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Videospiel "11-11: Memories Retold" im Test
Von siBBe in Videospiel "11-11: Memories Retold" im Test
am Montag, 12 November 2018, 09:30 Uhr
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Story
11. November 1916 – ein junger Fotograf verlässt Kanada, um sich der Westfront in Europa anzuschließen. Am gleichen Tag erfährt ein deutscher Techniker, dass sein Sohn an der Front vermisst wird ...
Sie werden die Realität des Krieges erfahren, ihre Wege werden sich kreuzen, sowohl an der Front als auch dahinter, und sie werden versuchen, im Angesicht katastrophaler Ereignisse ihre Menschlichkeit für ihre Lieben zuhause zu bewahren … sollten sie denn jemals zurückkehren.
Am 11. Tag des 11. Monats des Jahres 1918, um 11 Uhr, werden sie der größten Entscheidung ihres Lebens gegenüberstehen … dies ist die bewegende Geschichte über das Ende des Ersten Weltkriegs.
Kritik
Wer nach Videospielen sucht, die den Ersten Weltkrieg behandeln, dürfte wohl zuerst an actiongeladene Blockbuster wie Battlefield 1 denken. Dass es auch ganz anders geht, bewies 2014 beispielsweise Ubisoft mit seinem Indie-Adventure Valiant Hearts: The Great War, das sich der Thematik von einer ganz anderen Seite näherte. Als Gemeinschaftsprojekt zwischen dem französischen Entwicklerteam Digixart, dessen Credo "meaningful videogames" sind, sowie dem Filmstudio Aardman Animations (Early Man - Steinzeit bereit, Wallace & Gromit, Shaun das Schaf), das zum erstem Mal an einem Videospiel arbeitete, erfolgt mit 11-11: Memories Retold auf PS4, Xbox One und den PC nun ein weiterer unkonventioneller Ansatz, der auf seine Weise einzigartig ist.
11-11: Memories Retold steigt zwei Jahre vor Ende des Ersten Weltkrieges ein und zeigt die Geschehnisse aus zwei Perspektiven, jeweils auf alliierter und auf deutscher Seite. Abwechselnd schlüpfen wir in die Rolle des Kanadiers Harry (gesprochen von Elijah Wood, Der Herr der Ringe), der als Fotograf fast kindlich naiv in den Krieg zieht, um seine Flamme in der Heimat zu beeindrucken, und in die Rolle des Deutschen Ingenieurs Kurt (gesprochen von Sebastian Koch, Werk ohne Autor), der sich zum Dienst meldet, um seinen im Einsatz vermisst gemeldeten Sohn Max zu finden. Mit unterschiedlicher Motivation, aber der Ungewissheit über den kommenden Albtraum im gemeinen geht es für beide an die vorderste Front, bis auch ihre Wege sich irgendwann kreuzen.
Besonders die ungewöhnliche Optik fällt dabei sofort auf: 11-11: Memories Retold sieht aus wie ein lebendig gewordenes Ölgemälde des Impressionismus. Grobe Pinselstriche überziehen die unruhige Szenerie, die sich stets bewegt und verändert. Solch einen Ansatz kennt man aus dem Videospielbereich bislang noch nicht, mit Loving Vincent gab es 2017 aber zumindest schon eine filmische Umsetzung dieser stilistischen Idee. Im Falle von 11-11: Memories Retold ist das gleich auf zweifache Weise clever: Zum einen kaschiert man damit geschickt die schwache Grafikengine, zum anderen verleiht man seinem Spiel einen kreativen, künstlerisch höchst ansehnlichen Touch, was es zu etwas Besonderem macht. Im Zusammenspiel mit dem tollen Soundtrack und der qualitativ hochwertigen Synchronisation ergibt sich so in Sachen Präsentation ein stimmiges Gesamtergebnis.
Grob beschreiben lässt sich 11-11: Memories Retold als Adventure, in welchem wir kleine Aufgaben bewältigen, kleine Rätsel lösen, uns mit Menschen unterhalten oder einfach die Umgebung erkunden. Spielerisch anspruchsvoll ist das Game dabei zu keinem Zeitpunkt, unsere Interaktionen sind stets äußerst simpel gehalten. Erzählerische Elemente stehen daher im Vordergrund sowie die Emotionen, die in uns ausgelöst werden sollen. Daher kann man das Ganze auch als interaktiven Film sehen, der etwas in uns auslösen will, uns bewegen möchte und es sich zum Ziel setzt sich in unserem Gedächtnis zu verankern. Dabei treffen wir auf unserer Reise auch kleinere Entscheidungen, die zwar keinen Einfluss auf den Ausgang der Geschichte nehmen, sie aber individueller formt. Erst ganz zum Schluss müssen wir eine folgenschwere Wahl treffen, wodurch eines von mehreren Enden freigespielt wird. Dazu sei an dieser Stelle aber nicht mehr verraten.
Um einen historischen Ablauf mit großen Schauwerten und viel Kabumm geht es dem Game also gar nicht, wir selbst feuern nie eine Waffe ab. Es ist ein persönlicher und sehr intimer Blick auf die Geschehnisse, zu dem auch schon Mal tagelanges Ausharren im Schützengraben gehört, bei dem die psychische Belastung eines jeden Einzelnen deutlich wird. Große Kriegshelden gibt es hier nicht, der Krieg als solcher wird nie zelebriert. Im Gegenteil, in 11-11: Memories Retold werden einem die Schrecken noch einmal vor Augen gehalten und dass eigentlich niemand gern daran teilnimmt. Das gilt übrigens für beide Kriegsparteien, ein Gut oder Böse gibt es hier nicht, sondern nur Leidträger auf beiden Seiten.
In den rund fünf Stunden Spielzeit kommt es zu einigen Momenten, die emotional oder auch mal unangenehm werden. Aber in all dem Schrecken findet sich auch immer wieder schönes, das einem Hoffnung auf eine bessere Zukunft schenkt und an einen letzten Rest an Menschlichkeit, die nie erlöschen kann. Das artet in 11-11: Memories Retold zwar hin und wieder in etwas Kitsch aus, es sei der Erzählung mit dem Herz am rechten Fleck aber verziehen.
Fazit
Stilistisch und auch erzählerisch ein im Videospielbereich sehr unkonventioneller Blick auf den Ersten Weltkrieg. "11-11: Memories Retold" mag spielerisch zwar wenig anspruchsvoll sein, gleicht das aber mit viel Kreativität, Herz und auch Mut aus.
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