Affen“-Prequels wurde vor seinem Erscheinen als Rohrkrepierer gebrandmarkt. Zu Unrecht! Regisseur Rupert Wyatt („The Escapist“) inszenierte einen rührenden, cleveren Film, der seine Tricktechnik gekonnt einsetzte und statt auf großen Radau und explosive Schauwerte lieber auf nahe gehende Emotionen setzte. Kritik und Publikum war begeistert, so dass das Sequel „Planet der Affen: Revolution“ schon vorab mit Lob überhäuft wurde. Doch dies auch mit Recht? Um das eine zuvor schon klar zu machen, Andy Serkis und die anderen Affen-Darsteller überzeugen und auch wenn die SFX immer als solche zu erkennen ist, funktioniert die Immersion doch bestens. Fasziniernd ist Teil zwei diesbezüglich.
 
Zu nächst musst gesagt werden, dass „Planet der Affen: Revolution“ genau wie sein Vorgänger versucht, nicht mit großem Spektakel, sondern mit inhaltlichem Anspruch versucht zu punkten. Doch hier steht der Film sich meist selber im Weg, denn eine Entwicklung bei den Figuren (Affen wie Menschen) findet nicht statt. Die Lager sind klar bezogen und wirklich überraschend verläuft der Handlungsstrang des Sequels auch nicht. „Planet der Affen: Revolution“ ruht sich zu sehr auf den Lorbeeren seines Vorgängers aus. Dieser war jedoch wirklich bewegend, vor allem deswegen weil Affe Caesar eine psychologische Entwicklung durchmachte und auch die menschlichen Figuren einen Zweck hatten. Gemeinsam entstand so eine rührende, emotionale Symbiose. Bei „Planet der Affen: Revolution“ wird auch versucht dies zu erreichen. Doch vertraut der Film von „Cloverfield“-Regisseur Matt Reeves dabei zu sehr auf seine eigene Protzigkeit und vertraut nicht mehr auf das Intime des ersten Teils. Ein weiterer Knackpunkt sind die menschlichen Figuren. Jason Clarke („Zero Dark Thirty“) bleibt als Malcolm, eine Art Diplomat, blass und konturlos, während alle anderen menschlichen Charaktere keinerlei wirkliche Funktion erfüllen.
 
Selbst Malcolms Sohn Alexander (Kodi Smit-McPhee, „The Road“) und Freundin Sarah (Keri Russell, „Mission: Impossible 3“) sind funktionell für die Erzählung sowie den weiteren Verlauf wenig zweckdienlich und helfen einzig und alleine dabei, den Film künstlich in die Länge zu ziehen. Auch Gary Oldman („Léon – Der Profi“), der seit einigen Jahren in Blockbustern verheizt wird, als menschlicher Antagonist steht auf verlorenem Posten. Zwar spendieren ihm die Autoren Silver, Jaffa und Bomback eine Szene, in der seinen Taten und seine Sicht auf die Dinge erklärt werden, aber nur weil man einer Figur 2 Minuten des Films schenkt, heißt dies nicht, dass sie dadurch wirklich interessanter wird. Bei den Affen ist dies etwas besser gelöst. Caesars Gefährte Koba (Toby Kebbell, „Zorn der Titanen“), der bereits im ersten Teil mit dabei war und von den Menschen im Versuchslabor brutal misshandelt wurde, hat klar definierte Gründe, (blinden Hass)warum er einen Krieg gegen die Menschen anstrebt. Elegant ist diese Charakterisierung zwar nicht, aber wenigstens funktioniert sie. Aber egal ob Affe oder Menschen, sie alle bleiben dröge Abziehbilder.
 
Selbstredend hat aber „Planet der Affen: Revolution“ auch seinen Momente. Gleich zu Beginn, wenn Caesar und seine Gruppe in den Wäldern Wild jagen und Komponist Michael Giacchino einen referenziell an „2001 - Odyssee im Weltraum“ angelegten Score über die Bilderlegt, gelingen wirklich so einfache wie eindringliche Bilder. Die Eröffnungsszene, sie ist wahrlich eine der besten des Jahres. Doch irgendwann will „Planet der Affen: Revolution“ mehr, viel mehr und spätestens das Finale biedert sich ungelenk an die Standards des Blockbusters an: immer größer, immer lauter, immer länger. Immer wieder wird, egal ob Action oder Emotionen, einen Schippe mehr draufgelegt, bis der Film unter seiner eigenen Last ächzt. Das „Planet der Affen: Revolution“ dazu seine simplifizierte Botschaft (es gibt Gute und es gibt Böse) noch als große Philosophie verkaufen möchte, macht den Sack dann endgültig zu. Was hier wirklich fehlt ist  neben besser geschriebenen Figuren vor allem eines: Ambivalenz. Graustufen. Doch scheinbar ist diese Art von (R)Evolution zu viel verlangt. Vielleicht ja im dritten Teil? Dann wird endgültig Krieg herrschen zwischen Affe und Mensch. Der perfekte Background um das sture wie einfache Gut-und-Böse-Konzept aufzubrechen. Ob die Macher (Reeves wird erneut Regie führen) dazu den Mut haben? Nach „Planet der Affen: Revolution“ darf dies bezweifelt werden.

