{{ tweet.login }}

{{{ tweet.body | format }}}

Wird geladen...

×
×

Erwähnungen

×

Benachrichtigungen

Filmanalyse Stilmittel

Smooli

Von Smooli in Hingeschaut: "No Country for Old Men" in der Filmanalyse

Filmanalyse Stilmittel

3.3 Stilmittel

    Die Wirkung, die von No Country For Old Men ausgeht, ist eine paradoxe. So wirkt der Film einerseits überaus ruhig und gemächlich, andererseits aber auch sehr stilisiert. In diesem Kapitel werde ich auf die visuelle und auditive Gestaltung, sowie auf die Montage des Films eingehen.

    Die visuelle Gestaltung ist sehr interessant zu erforschen. So fällt schon nach wenigen Minuten auf, wie ruhig die Einstellungen des Films sind. Jürgen Müller schrieb in „Filme der 2000er“ dazu, die Kameraarbeit sei „derart zurückgenommen, dass wir all unsere Aufmerksamkeit der Handlung widmen“. Rein statisch wird die Kamera jedoch nicht, da selbst in unbeweglichen Einstellungen an den Bildrändern leichte Bewegungen zu erkennen sind. Der Film macht dadurch einen entspannten, aber keinen mechanischen Eindruck. Insgesamt scheinen die Coen-Brüder viele gewöhnliche Stilmittel auf eine Art und Weise vereint zu haben, die in ihrem Gesamtergebnis einen neuartigen Eindruck erweckt. So ist der Film zum Großteil klassisch kadriert, löst Dialoge im Schuss-Gegenschuss-Verfahren und mittels Overshoulder-Einstellungen auf. Auffällig ist zudem, dass die Kamera sich an den Schauspielern orientiert; die Kamera kopiert Bewegungen der Figuren. Das geht so weit, dass die Kamera den Charakteren mittels horizontalen Schwenks und vertikalen Neigungen folgt und, je nachdem, auf welcher Höhe die Figuren sind, aus Unter-, Ober- oder Normalsicht auf die Umwelt blickt. Dies wird verbunden mit Einstellungen, die klar aus der subjektiven Sicht der Charaktere (auch „Point of View“ genannt) gefilmt wurden, sodass der Zuschauer in einem hohen Maße durch die subtile Kameraarbeit von dem Film ergriffen wird und die notwendige Identifikation mit den Figuren leisten kann. Diese Point of View-Shots werden aus der Sicht von allen drei Hauptcharakteren eingefügt, was die Gleichartigkeit der Figuren unterstreicht und die drei Männer verbindet, die schließlich allesamt das gleiche Schicksal erleiden werden.

    Es gibt ein paar abweichende Einstellungen, die nicht in Normalsicht oder leichter Unter- und Obersicht gefilmt wurden, sondern in einer extremen Aufsicht. Die wohl aussagekräftigste davon ist die erste Szene von Anton Chigurh, in der er einen Polizisten von hinten mit seinen Handschellen stranguliert. Chigurh liegt dabei mit dem Rücken auf den Boden, der Polizist liegt mit seinem Rücken auf Chigurh und versucht, sich zu wehren. Hier wählten die Coen-Brüder eine Einstellung, die senkrecht auf die beiden Männer blickt - eine Einstellung, die auch als „göttliche Perspektive“ bezeichnet wird. Die Besonderheit an dieser Einstellung ist jedoch, dass Chigurh in die Kamera zu blicken scheint und gewissermaßen den Zuschauer anstarrt, während er mit einem zu einer Fratze verzerrten Gesicht den Mord vollführt. So manipulieren die Regisseure eine Einstellung, die den Zuschauer eigentlich in eine allmächtige und ultimative Position bringen sollte, so weit, dass der Zuschauer sich unwohl abwendet. Doch auch in einer derartig brutalen Szene ist auffällig, wie ruhig die Kamera bleibt. Wackelig wird die Kamera nur zweimal: Einmal in der Szene, in der Moss vor den unbekannten Verfolgern vom Schauplatz der Drogenübergabe durch die Wüste fliehen muss und einmal in der Szene, in der Ed Tom Bell in El Paso dort ankommt, wo Sekunden vorher Llewelyn Moss von Mexikanern erschossen wurde.

