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Fassbinder - Box - Kritik

Souli

Von Souli in Fassbinder - Box - Kritik

Fassbinder - Box - Kritik Bildnachweis: © Studiocanal

Einleitung

Rainer Werner Fassbinder. Eine Name, bei dem Cineasten auf der ganzen Welt Männchen machen. Mit 37 Jahren an einer Überdosis verstorben, hat der 1945 in Bad Wörishofen geborene Allrounder den Neuen Deutschen Film – und damit die deutsche Kinolandschaft – geprägt, wie kaum ein zweiter Künstler. 44 Werke umschloss sein Schaffen. Sein oftmals manierierter Stil sollte dafür sorgen, Ungerechtigkeiten und Missstände innerhalb unserer Gesellschaft aufzudecken und diese auf das Seelenkäfig seiner Protagonisten rückzuschließen. Kaum ein Regisseur hat es verstanden, die Macht der Überzeichnung derart treffsicher als Instrument der Entlarvung zu nutzen. Wer sich indes noch nicht mit Fassbinder auseinandergesetzt hat, der bekommt nun von STUDIOCANAL die Chance, zehn seiner wichtigsten Arbeiten gebündelt zu begutachten.

Kritik

Katzelmacher

Die fehlende Kommunikation findet einen Kanal, um sich auszudrücken: Die Gewalt. Erst verbal, dann nonverbal. Erst passiv, dann aktiv. Kein anderer Regisseur hat sein Außenseitertum derartig zur Marke erhoben, wie einst Rainer Werner Fassbinder. Natürlich ist er der Fremde, an dem sich die Anfeindungen der Anderen aufpumpen wie ein von Hass erfüllter Blasebalg. Irgendwann wird wieder miteinander gesprochen, aber nur, um dem Groll ein Ventil zu verleihen und diesen zu schüren. Es ist ein Groll, den Fassbinder, der Nonkonformist, der Einzelgänger, der Abweichler und Protestierende, bestens kennt. Er wollte doch nur geliebt werden, doch blieb immer ein Fremdkörper – und im Volksempfinden damit ein Objekt der geballten Animosität und Abscheu. Wenn es jemand verstand, der Wurzel der Gehalt nachhaltig auf den Zahn zu fühlen, dann wohl Fassbinder.

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Die bitteren Tränen der Petra von Kant

Fassbinder erzählt hier von Abhängigkeit und findet die Formen jener in einem Schmerz, der die Charaktere leiden lässt, der aber auch gleichermaßen als selbstverständlich hingenommen wird. Im Film selbst heißt es einmal: „Der Mensch ist schlimm. Letztlich erträgt er alles. Alles.“ Letztlich also erträgt der Mensch auch die Ausweglosigkeit gegenüber sich selbst. Fassbinder versetzt den Zuschauer selbst in die Lage eines Gefangenen, wenn er die Wohnung hermetisch von der Außenwelt abschirmt und das Atelier, in dem die Künstlichkeit, das Artifizielle regiert, als verwüsteten Seelenlandschaft herausstellt. Die Vorspiegelung von Souveränität und Selbstbewusstsein verschiebt sich alsbald zur Studie über die alles zerfressende Einsamkeit, über die Nutzbarmachung von Menschen, über den persönlichen Freiheitsanspruch, der sich wie eine Fessel um die eigene Existenz legt.

Welt am Draht

Im Institut für Kybernetik und Zukunftsforschung haben Wissenschaftler eine künstliche Welt erschaffen, die die reale imitiert. Nach dem überraschenden Ableben des Institutsleiters scheint seinen Nachfolger Fred Stiller das gleiche Schicksal zu ereilen. Denn auch Stiller muss feststellen, dass die Realität, in der er lebt, womöglich nur eine Simulation ist. Zeitlos ist wohl das Wort, das sich wie ein roter Faden durch Fassbinders Werke zieht. Auch hier beweist er ein feines Gespür für kommende Ereignisse und formuliert einen intelligenten Kommentar auf technischen Fortschritt und die Rolle des Menschen im digitalen Zeitalter. Eingebettet in die Mechanismen eines Genrefilms ist Welt am Draht ebenso ungewöhnlich wie gelungen.