3.Sin City: A Dame to Kill For

Konnte man sich im ersten Teil komplett in diesem Destillat aus hartgekochten Film-Noir und stumpfer Exploitation verlieren, so wirkt „Sin City: A Dame to Kill For“ wie ein Trip mit dem Touristen-Shuttlebus. Aus dessen Fenster wird man dann Zeuge, wie Eva Green als klassische Femme Fatale 80% ihrer Auftritte oben ohne verbringt und die Geschichte rund um Cop Hartigan (Bruce Willis) und Tänzerin Nancy (Jessica Alba) auf ein ätzend espritlosen Showdown zusteuert. So wirklich überzeugen vermag eh keine der drei Geschichten. Was Rodriguez und Miller allerdings mit der finalen (Nancy-)Episode machen, kratzt schon mit gigantischen Tigerpranken an der Schwelle zur unfreiwilligen Komik. Nicht unbedingt weil es stupider Fan-Service ist, sondern mehr weil die Geschichte charakterliche Entwicklungen beinhaltet, die jeder Beschreibung spotten. Die cineastische Wiedererweckung von Basin City, sie ist gescheitert.

4. American Hustle

Darstellerisch präsentiert sich „American Hustle“ makellos, die „Live and let die“-Szene ist schlicht und ergreifend famos, doch abseits davon funktioniert David O. Russells Oscarflaggschiff einzig als träges Schaulaufen der Eitelkeiten, welches dem Flair von Lockenwicklern, tiefen Dekolletees und schmierigen Plauzen eine so hohes Podest errichtet, dass einem vom hochstarren der Nacken schmerzt.

5. Das erstaunliche Leben des Walter Mitty

Wirklich erstaunlich ist hier lediglich die kaltherzige Konzeption mit der Stiller versucht ein Freiheitsgefühl aus der Geschichte zu picken. Seine Liebeserklärung ans Analoge, die große Liebe und die Selbstverwirklichung ist am Ende nicht mehr als ein digitales Schaulaufen, welches das Wunderbare des Tagträumens zu einer Zeitverschwendung erklärt. Somit widersetzt sich "The Secret Life of Walter Mitty" gegen wahre Schönheiten mit Persönlichkeit und feiert stattdessen einen medial ausgeschlachteten, stereotypen Lebensstil ohne Charisma, wie man ihn normalerweise aus Hochglanz-Commercials für Mode oder Autos kennt.

DIE GEHEIMTIPPS AUS DEM JAHRE 2014:

