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Meisterwerk, Mord & Medien-Hetze: “A Clockwork Orange” (1971)

Lidanoir

Von Lidanoir in Murder by Movie: 12 Filme, die angeblich reale Verbrechen inspirierten

Meisterwerk, Mord & Medien-Hetze: “A Clockwork Orange” (1971) Bildnachweis: © Warner Bros.

Tatsächlich erfüllt jede Art von Gewaltdarstellung in Filmen einen gesellschaftlichen Zweck, denn sie gibt den Leuten eine Möglichkeit sich stellvertretend von den aufgestauten aggressiven Gefühlen, die besser in Träumen oder dem traumartigen Zustand des Filmschauens ausagiert werden, zu befreien.“

So verteidigte der Regisseur seine umstrittene Verfilmung Anthony Burgess 1962 erschienenen Romans. Mord, Totschlag, Raub und das spießbürgerliche Schreckgespenst schlechthin, jugendliches Rowdytum, waren fortan in Großbritannien das Werk eines Kino-Kriminellen namens . Hier alle Fälle, die dem Film angelastet wurden, aufzulisten, wäre ermüdend und redundant. Ein paar zeitgenössische Schlagzeilen-Zitate geben indes einen Eindruck der bigotten Horror-Show:

„British test 19-year ban on Clockwork Orange“
„Clockwork Orange gang killed my wife“
„Murder Like Clockwork“
„Doctor warns for ‚danger‘ movies“
„Clockwork Oranges are ticking bombs“

Der folgende Text eines gewissen Dr. Louis L. Sack findet blumige Worte für den hochkochenden Hass gegen Film und Filmemacher:

Stanley Kubricks Film „A Clockwork Orange“ ist eine Übelkeit erregende, abstoßende, verachtenswerte Abbildung des Menschen als ein zweibeiniges Biest, das nach verdorbenem Sex, Sadismus, Gewalt, Zerstörung und Mord gelüstet. In einer „vergeudeten Generation“, in welcher der Mensch im moralischen Morast versinkt, mögen all unsere gesellschaftlichen Quellen der Menschheit kosmische Bedeutung und Heiligkeit wiedergeben, so dass durch die Erhebung über seine triebhaften Instinkte [der Mensch] Erlösung erlangen möge, Vergebung und die Wohlanständigkeit, die einem Kinde Gottes gebührt.“

Stanley Kubrick: A Life in Pictures © Warner Bros. | Video Nasties © Nucleaus Film


Eigentlich könnte das Kubrick-Kapitel damit abschließen, da Dr. Louis L. Sacks Brief mehr für A Clockwork Orange spricht, als es ein bescheidender Kurztext hier könnte. Kubrick zog letztlich seine skandalöse Sozialsatire aus dem Verleih zurück. Oft wird dieser Schritt als Eingeständnis (noch paternalistischer formuliert „Einsicht“) einer Gefährlichkeit des Films ausgelegt. Dabei wird gern verschwiegen, dass diese Rücknahme ausschließlich den britischen Verleih betraf und somit mehr über Kubricks Ansichten über sein Heimatland reflektiert als eine Position in der Debatte um Kino-Gewalt. Die Aggression gegen die vorgebliche Zelluloid-Zeitbombe gipfelte in Morddrohungen gegen Kubricks Familie. Ihre Sicherheit beschäftigte den Regisseur wohl mehr als öffentliche Empörung. Offenbar finden manche Leute Leinwandgewalt so schlimm, dass sie mit realer Gewalt dagegen vorgehen.

Dennoch ein paar knappe Fallbeispiele, die veranschaulichen, wie puritanische Paranoia entfacht wird. Ein als Droog verkleideter John Ricketts griff eine Frau an - auf einer Kostümparty und nichts deutet darauf hin, dass der Film mehr inspirierte als sein abendliches Outfit. Der14-jährige gutbürgerliche Richard Palmer ermordete willkürlich einen Obdachlosen. Die Anklage vor Gericht sah die fatale Einflussnahme des Films als „jenseits jedes begründeten Zweifels erwiesen“. Palmer hatte den Film nie gesehen; dafür aber ein herangezogener Gerichtspsychiater, den Palmers Tat an eine Szene erinnerte. Laut des Psychiaters sei Palmers Burgess Buchs entnommene Motivation „Feindseligkeit der jüngeren Generation gegenüber der älteren.“ Man sollte es eigentlich nicht sagen brauchen, aber für alle Fälle: Bei sadistischen Straftaten von Mittelstands-Kids gegen Menschen aus der Unterschicht geht es nicht um Generationskonflikte, sondern um Klassenhierarchien. Wiedermal.

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