Angst essen Seele auf

Man muss Angst essen Seele auf als eine Anklage an ein Deutschland verstehen, welches die Meinungshoheit an jene verteilt, die am lautesten schreien: Was deutsch ist, muss deutsch bleiben. Emmi und Ali nehmen den Kampf an, stellen sich den spöttischen Blicken, den demütigenden Tiraden, der allgemeinen Ignoranz und Missachtung. Und gerade in dem Moment, in dem man dem Glauben anheimfallen könnte, das Paar hätte die schlimmsten Stunden überstanden, überträgt Fassbinder seine Etüde der gnadenlosen Zerreißprobe ihrer (unmöglichen?) Liebe vom äußeren, auf den inneren Zirkel. In kärglichen Bildern, mechanischen Bewegungen, ungeschickten Dialogen entlarvt Fassbinder die deutsche Scheinheiligkeit, den beschränkten Horizont des Kleinbürgertums, der höchstens bis zur nächsten Eckkneipe reicht, und zeichnet eine von tiefer, brodelnder Sehnsucht umklammerte Liebe, die zwischen ungeahnter Zärtlichkeit und bedrückender Schonungslosigkeit ein weiteres Mal die Genialität des unsterblichen Meisterregisseurs aufzeigt.

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Martha

Irgendwann allerdings muss dieser Druckkessel Mensch, den Martha, eine Person, die all die Energie ihres Umfeldes in Anspruch nimmt, explodieren. Wie man es von Rainer Werner Fassbinder kennt, tritt diese Explosion in letzter Konsequenz auf: Reagiert wird erst dann, wenn es letztlich zu spät ist. Erst dann, wenn die „Liebe“ auch für die titelgebende Hauptdarstellerin pathologische Blüten treibt, möchte Martha ausbrechen, wähnt sich in Todesängsten, hat sich jedoch längst im Treibsand ihrer Unterwürfigkeit verloren. Ihr insgeheimes Sehen nach Lebendigkeit mundet in der absoluten Bewegungslosigkeit. Die letzte Einstellung ist Horror pur. Das Grauen, das Grauen, direkt hinter den aus edlem Zedernholz geschlagenen Haustüren des Bürgertums. Dass Margit Carstensen hier erneut unter der Ägide von Fassbinder brilliert, war abzusehen. Ihr affektiertes Spiel ist ein Parforceritt. Die wahre Sensation allerdings ist Karlheinz Böhm: Der in seinen Augen aufblitzende Hass kleidet Alpträume bis ans Lebensende aus

Fontane Effi Briest

Bedrückend und ergreifend wird Fontane Effi Briest, wenn man sich auf die Sogwirkung des Filmes einlassen kann. Wenn man in der Präzision von Fassbinders Handwerk nichts Akademisches, sondern letztlich doch etwas Bescheidenes erkennt. Denn dann wird deutlich, dass sich sein Werk, welches durch wunderbar anzusehende Schwarz-Weiße-Kompositionen bestimmt wird, die selbst ein Ingmar Bergman (Persona) nicht kunstfertiger hätte evozieren können, mit viel Mitgefühl um seine erst lebensgewandte und wissbegierige Protagonistin (Hanna Schygulla, Auf der anderen Seite) kümmert, um sie später für ihre fehlgeleitete Auffassung von Protest zu bedauern. Irgendwann nämlich erteilt Effi Briest ihrem Umfeld die Erlaubnis, sie leiden zu lassen. Sie erteilt den Schleiern und den Gittern, die die Charaktere ohnehin immer wieder umranken und versperren, die Entscheidungsgewalt über ihr Leben. Fontane Effi Briest ist, wenn man so möchte und es metaphorisch auf das seelische Befinden übersetzt, ein Gefängnisfilm. Ein äußerst tragischer noch dazu.

Die Ehe der Maria Braun

Die Ehe der Maria Braun schildert den schwerwiegenden Konflikt zwischen Privat- und Berufsleben; zwischen innerseelischen Interessen und gesellschaftlichen Zwängen und legt somit nicht nur die Profilneurosen des Bürgertums offen. Hier ist das soziale Ansehen erst einmal belangvoller als die innere Beschaffenheit. Der Schein obsiegt über das Sein. Das Wirtschaftswunder bleibt eine Vorspiegelung von nationaler Gesundheit, letztlich ist dieses Nachkriegsdeutschland aber doch nicht in der Lage, den Krieg zu überstehen, wenn es sich schon Gedanken darüber macht, wie es den Frieden überleben soll. Bruchsteine, Scherben, Chaos. Auf den Straßen und in den Herzen. Das Wesen der Figur der Maria Braun lässt sich auf das allgemeine Befinden der gesamten Bundesrepublik projizieren: Oberflächlich mit sich im Reinen, innerlich aber ausgehöhlt und entkernt. Das Schicksal einer Frau, wird zum Schicksal eines Landes. Das Kino ist hier ganz bei sich selbst.

