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"Rush" - Ron Howard, Niki Lauda, Daniel Brühl und Chris Hemsworth bei uns im Interview

von Anne Facompré

Wussten Sie von Anfang an, dass “Rush” ein guter Film werden würde? Nein. Ich hatte schon öfter Anfragen wegen Filmen oder Dokumentationen, habe mich aber nie dafür interessiert. Das ist Arbeit, mit der ich kein Geld verdiene und für mich somit langweilig. Als mich Drehbuchautor Peter Morgan jedoch ansprach, musste ich nicht lange nachdenken. Schließlich hat er schon den Oscar für seine Arbeit gewonnen. Also dachte ich mir “wenn sich so jemand für dein Leben interessiert, hörst du dir das mal an”. Wir haben uns dann öfter getroffen und uns viel unterhalten. Allerdings hat er immer wieder betont, dass ich keinen Einfluss auf das Endresultat des Films haben würde. Er sagte, er sei der Chef und würde das Drehbuch schreiben. Er meinte, er könnte aus mir einen Loser oder einen Idioten machen und ich könnte nichts dagegen sagen. Das war nicht so schön, aber ich dachte mir, dass der schon weiß, was er tut, wenn er Oscars gewinnt. Damit war das für mich erstmal erledigt. Allerdings hat Peter dann so Sachen geschrieben wie „als ich den Wagen mit meinem Schlüssel startete“. „Du Depp,“ hab ich gesagt „Formel 1 Wagen haben keinen Schlüssel, die haben einen Knopf!“ Da wurde er dann etwas vorsichtiger und ich hatte etwas Mitspracherecht. Dennoch wusste ich bis zum Schluss nicht, was das nun für ein Film wird. Wie war dann ihr Gefühl, als Sie das fertige Werk zum ersten Mal zu sehen bekamen? Das war komisch. Denn beim ersten Mal dachte ich „Das kann doch nicht sein Ernst sein, mich so negativ hinzustellen!“ Das war mein erster Eindruck. Dann habe ich den Film beim Nürburgring zum zweiten Mal gesehen und meine Reaktion war schon eine andere. Besonders die Krankenhausszenen haben mich selber sehr erschreckt. Ich hatte ja nun einen ganz anderen Blickwinkel auf das Ganze. Dann sah ich die Reaktionen der Leute, die weitestgehend positiv waren. In London sah ich den Film dann zum dritten Mal und dann fand ich ihn doch wirklich gut. Es war also ein etwas längerer Prozess, aber mittlerweile fühle ich mich nicht mehr falsch dargestellt und der Film gefällt mir sehr gut. Am Schluss des Films ist Ihr letzter Satz, dass James Hunt der einzige Fahrer war, den Sie auf eine gewisse Art beneidet haben. Können Sie das so unterschreiben? Ja, absolut. Es gibt bei der Formel 1 immer nur zwei bis drei Fahrer, die wirklich erfolgreich sind. In dem Jahr 76 hatte ich bis zu dem Unfall fast alle Rennen gewonnen. Dann kam ich zurück und plötzlich geht der Hunt im McLaren viel schneller als ich. Dadurch war er ein Gegner mit Schnelligkeit und Geschick, die für mich unerwartet war. Ich war eigentlich immer der Beste. Durch ihn wurde es zum Kampf. Daher hab ich ihn immer sehr respektiert, er war einfach wirklich gut. Da musste ich wirklich etwas dazu lernen, um ihn zu schlagen. Das war für mich neu. In dem Film wird es so dargestellt, als wären Sie eher der ernstere Fahrer gewesen, der sich auf die Rennen konzentriert hat, während Hunt immer ganz schön am Feiern war. Haben Sie auch mal zusammen gefeiert? Ja, selbstverständlich. Ich habe vielleicht 20% von dem Feiern gemacht, das der James immer tat. Nur ich habe es vielleicht an den Sonn- und Montagabenden gemacht, aber nicht vor dem Rennen. James war immer am Feiern. Wie er das durchgestanden hat, weiß ich nicht. Er hatte kein geregeltes Programm, ich schon. Was würde James Hunt von dem Film halten? Der wär happy. Wenn er jetzt hier wäre, das wäre das Größte. Es tut mir sehr leid, dass er verstorben