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1. Mistaken for Strangers

Eine erfrischend kurze Dokumentation, die nur auf den ersten, sehr groben Blick eine reinrassiger Band- und Konzertfilm ist. Der eigentliche Kern von Tom Berningers Film die Beziehung zu seinem Bruder. Schwere Kost? Ja, aber erst auf den zweiten Blick und selbst dann bleibt „Mistaken für Strangers“ wunderbar leichtfüßig […]
die Zusammenarbeit sowie das gemeinsame Tourleben gestalten sich schwierig: Tom will sich lieber auf den Film konzentrieren, doch als Roadie gehen andere Verpflichtungen vor und wenn er einmal ein Mitglied der Band oder Crew interviewen kann, dann meist immer zu einem äußerst unpassenden Zeitpunkt oder aber er irritiert sie, mit seltsam nichtigen bis absolut absurden Fragen. Diese Momente gehören definitiv zu den besten und schönsten von „Mistaken for Strangers“, weil Tom zum einen die internen wie charakterlichen Strukturen der Band kennt und deswegen nicht sonderlich an Fragen interessiert ist, die etwa ein externe Journalist stellen würde, zum anderen ist Tom immer noch ein großes Kind, dessen Fragen gekoppelt sind, mit einer befreienden Naivität. Und während Journalisten fragen würde, welchen musikalischen Stil Gitarrist Scott Dessner bevorzugt, fragt Tom ihn einfach (nachdem er überlegt hat, was er ihn eigentlich fragen soll), wie schnell er eigentlich sein Instrument spielen kann. Das ist sehr amüsant, allerdings auch entlarvend.
[...] Diese Demaskierung ist allgegenwärtig, wird aber niemals so bewusst betrieben oder gar ausgeweitert, dass „Mistaken for Strangers“ eine Art satirisch ausgelegte Abrechnung mit dem Tour-Mythos ist, denn der eigentlich Kern ist die Geschichte von zwei ungleichen Brüdern. Zwei Welten die aufeinander krachen, wobei der Rockstar-Bruder klar das Sagen hat, zumindest auf der Tour. Als Außenstehender wird einem mit jeder Minute klar, dass Matt Berninger zwar den durchsetzungsfähigeren und vermutlich auch reiferen Charakter hat, als sein kleiner Bruder Tom, dass er allerdings mit Toms Lebenseinstellung absolut überfordert ist. Tom wiederrum muss sich spätestens nach dem er als Roadie wegen diverser Versäumnisse und Fehlverhalten gefeuert wird, damit auseinandersetzen, dass er nicht nur im Schatten seines Bruder steht, sondern sein gesamtes Leben in Bahnen der Unzufriedenheit verläuft. Das wären Gründe, um die Doku mit großen Gefühlen und Gesten auszustatten, aber auch hier gelingt „Mistaken for Strangers“ das Kunststück diese Mechanik aufzuhebeln und zu entzaubern, denn ein weiterer wichtiger Part des Films, ist der Prozess des eigentlichen Drehens. Die Kamera zeigt uns nicht bloß den weinenden Tom, nein, sie zeigt uns auch, wie Tom selbst die Kamera noch richtig positioniert. Matt und Tom suchen halt beide die große Show. Der eine mit seiner Musik auf der Bühne, der andere mit seiner kleinen HD-Kamera. Gefühlvoll ist beides, allerdings lässt sich bei Tom schon die größere Wahrheit und der wahrhaftigere Schmerz finden [...]

2. Rico, Oskar und die Tieferschatten
Dieser Kinderfilm wirkt unglaublich frei und frech. Pädagogisches Phrasenreiter á la „Die Moral von der Geschichte“ wird eher sanft im Hintergrund durchgeführt und wenn sich das Moralinsaure doch einmal zeigt, ist der dazugehörige Kontext meist überaus stimmig, etwa wenn Rico die Depression seiner Nachbarin Frau Dahling beschreibt. Dem gegenüber steht die eigentliche Handlung des Films, in der die beiden Helden eine mysteriöse Entführungsserie aufklären. Der Weg zur finalen Auflösung ist für Genre-versierte Zuschauer gewiss frei von Besonderheiten und dennoch geniert Regisseurin Vollmer den einen oder anderen spannenden Moment, eben auch, weil sie genau en richtigen Umgang mit der Gefahr beherrscht. So kann man „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ durchaus als geglückten Kinderkrimi bezeichnen, in dem Rico, der sich selbst als „tieferbegabt“ bezeichnet – also als Gegenteil von hochbegabt – mit seiner ganz eigenen Art den Entführer zur Strecke bringt.
Durch seine eigene Art mit seinen Defiziten umzugehen sowie der Darstellung von Oskars Welt, die im eigentlichen Sinne nur aus dem Mehrfamilienhaus sowie ein paar Straßenzügen besteht, wirkt der blonde Junge schon etwas schräg. Der Film lässt ihn dabei gewähren, urteilt nicht über ihn und stilisiert ihn letztlich als Helden, was natürlich auch als Botschaft für die kleinen Zuschauer zu verstehen ist. Im Gegensatz zu vielen anderen Kinderfilmproduktionen trichtert „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ dies seinem Publikum aber mit großer Freude am Anderssein ein und verrät dazu, dass die Welt der Erwachsenen auch im Prinzip nur aus seltsamen Gestalten besteht: Die einen sind liebenswert, die anderen unausstehlich. So gesehen sind Oskar und Riko keine Außenseiter, sondern gehören mit zu diesem Kollektiv des Menschseins dazu. Anders gesagt: Die Welt ist bunt und vielfältig. Sicherlich, irgendwann fällt einem schon auf, dass diese Unbeschwertheit zwar auf dem ersten Blick authentisch vermittelt wird, dass man als Erwachsener aber schon ein wenig die andere, die dunkle Seite vermisst. Ein Hoch auf die Kindheit! Kinder würden wohl einem bei diesem Punkt nur unmissverständlich den Vogel zeigen. Gut so.

