Bildnachweis: © Pidax Film | Cover von "Edgar Allan Poe - Ungewöhnliche Geschichten"

"Edgar Allan Poe - Ungewöhnliche Geschichten" - Kritik

von Miriam Aissaoui

Story

Erst als Lucien das alte Schloss betreten hat, bemerkt er, dass es sich dabei um eine Nervenheilanstalt handelt. Die Personen, die sich zum Abendessen einfinden, sind merkwürdig gekleidet und die Gesprächsthemen unheimlich. Man redet über Verrückte, und die Anwesenden beginnen plötzlich Tierlaute auszustoßen. In den anderen ungewöhnlichen Geschichten geht es um einen mysteriösen Schachspieler und einen Goldkäfer.

Kritik

Edgar Allan Poe gilt selbst Jahrhunderte nach seinem Tod noch immer als einer der größten Schriftsteller der amerikanischen Geschichte und inspiriert Künstler in verschiedenen Bereichen weit über seine damaligen Einflußsphären hinaus. Berühmt für seine Prägung der Gattung der Kurzgeschichten, seine Einflüsse auf die Kriminal-, Schauer- und Horrorliteratur, reichen Poes musische Fühler bis hinein in das Filmhandwerk. 1980 wurden sechs seiner bündigen Erzählungen als Kurzfilme adaptiert – drei davon bringt Pidax in Deutschland auf den Markt, nachdem die als Serie zusammengefassten Werke einmalig 1981 in der ARD ausgestrahlt wurden.

Folge 1: "Der Goldkäfer"

Die Kurzgeschichte von Poe, die ihr Debüt im Juni 1843 in einer Zeitung feierte, befasst sich hauptsächlich mit der Dechiffrierung einer Geheimschrift, die die Hauptcharaktere auf Schatzsuche schickt, hinein in Gefielde, die bisher nur heimtückische Piraten und Kannibalen betreten haben. Das filmische Werk unter der Leitung von Maurice Ronet (Fahrstuhl zum Schafott) nimmt sich einige Freiheiten bezüglich Charaktere und Handlungsverlauf, was dem Spannungsbogen nicht wirklich dienlich ist.

Handwerklich ist Der Goldkäfer mehr schlecht als recht umgesetzt worden: die Dialoge sind hölzern, die Szenerie wirkt billig respektive mit minderwertigen Requisiten ausgestattet und auch das schauspielerische Engagement von Vittorio Caprioli (Brust oder Keule), Leopoldo Francés (Das Guyana-Massaker) und ihren Kollegen erweckt den Eindruck einer plastischen Aufgesetztheit – Emotionen und das Flair typischer Abenteuerreisen sucht man hier vergeblich. Eine fragwürdige Darstellung des freigelassenen schwarzen Sklavens und seinem Meister (geschuldet der Verhältnisse zu Poes Zeit), die nicht aufbereitet wurde, mal ganz abgesehen.

Folge 2: "Die Methode von Dr. Thaer und Prof. Fedders"

Die Kurzgeschichte, die 1845, also wenige Jahre vor Poes Tod, das Licht der fiktionalen Literatur erblickte. Diese drängt den Medizinstudenten Lucien (Jean-François Garreaud, I wie Ikarus) in die Rolle des Hauptcharakters, der sich die interessanten Methoden, die ein gewisser Dr. Maillard (Pierre Le Rumeur, Notre Histoire) bezüglich psychisch Erkrankter und dessen Heilung anwendet, aneignet.

Auch hier sollte der Umgang mit psychischen Erkrankungen besser in den Hintergrund rücken, da die Zeiten, in denen Poe lebte, nicht für ihre Feinfühligkeit gegenüber eben jenen Betroffenen gekennzeichnet war. Diesem Werk nahm sich Regisseur Claude Chabrol (Das Biest muss sterben) an und schafft vor allem die wilde Kakofonie dutzender Geistesgestörter an einer reich gedeckten Tafel einzufangen. Die Methode, von der Dr. Maillard dem Hauptcharakter erzählt, basiert auf dem Glauben, dass Geisteskranke geheilt werden können, in dem man sie beruhigt, ihnen ein großes Maß an Freiheit gewährt und auf Bestrafungen verzichtet. Was diese Methode in der Heilanstalt angerichtet hat, wird humoristisch, aber keinesfalls spannend eingefangen und gipfelt in einer Episode, die schneller vergessen ist, als sie gesehen wurde.

Folge 3: "Maelzels Schachspieler"

Die wohl finsterste der drei Folgen, Maelzels Schauspieler, umgesetzt durch Juan Luis Buñuel (Eleonore), stützt sich auf Poes Essay aus dem Jahre 1836, welches dieser nach einer Vorführung des damalig berühmten Schachtürken verfasste. Der Schachtürke ist scheinbar ein Schachroboter, der es vermag, selbst die talentiertesten Schachspieler zu schlagen und matt zu setzen. Jean-Claude Drouot (Das Licht am Ende der Welt) mimt hier den skrupellosen Halunken, der sich für Prestige einem wohlhabenden Klientel stellt und dabei das Interesse einer Skeptikerin (gespielt von Diana Brancho, El castillo de la pureza) weckt. Trotz der von einer unheimlichen Düsternis geschwängerten Atmosphäre, vermag es die Geschichte nicht, den Zuschauer zu packen und dümpelt von trostloser Lethargie zu immerhin einigen sehenswerten Einzelmomenten, die die Folge zu der besten dieser Veröffentlichung erhebt. 

Technischer Part

"Edgar Allan Poe: Ungewöhnliche Geschichten" (VÖ: 31. Januar 2020) erschien erstmals in Deutschland und leider nur auf DVD durch Pidax Film- und Hörspielverlag. Auf der DVD sind nur 3 von 6 Kurzfilmen enthalten. Der Dolby Digital 2.0 Ton auf Deutsch ist sauber, das Bild ist in 4:3 aufbereitet und gut restauriert, bis auf einige flackernde Szenen, die auch durch das Quellmaterial verursacht worden sein könnten. Es gibt keine Untertitel. Das Menü ist thematisch an die drei Folgen angepasst und bietet als Bonusmaterial eine Trailershow von Pidax. Die DVD kommt im Amaray-Case mit Wende-Inlay (ohne FSK-Logo).



Fazit

Wenn Kurzgeschichten Kurzgeschichten hätten bleiben sollen: Die drei Folgen, die Pidax den deutschen Zuschauern zur Verfügung stellt, wirken wie billige Fernsehproduktionen, die in visueller, erzählerischer und schauspielerischer Hinsicht nahezu auf voller Länge versagen. Lediglich ein, zwei Szenen erinnern daran, was der Antrieb von Poe in vielen seiner Werke war: Schaurige Geschichten auf Papier und die Leser respektive Zuschauer zum Gruseln zu bringen.

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