ist. James würde sich den Film sicherlich jeden Tag dreimal ansehen und sich darüber freuen (lacht). Welche Rolle spielte die Konzentration in Ihrem Job? Die Konzentration war alles. Eine Sekunde nicht aufgepasst und du warst tot. Heute ist das anders, es gibt keine Leitschiene mehr und die Fahrzeuge sind sicherer. Zu meiner Zeit war es immer ein Spiel auf Leben und tot und jedes Jahr ist mindestens ein Fahrer gestorben. Die jungen Herren, die heute fahren, sind gar nicht mehr gefordert charakterlich starke Persönlichkeiten zu sein. Das Problem gibt es heute nicht mehr. Heute können sie Hunde, Kinder und Frauen mit zu Rennen nehmen, weil die Gefahren geringer sind. Zu meiner Zeit hätte man das nie gemacht. Man war sich immer bewusst, dass jedes Rennen dein letztes sein konnte. Ihre Prioritäten waren aber immer ganz klar: Das Fahren war Ihre Leidenschaft, es war wichtig, aber das Leben ging vor. Ist das so richtig? Ja, es ging darum, eine Messerschneide breit am Leben zu bleiben. Ich war bereit, ein gewisses Risiko einzugehen, aber kein unnötig großes. Bei jedem Unfall, den es gab, bin ich hingefahren, um zu gucken, warum derjenige verunglückt war. Daraus habe ich gelernt, dass ich, wenn ich genau diesen Fehler nicht mache, am leben bleibe. Was sagen Sie denn zu Daniel Brühl? Unglaublich. Ich habe ihn in Wien kennengelernt. Ich fand ihn so nett, dass ich wesentlich mehr Zeit mit ihm verbrachte, als das, was unbedingt nötig gewesen wäre. Ich habe ihn zum Beispiel auch nach Brasilien zum Autorennen mitgenommen, um ihm das alles zu zeigen. Das war auch gut so, denn vom Rennen hat er keine Ahnung gehabt (lacht). Er war aber sehr ehrgeizig und hat mir viele Fragen gestellt. Ich bin sehr beeindruckt von seiner Leistung. Sie haben einmal gesagt, dass Ihre Frau Ihre einzige Freundin wäre. Kommt Daniel auch langsam in diese Riege, haben Sie ihn gern? Ja, ich hab ihn gern, gar keine Frage. Aber ich kenne ihn zu wenig, um ihn als Freund zu bezeichnen. Ich sage immer, dass ich wirklich keine Freunde habe und dazu stehe ich auch. Gerade seit dem Unfall musste ich mich immer um alles selber kümmern. Ich glaube, dass es nur wenige Menschen gibt, die das Problem eines anderen objektiv beurteilen können. Die meisten interpretieren ihre eigenen Erfahrungen mit hinzu. Das habe ich relativ schnell gelernt und dadurch selten um Hilfe gebeten. Außerdem ist es klar, dass man mehr und mehr „Freunde“ bekommt, je berühmter man wird. Und die kann man wirklich vergessen, das sind dann keine wirklichen Freunde. Es gibt Menschen, für die ich mich interessiere und aus deren Erfahrungen und Aussagen nehme ich mir das heraus, was für mich persönlich relevant ist, um mich weiter zu bilden. Ich würde aber wirklich nicht sagen, dass es jemanden gibt, den ich Tag und Nacht anrufen könnte. So gehe ich durch mein Leben. Was für ein Auto fahren Sie heute selber? Einen Mercedes CLS Shooting Brake. AMG natürlich. Eigentlich ein ganz normales Auto. Wie dankbar sind Sie heute noch, dass Sie den Unfall überlebt haben? Irrsinnig dankbar. Von drei verschiedenen Fahrern, die um mich herum standen, ist Merzario als einziger ins Feuer und hat mich rausgezogen. Wenn er den Mut dazu nicht gehabt hätte, wäre ich heute nicht mehr hier. Er sagte mir danach, dass ich leicht wie eine Feder gewesen wäre. Er muss solche Kraft entwickelt haben, dass er mich einfach herausziehen konnte. Er könnte aber doch so etwas wie ein Freund sein? Das stimmt. Aber ich sehe ihn viel zu selten. Trotzdem ist Arturo Merzario jemand, den ich im höchsten Maße respektiere. Welche Rolle spielen Ängste für einen Rennfahrer? Ich habe prinzipiell keine