3. Mata Mata
Unkommentiert gibt Regisseur Jens Hoffmann ("9 to 5: Days in Porn") einen Blick auf die Träume und Hoffnungen junger brasilanischer Fußballspieler frei. Fußball wird dabei nicht nur als Schlüssel raus aus den Favelas gezeigt, sondern auch als erbarmungsloses Geschäft sowie als Katalysator für persönliche wie gesellschaftliche Probleme. In einer der stärksten Szenen verzweifelt ein junger Kicker alleine in seiner kargen, deutschen Kleinwohnung. Daheim sind zwei Freunde verstorben und alles was ihm bleibt ist die Trauer, das Heimweih, die Einsamkeit und das Spiel, doch genau dieser befreiende Spaß scheint in der Welt von Transfers, Tabellen und Talentscouts in weite Ferne gerückt zu sein. Am Ende von "Mata Mata" entsteht ein großes, dokumentarisches Mosaik über Fußball und Träume und das ganz big business mit den gefeierten Gewinnern und den vergessenen Verlierern. Eine Doku, besser und spannender als so manches Elfmeterschießen.


4. The Unknow Known

Zweimal war er Verteidigungsminister, einmal unter Gerald Ford und einmal unter George W. Bush. Hinter ihm liegen 50 Jahre politische Erfahrung und für viele gilt er als Kriegstreiber und großer Verschleierer der Wahrheit. Gemeint ist Donald Rumsfeld, der für viele einer der Strippenzieher war im Irakkrieg, behauptete er doch, der amerikanische Geheimdienst hätte Beweise dafür, dass Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen besitzt, was zu zweiten Irakkrieg führte. Eine Lüge!
Beim Gespräch mit Filmemacher Errol Morris erweist sich Rumsfeld als eloquenter, charmanter wie gewitzter Gesprächspartner, der mit lockeren Lebensweisheiten unterhält und politische Lehren aus seinem Leben zu ziehen versucht, sich dabei allerdings wie eine geölte Schlange durch Morris Fragen und historische Fakten windet, sich gerne auch mal selbst widerspricht und trotz allem nie die Fassung oder den Glauben alles richtig gemacht zu haben verliert. Das Perfide bei „The Unknown Known“ ist, dass es einem schnell passieren kann, dass man Rumsfeld in die Falle geht. Der nette ältere Herr, der für sein Alter noch höhst vital wirkt und dabei so redet als würde er mit einem guten Freund sprechen. Doch dahinter verbirgt sich mehr. Viel Mehr.
 
Hinter dieser freundlichen Fassade steckt der bärbeißige Wille niemals zuzugeben, versagt und gelogen zu haben. Selbst heute noch redet sich Rumsfeld beim Thema Massenvernichtungswaffen im Irak heraus, lässt die Entscheidung den US-Senat sowie die Bevölkerung glauben zu lassen, es hätte diese Waffen damals nach 9/11 im Irak gegeben, wie die einzige wahre, vernünftige Option aussehen zu lassen.
 
Um das als Zuschauer aber wirklich zu registrieren, muss man sich nicht nur auf diesen filmischen Zwitter aus Interview und biographischer Dokumentation einlassen, sondern versuchen Donald Rumsfeld und seiner einlullenden Art zu Widerstehen. Gelingt einem dies bleibt eigentlich nur noch Fassungslosigkeit übrig, aber auch ein wenig Bewunderung für diesen älteren Herrn, der in Sachen Manipulation, Wahrheitsverdrehung und Rausreden wahrlich ein Meister ist, der seines Gleichen sucht. Am Ende von „The Unknown Known“ bleibt nicht nur die bittere Gewissheit zurück wie egomanisch Politik sein kann, sondern auch das wenig wohltuende Gefühl, dass Rumsfeld wohl nicht der Einzige ist, der für einen ungerechtfertigten Krieg nicht mehr übrig hat als ein freundliches Lächeln.

5. Harms

Gedreht ohne staatliche Subventionen oder sonstige Zuschüsse. Das merkt man. Dieser raue Gangsterfilm made in germany gibt sich voll und ganz seinem räudigen Genre hin. Anders als beim ebenfalls geglückten, medial aber wesentlich breiter aufgenommenen „Stereo“ kann man dem Dreck hier förmlich schmecken, weil’s einfach im Dreck gedreht wurde. Das sieht alles irgendwie grob, klotzig und teilweise auch unfertig aus, aber es hat brachialen Charme und eine Darstellerriege die mit sichtbarer Lust am konterten ihrer sonstigen Rollen am Werke ist.

DIE MOST WANTED FILME 2015:

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Star Wars: Episode VII – Das Erwachen der Macht
Mad Max – Fury Road
Inherent Vice
Bang Bang Baby
Absolutley Anything
Macbeth
Chappie
Men & Chicken
Maggie
Ex Machina

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