Story
Ende der 1970er Jahre ist die allgemeine Stimmung in den Vereinigten Staaten reichlich angespannt – sogar im ländlichen Fargo im Bundesstaat North Dakota: Die Ölkrise bereitet den Leuten Sorge, Vietnam-Veteranen scheitern an der Resozialisierung und seit der Watergate-Affäre ist das Vertrauen in die Regierungsebene ohnehin vollkommen verrinnt. Doch wo der Staat keine Macht mehr hat, floriert das organisierte Verbrechen im großen Stil. Das Renommee des deutschstämmigen Familienclans der Gerhardts ist zwar vordergründig auf einem Bäckereiunternehmen aufgebaut, doch schon lange verdient dieser seine Brötchen mit Schutzgeld und Drogenhandel. Als ein Erpressungsversuch schiefgeht, sind nicht nur drei Unschuldige in einem Diner tot und der lokale Cop Lou Solverson ratlos, auch das eigentlich unauffällige Ehepaar Peggy und Ed findet sich bald schon in einem undurchsichtigen Gestrüpp aus Angst, Gewalt und Dummheit wieder. Das Morden beginnt...
Kritik
Wahrscheinlich kann sich noch jeder sehr gut daran erinnern, wie die erste Reaktion ausgesehen hat, als einen die Information erreichte, dass wir bald auf Netflix Zeuge einer Fargo-Serie werden. Zu prägnant haben sich Bilder, Dialoge und Charaktere des gleichnamige Kinofilms der Coen-Brothers in unseren Köpfen eingebrannt, als dass wir wirklich daran glauben könnten, eine seriell qualitative Entsprechung des Meisterwerks von 1996 dargeboten zu bekommen. Inzwischen jedoch hat uns Showrunner Noah Hawley eines Besseren belehrt und mit Fargo ein Format auf die Beine gestellt, an welches man in Windeseile sein Herz verlieren konnte – selbst als inbrünstiger Verfechter des oscarprämierten Spielfilms. Und welch Segen dieser Umstand bedeutet, wird gerade dann deutlich, wenn Fargo nachhaltig unter Beweis stellt, welch bunt gecheckte Zielgruppe die Serie zufriedenstellt: Da wären freilich die Geeks, aber auch die Kunst- und Kulturhistoriker, die sich bei all den Referenzen, die sich einmal quer durch die Geschichte der bildenden Künste erstrecken, auf ihre Kosten kommen.
Dass sich allein in den Episodentitel der zweiten Staffel Verweise an Franz Kafka, Pablo Picasso und Soren Kierkegaard entdecken lassen, bezieht in dieser Hinsicht ja bereits deutlich Stellung und bestätigt den tiefgreifenden Skopus der Serie. Fargo allerdings brüstet sich nicht mit seinem Hintersinn, es gibt hier nie den Anflug von prätentiöser Selbstbeweihräucherung oder Augenwischerei zu verbuchen, stattdessen kommen sich die passionierten Cinephilen und belesenen Akademiker (oder andersherum) in den narrativen Leerstellen näher und erkunden das interpretative Deutungsmodell der Erzählung gemeinschaftlich. Der phänomenologische Aspekt, der schon in Staffel 1 vorzufinden war, wird hier nun deutlich potenziert und mit dem brillanten Auftritt eines UFOs scheint man in Gefilde vorzudringen, die Fargo zum Diskurs über höhere Instanzen, göttliche Fügung und die kosmologische Sinnsuche erklärt, um den lakonischen Wust an doppel- und dreifachbödigen Gedankenansätzen immer wieder so wunderbar ungezwungen in himmelschreiender Willkür kulminieren zu lassen. Tatsächlich ist Fargo ein Paradebeispiel dafür, Intellektualität mit Genre-Enthusiasmus zu verknüpfen.
Grundlegend für den mehr als verdienten Erfolg der Serie aber ist nicht nur das durch und durch exquisite Drehbuch sowie die nun im herrlichsten 1970er-Chic erstrahlende Stilsicherheit der Inszenierung. Die Besetzung der involvierten Charaktere muss stimmen, um das Gesamtbild der Konstruktion zu vollenden. Und auch wenn Billy Bob Thornton und Martin Freeman (logischerweise) nicht mehr mit von der Partie sind, wird man mit, unter anderem, Patrick Wilson, Kirsten Dunst, Jesse Plemons, Ted Danson, Jean Smart und Zahn McClarnon seine helle Freude haben. Sie sind es, die die komplexen Persönlichkeitsstrukturen ihrer Figuren (bis auf Wilson, er bleibt die gewissenhafte Konstante der Serie) einnehmend zum eigendynamischen Ausdruck bringen und so pointiert angsteinflößend wie faszinierend ihrer steinigen, abseits jedweder dichotomischen Gesetze, Wege gehen. Und doch bleibt hinter all der Absurdität, den Zynismen, der eruptiven Gewalt fortwährend der unbedingte Glaube an das Gute, auch wenn sich dieser nur dadurch ermöglicht, die Präsenz des Bösen zu akzeptieren.
Die Blu-ray
Die Blu-ray von Twentieth Century Fo Home Entertainment (Veröffentlichung: 12. Mai) brilliert durch ein sauberes Tondesign sowie eine gestochen scharfe Bildauflösung (Format: 1.78:1) und trägt so die fröstelnde Winterlandschaft North Dakotas geradewegs bis ins heimische Wohnzimmer. Als Features liegen auf der Disc ein Audiokommentar zu Ronald Reagan, die Featurettes Rückkehr zu Sioux Falls sowie Geschichte zum Verbrechen im mittleren Westen, ein Kommentar von Noah Hawley, ein Porträt über Keith Carradine und Patrick Wilson und der Skip Sprang TV-Spot vor.
Fazit
Wer sich bereits für die erste Staffel Fargo begeistern konnte, dem sei an dieser Stelle auch die zweite Staffel nur wärmstens ans Herz gelegt. Hier wird qualitativ genau dort weitergemacht, wo die erste Staffel aufgehört hat und Fargo überzeugt weiterhin als künstlerisch komplexes Format mit Herz, Hirn und Seele.