Der Backwoodfilm ist im besten Fall eine bösartige Parabel über den Zusammenbruch gesellschaftlicher und moralischer Strukturen, verordnet in der hintersten Provinz, wo nur noch archaische Regeln des Überlebens gelten. Frontier(s) ist ein offensichtlicher und passgenauer Vertreter diesen Genres. Rechte Gewalt, linke Gewalt, Polizeigewalt, die Vorstätte brennen im Bürgerkrieg. Potent-frustrierte Kleinkriminelle suchen Schutz auf dem Lande, aber auch dort herrscht das vom rechten Hau-Ruck verkommende Bild der Unterdrückung, in Form einer abstrusen Texas-Chainsaw-Massacre-Familie im Nazi-Style. Die französische Härte schlägt erbarmungslos zu, egal wo man ist, das Land ist in seinen Werten marode, verkalkt und bösartig. Seit Generationen nagt das schon, die Saat der Gewalt liegt in der Familie, in der Politik, in den Werten.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Früchte rein-blütig geerntet werden. Kein schönes, ein zutiefst misanthropisch-zerstörerisches Leidensbild erschafft Xavier Gens in seiner äußerst unangenehmen und bedrohlichen Hi(n)t(l)erwäldler-Groteske. Er macht Angst hypernervös und hochaggressiv spürbar, suhlt sich in Ausweglosigkeit, spritzenden Körperflüssigkeiten und Sadismus. Mehr als einmal werden explizit Motive des Naziexploitaion und Woman-in-Prison-Filmes zelebriert. Frontier(s) ist pures, anarchisches Genrekino, dessen politischer Kommentar wie eine Attitüde erscheint und nicht so fundamental ist wie seine kompromisslose Inszenierung von Terror. Am Ende bleiben das pure Grauen, die pure Körperzerstörung und der Wahnsinn. Die Unschuld kann nur hilflos aufgeben und eine Hoffnung auf bessere Zeiten in sich tragen. (ausgezeichnet)
Soulis Meinung
Frankreich befindet sich im Klammergriff des Rechtsextremismus, bis in die hintersten Winkel des Landes hat er seine destruktiven Sprengsel verteilt: Während in und um die Hauptstadt schwere Unruhe toben, nachdem die Front National drauf und dran ist, die politische Machtzepter gen Himmel zu recken, treiben in der Provinz die verstrahlten Auswüchse der NS-Doktrin ihr Unwesen. Zugegeben, seine gesellschaftspolitische Dimension hat Frontier(s) nicht im Griff, reine, ungestüme Marktschreierei und dazu noch instrumentalisiert als fadenscheiniger Plot Point, um die Geschichte irgendwie ins Rollen zu bringen. Wenn Xavier Gens seine vier Hauptdarsteller dann aber erst mal in die Mangel nimmt und eine kannibalische Nazi-Familie sadistisch das Mordinstrument wetzt, beweist Frontier(s) nicht nur seine Genre-Affinität.
Er schwingt sich auch zum nihilistischen Manifest auf: Niemand ist hier sicher, die braune Welle verschluckt alles. Xavier Gens inszeniert Frontier(s) rein auf die Körperlichkeit seiner Protagonisten und damit auch auf die unnachgiebigen Deformationsmöglichkeiten. Blut, Gekröse und Schmodder zieren ein extremes Martyrium, aus dem Gens immerzu den bekloppten Nonsense herausschält und Karina Testa zu einem Final Girl stilisiert, dem in der bis auf die Knochen zermürbenden Extremsituation keine übernatürlichen Fähigkeiten zu eigen werden. Man kann sich schon mühelos an dem durchweg misanthropischen Habitus stoßen, dieses Frankreich ist moralisches Brachland. Aber wenn Xavier Gens seine stimmungsvollen Set Pieces auspackt, dann brechen in Frontier(s) Spannungsspitzen auf, die das Gefühl von Ausweglosigkeit radikal erfahrbar machen. (solide)
Was haltet ihr von Frontier(s)? Erfüllt er für euch die Ansprüche an das Backwood-Kino oder würdet ihr den Film in eine andere Kategorie einordnen?