Lili Marleen

Im Kern ist Lili Marleen die herzzerreißende Dokumentation einer unerfüllten Liebe. Und, ganz Fassbinder-typisch, werden diese auch durch die Konventionen des klassischen Melodramas aufgebauscht. Es geht hier allerdings auch um die Frage, ob es ethisch vertretbar ist, durch die Mechanismen des Nationalsozialismus zu Erfolg zu kommen? Darf man Nazi-Deutschland reinen Gewissens nutzen, um die Karriereleiter aufzuzeigen? Und überhaupt: Ist es möglich, ein Lied zum Politikum zu erheben, wenn der eigentliche Sinn dieses vollkommen unpolitischer Natur ist? Lili Marleen ist ein Film über moralische Sackgassen und immer deutlich sichtbar werdender Vertrauensgesetze, versackt aber im Abglanz des Ausstattungskinos. Oberflächlich, glattgebügelt, pompig. Es fehlt die eindringliche, innerdeutsche Strukturen offenlegende Virtuosität – als wäre Fassbinder vom Glitzern der teuren Kleider abgelenkt gewesen.

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Lola

Und obgleich Rainer Werner Fassbinder dieser gewisse Schalk im Nacken zu haften scheint, der es ihm auch erlaubt, sich über das Wirtschaftswunder und die in dieses involvierte Marionetten lustig zu machen, ist Lola ein Film, der irgendwann keine andere Wahl mehr hat. Irgendwann muss dieser Film explodieren, derartig staut er all die Ungerechtigkeit, all die unausgesprochenen Konflikte, all die verdrängten Wunden in seinem Inneren an. Und wenn Lola schließlich explodiert, wenn sich Barbara Sukowa den Sehnsuchtsschlager Capri Fischer als Akt der Selbstoffenbarung von der Seele schreit, dann resultiert daraus einer der denkwürdigsten Momente der deutschen Filmgeschichte. Gerade in Verbindung mit dieser unfassbar grellen Farbästhetik. Ein permanentes Farbenspiel schlägt hier auf die Charaktere ein, schmiert sie zu, pinselt sie über, verzerrt sie, um sie am Ende dann doch ganz zu sich zu führen und viel Kluges über die Bundesrepublik zu berichten. Über die Scheinheiligkeit. Über die leeren Versprechungen.

Die Sehnsucht der Veronika Voss

Mit leisen Anklängen einer dem Film noir entliehenen Kriminalgeschichte, die sich, Fassbinder-typisch, wenig daran interessiert, Zugeständnisse an Genre-Mechanismen oder Stilismen zu bemühen, bleibt Die Sehnsucht der Veronika Voss eine sublime Charakter-Studie, die sich gleichermaßen auf den Zustand der noch in Kinderschuhen steckenden Bundesrepublik transferiert. Die Geißel der Gegenwart ist die Tatsache, eine Vergangenheit gehabt zu haben. Veronika Voss ist der Inbegriff dieser Vergangenheit. Sie will strahlen, leuchten, scheinen. Die Menschen sollen sich um sie reißen, sie begehren, ihr aus der Hand fressen. Die einzigen Sternchen, die hier allerdings noch funkeln, sind die Lichtreflexionen, die die Discokugel in die klinisch-weißen Räume wirft. Es ist eine Ära der Verwirrung und Verirrung, eine Ära des Lichts und des Schattens. Und jedem, der den eigenen Niedergang nicht anerkennt, wird nachgeholfen.

Technischer Part

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Die 10 Filme umfassende DVD-Box von STUDIOCANAL (Veröffentlichung 14. Dezember) überzeugt auf technischer Linie durchaus. Sicherlich wäre eine Blu-ray-Abtastung interessant gewesen, gerade bei der formalen Klasse, die Fassbinder aufzuschwingen verstanden, Bild und Ton allerdings wissen zu überzeugen. Das Bonusmaterial indes beläuft sich auf den Kurzfilm Das kleine Chaos, Interviews mit Cast, Crew und Wegbegleitern Fassbindern, die Biographie von Fassbinder, Todd Haynes über Fassbinder und das Melodra, die Dokumentation Rainer Werner Fassbinder, 1977, Alle Türken heißen Ali, Eine deutsche Geschichte – R.W. Fassbinder und sein Film die Ehe der Maria Braun, sowie ein Liedvortrag von Brigitte Mira, ein Statement von Liselotte Eder u.v.m.

Fazit

Für Cineasten ist diese Box natürlich eine Pflichtinvestition. Nicht nur, weil es sich um 10 Filme von Rainer Werner Fassbinder handelt, sondern weil es sich um 10 sehenswerte bis brillante Einträge in die deutsche Filmgeschichte handelt, die noch heute von einer beeindruckenden Zeitlosigkeit beseelt sind.

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