Eine Szene die ich mir nicht oft genug ansehen kann ist die kurze, ja nur winzige Momente andauernde Szene nach Léons ersten Job. Da sitzt der verschlossene Killer im Kino, ganz vorne und schaut sich ein Musical an. Gebannt, aufgeregt und glücklich starrt er auf die Leinwand, wie ein kleines Kind, das vor einem festlich geschmückten Weihnachtsbaum steht. Er blickt sich sogar kurz um, wer noch im Kino sitzt. Diese Szene gehört zu den schönsten Szenen der Filmgeschichte. Nichts gegen "Cinema Paradiso" oder "The Purple Rose of Cairo", das sind alles grandiose Filme, aber diese kurze Sequenz bring die Liebe und Faszination zum Kino auf einen Punkt. In dieser Zeitspanne von vielleicht nicht mal 5 Sekunden erzeugt Besson mit einfachen Mittel die faszinierende Essenz des Kinos. Was das ist? Nun, das liegt ganz bei euch.
Jump Scares sind ja immer so eine Sache. Oftmals stehen sie der eigentlichen Atmosphäre im weg. Das weiß auch Horror-Ikone John Carpenter, der eigentlich lieber auf Suspense statt auf Schocker im Akkord setzt. In seinem hinreißenden „Das Ding aus einer anderen Welt“ gibt es aber eine Jump Scare-Szene die ich in mein Herz geschlossen habe. Wer den Film kennt, dem muss ich nur das Wort „Defibrillator“ sagen und er wird Bescheid wissen. Das Grandiose an dieser Szene ist dabei nicht bloß die knallige Sekunde des Schreckens, sondern dass sie an einen wahnsinngien WTF-Moment gekoppelt ist. Spätestens nach dieser Szene sollte jedem klar sein, dass dieser Film keine physischen Grenzen kennt. Es ist der Startschuss einer analogen Parade aus sensationellen wie absurden Deformationen und platzenden Körpern. Ein Genre-Hochgenuss.
Ein Clou dieses Biopics rund um die wohl alltäglichste Comicfigur aller Zeiten ist es, das der echte Harvey Pekar sich immer wieder zu Wort meldet. Was nervig sein könnte entpuppt sich als Motor für diverse grandiose Brüche, bzw. Handlungspausen in der Inszenierung. Während in einer Szene, der gespielte Harvey mit seinem mental eher zurückgebliebenen Kollegen Toby kurz über Jelly Beans philosophiert, führen der echte Pekar und der echte Toby diesen Diskurs nach Beendigung der Szene einfach weiter. Das wirkt nicht aufgesetzt, das wirkt erfrischend anders und ist darüber hinaus äußerst humoresk. Film imitiert Leben, so sagt man. Beim „Splendor“ funktioniert es auch anders herum. Das Spiel mit Realität und Film bewerkstelligt „American Splendor“ einfach grandios. Das Zentrum bleibt aber Harvey Pekar, dieser einsame Held des Alltags, der 2010 von uns ging.
Wenn man darauf achtet, fällt auf, dass Aufzüge in „Oldboy“ eine wichtige Rolle einnehmen. Sie dienen quasi als Portal für die Figuren sowie als Parallelen für die Thematik der Isolation – vor allem Oh Dae-su. Eine der schönsten, eindrucksvollste und besten Szenen des Filme (und davon hat dieses Meisterwerk einige) findet in einem Lift statt: Dae-sus Peiniger Lee Won-jin hat sein Opfer soeben mit der bitteren Wahrheit konfrontiert und lässt ihn besiegt sowie gebrochen im Penthouse zurück. Langsam kommt ein Arm von unten ins Bild und greift Won-jins Hand. Damit beginnt eine Montage, in der wir Zuschauer endlich erfahren was Lee Won-jin alles verloren hatte, was damals genau mit seiner Schwester geschah. Untermalt von „Farewell, my Lovely“ von Komponist Yeong Wook-jo beginnt ein Reigen aus Trauer und Erinnerung an dessen Ende ein tiefer Fall und Schuss stehen. Von Regiemeister Park Chan-wook so poetisch wie konsequent eingefangen. Ein Meisterstück von einer Szene.
Das bewegte Bild und die Musik sind wie Mett und Zwiebeln: Sie passen einfach perfekt zusammen. Es gibt in der Filmhistorie viele Beispiele, in denen beide Elemente sich zu einer faszinierenden wie einnehmenden Symbiose zusammenschließen. In Danny Boyles Kultfilm „Trainspotting – Neue Helden“ gibt es davon sogar einige. Aber keine beeindruckte mich so nachhaltig wie die Überdosis-Szene. Wenn Fixer Renton (Ewan McGregor) beim Dealer seines Vertrauens sich den (fast) goldenen Schuss setzt, wie eine Leiche im Boden versinkt und vom Moloch der vergammelten Sozialbausiedlung den Weg ins Krankenhaus antritt und dabei die Kamera immer wieder die subjektive Grabessicht von Renton einnimmt ist das betörend gespenstisch und zeitgleich wunderbar innovativ sowie mitreißend. Dazu ist das alles unterlegt mit Lou Reeds Heroin-Ballade „Perfect Day“. Einer von vielen Gründen, warum ich immer „ja“ zu „Trainspotting“ sage.
Bildnachweise:
Bild 2 - "Das Ding aus einer anderen Welt" - Universal Pictures Bild 3 - "American Splendor" - Fine Line Features Bild 4 - "Oldboy" - Show East Bild 5 - "Trainspotting" - PolyGram Filmed Entertainment