    Die vorherrschenden Farbtöne des Films, bei dem viele Einstellungen in der blauen Stunde gedreht wurden, sind braun und ocker. Dies wird von Beginn an der Landschaft, den Uniformen und der Kleidung, Geldmünzen und den eingerichteten Häusern deutlich. Bemerkenswert ist auch, wie über Details im Hintergrund der Einstellung der Grundton einer Szene intensiviert wird. So zum Beispiel in einer Szene, in der Anton Chigurh eine bedrohliche Unterhaltung mit einem Tankwart führt. An der Wand hinter dem Tankwart hängen viele kleine Schlaufen, daneben ein Aufkleber-Heft mit allerlei grinsenden Smileys. Hier offenbart sich ein zynischer Humor, der nicht nur das Setting, sondern auch Chigurh charakterisiert.

    Die auditive Gestaltung des Films ist ähnlich der visuellen Arbeit darauf bedacht, subtil zu arbeiten und so den Zuschauer gefangen zu nehmen. Fremdton-Musik gibt es während des Films gar nicht, erst im Abspann setzt eine ruhige Musik ein. Ein einziges Mal wird diegetische Musik angewandt, wenn Moss in Mexiko von einer Mariachi-Band geweckt wird. Diese Bildton-Musik nimmt jedoch keine  narrative oder strukturelle sondern eine dramaturgische Funktion ein - der Schauplatz wird charakterisiert. Zudem ist dieser Einsatz von Musik als polarisierend einzuordnen, da sie eine neutrale Handlung in eine komische Richtung drängt. Abseits von Musik nutzt No Country For Old Men Geräusche, um die Geschichte des Films fortzuführen oder um die Gefahr einer Situation zu intensivieren. Ein markantes Beispiel für das Fortführen der Handlung ist in der Sequenz im Hotel zu finden, kurz bevor Chigurh und Moss aufeinandertreffen. Das nicht endende Klingeln des Telefons der Hotelrezeption und die Schritte auf den Holzdielen im Flur indizieren als Off-Töne für Zuschauer und Moss gleichermaßen, dass der Angestellte tot ist und Chigurh auf dem Weg zu Moss’ Zimmer.

    Die Art der Montage des Films fällt vor allem durch zwei Besonderheiten auf. Die erste liegt darin, dass der Film zwar eher dem Stile des Continuity Editing folgt (also dem Prinzip des unsichtbaren Schnitts), dies jedoch immer wieder mit Montagesequenzen durchbricht, die stark zeitraffend wirken. Beispiele dazu lassen sich finden, wenn Chigurh sich selbst verarztet oder Moss versucht, den Geldkoffer im Luftschacht eines Motels zu verstecken. Eine Zeitdehnung gibt es hingegen nur ein einziges Mal, wenn Chigurh in seiner letzten Szene mit einem Auto auf eine Kreuzung zufährt, zwei Jungs im Rückspiegel betrachtet und dann auf der Kreuzung in einen Unfall verwickelt wird. Dabei stimmen die zurückgelegte (äußerst kurze) Strecke und die vergangene Zeit der Schnittfolge nicht zusammen - die Zeit wird gedehnt und führt den sonst sehr mechanisch und effizient arbeitenden Chigurh zu seinem Ende. Die zweite Besonderheit der Montage besteht darin, dass der Film keinerlei Gebrauch einer Parallelmontage macht, obwohl er de facto von drei Figuren handelt, die sich gegenseitig jagen. Sobald die Charaktere jedoch miteinander konfrontiert werden, bleibt die Kamera bei einem der Charaktere (zumeist Moss) und verzichtet darauf, zwischen den Parteien hin- und herzuschneiden.

Wird geladen...