Ängste. Warum das so ist, weiß ich nicht. Aber ich denke, dass das eine Grundvoraussetzung war, weshalb ich mir diesen Beruf überhaupt ausgesucht habe. Ich glaube auch, dass Ängste schon mir der Erziehung anfangen. Ich habe zwei kleine Kinder, den Max und die Mia, die vier Jahre alt sind. Wenn die einen Berg herunterlaufen, krieg ich schon einen Schrecken und will sie warnen, damit sie nicht hinfallen. Aber dann fällt mir wieder ein, dass sie da schon selber drauf kommen werden. Wenn man weniger Angst hat, hat man eine höhere Risikobereitschaft. Dann kann man einen solchen Beruf ausüben. Wenn Sie ängstlich sind, können Sie das gar nicht. Und wenn der kleine Max nun sagt, dass er auch gerne Rennfahrer werden möchte, hätten Sie dann Angst? Das ist eine gute Frage. Wenn ich jetzt entscheiden müsste, wäre Mia wohl eher die furchtlosere. Wobei Max Autos natürlich toll findet und mich gerne bei RTL sieht. Die haben schon eine Beziehung dazu. Aber ich weiß nicht, was da kommt und ich kann natürlich auch nichts dagegen machen, wenn sie sich einmal für einen gefährlichen Job entscheiden sollten. Also haben Sie vor gar nichts Angst. Auch nicht davor, zum Beispiel ins Weltall zu fliegen? Nein, gar nicht. Ich habe nur die gleiche Angst, die jeder hat. Wenn ich in einem dunklen Zimmer bin und sie springen aus der Finsternis mit einem Tuch über'm Schädel auf mich zu. Dann erschrecke ich mich wie jeder andere auch (lacht). Und ganz direkt gefragt: Angst vor dem Tod? Die habe ich auch nicht. Den gibt es leider und damit müssen wir alle umgehen. Der kommt irgendwann und das hat man zu akzeptieren. Fliegen Sie heute lieber oder fahren Sie lieber Auto? Ich fliege lieber, denn da kann ich so schnell fliegen, wie ich möchte. Im Himmel gibt es keine Radarkontrollen, man muss sich nur an gewisse Regeln halten. Autofahren finde ich heutzutage unerträglich. Ich musste den Führerschein allerdings Gott sei Dank noch nie abgeben und habe auch keine Punkte in Flensburg. Ich fahre also normal, wie jeder andere auch. Was ist heute Ihre größte Priorität im Leben? Gesund zu bleiben ist immer wichtig. Und die Freiheit zu haben, das zu tun, wonach mir gerade ist. Ich bin momentan zum Beispiel hochmotiviert, die Mercedes Autos ganz nach vorne zu bringen und fliege nächste Woche wieder nach Korea, um mich darum zu kümmern. Diese Freiheit, tun und lassen zu können, wonach mir ist, gibt mir persönlich sehr viel. In Rente zu gehen kommt für Sie nicht in Frage? Unakzeptabel. Das kommt mir gar nicht in den Sinn. Ich werde mir immer etwas suchen, was mich interessiert. In der Birne bin ich, glaube ich, recht jung geblieben und ich brauche immer eine Herausforderung irgendeiner Art. Langeweile oder Wiederholungen ertrage ich nicht. Ich vergeude keine Zeit, ich denke, das ist meine Stärke. Wenn man sich so mit Ihnen unterhält, wirken Sie sehr weise und erfahren. Wie wirkt sich das auf Ihr Vatersein aus? Oh, vielen Dank. Ich glaube, als Vater bin ich ganz vorbildlich (lacht). Ich nehme das alles sehr entspannt. Ich habe immer gesagt, dass ich das Windelwechseln nicht zu lernen brauche, das kann jeder. Und wenn es wirklich drauf ankommt, kann ich es auch. Jetzt wo die Kinder vier sind, habe ich das Gefühl, ein sehr guter Vater zu sein. Mia kommt schon morgens um sechs zu mir und möchte mit ins Bett kriechen. Das freut mich natürlich. Ich glaube, dass ich jetzt ein besserer Vater bin, als ich es bei Lukas und Matthias war, denn jetzt bin ich da. Früher war ich nie zu Hause und musste mich darauf konzentrieren, am Leben zu bleiben. Heute bin ich voll und ganz Vater.

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