Ein grausames Verbrechen wird in diesem Film passieren. Die Texteinblendung, die David Clay Diaz an den Anfang von Agonie setzt, klärt den Zuschauer darüber auf, dass ein junger Mann an einem 29. November seine Freundin tötet und die Leiche anschließend zerstückelt, um Kopf, Torso und Gliedmaßen anschließend in verschiedenen Müllcontainern zu entsorgen. Die nachfolgenden Bilder strahlen jedoch eine unscheinbare Alltäglichkeit aus, die spürbar macht, dass der Regisseur erst noch auf diese Tat zusteuern wird und den Zuschauer in Ungewissheit darüber lässt, in welchem Moment und von wem der brutale Mord noch begangen wird.
Diaz konzentriert sich in seinem Film, den er im Rahmen seines Studiums an der Hochschule für Fernsehen und Film München gedreht hat und dessen zentrales Verbrechen offenbar von realen Hintergründen inspiriert wurde, auf zwei Menschen, deren Leben vordergründig aneinander vorbei laufen. Auf der einen Seite ist der 24-jährige Christian, ein ambitionierter Jura-Student aus geschiedenem Elternhaus, der sich überwiegend lethargisch und gedankenverloren gibt. Auf der anderen Seite ist der 17-jährige Alex, ein typischer Problemjugendlicher, der sich mit Kraftsport aufpumpen will, schnell in Schlägereien oder Auseinandersetzungen mit der Polizei gerät sowie aggressiven Hip-Hop hört und sich mit selbstgetexteten Zeilen gelegentlich den Frust von der Seele rappt.
Durch die mitunter harten Schnitte, mit denen der Regisseur beide Figuren in abwechselnden Szenen zeigt, suggeriert Diaz seinem Publikum zunächst zwei getrennte Welten, die alleine von den unterschiedlichen Milieus her, aus denen die Figuren stammen und in denen sie sich bewegen, kaum gegensätzlicher sein könnten. Die langen, oftmals statisch gefilmten Einstellungen rufen dabei immer wieder die Werke von Michael Haneke (Funny Games) oder Ulrich Seidl (Im Keller) in Erinnerung. Ganz ähnlich wie die beiden österreichischen Regisseure bevorzugt auch Diaz einen eher distanzierten, kühlen Inszenierungsstil, der im ersten Drittel des Films bei vielen Zuschauern für Irritierung sorgen könnte.
Die zunächst unbedeutend wirkenden, flüchtigen sowie unscheinbaren Momente verknüpft der Regisseur mit fortschreitendem Verlauf seines Films zu einem zunehmend unangenehmen Charakterporträt zweier verlorener, hilfloser Seelen, die in einigen Szenen in klirrender Eiseskälte erstarren. Von nachhaltiger Intensität sind in Agonie vor allem jene Momente, in denen Diaz die erschütternden Parallelen zwischen Christian und Alex mithilfe von eindringlichen Momentaufnahmen an die Oberfläche befördert, welche die streng isolierende Montage durchdringen.
Dabei sind es oftmals nur kurze Szenen, wie die, in der Alex mit einem Freund rangelt und unentwegt dessen körperliche Nähe erzwingt, oder die sexuellen Momente zwischen Christian und seiner Freundin, bei denen dieser förmlich aus sich selbst auszubrechen scheint, die tiefe Erkenntnisse über das Innenleben der Figuren zulassen, ohne in zu ausführlicher Psychologisierung zu enden. So ausgiebig sich Diaz über weite Strecken als präziser Beobachter gibt, der zwei markante Einzelschicksale behutsam in ein Gesamtbild der schockierenden Leere und Ausweglosigkeit rückt, so schockierend sind die letzten Szenen des Films, in denen der Regisseur schließlich zur anfänglichen Texteinblendung zurückkehrt.
Von qualvoll ausgedehnter Langsamkeit begleitet ist der letzte Akt von Agonie derart konsequent in seiner unvermeidbaren Grausamkeit, dass die Bilder den Zuschauer noch Stunden nach der Sichtung des Films heimsuchen dürften. Ob die finale Einstellung des Films letztlich optimistisch oder pessimistisch gedeutet werden soll, überlässt Diaz mit diesem ebenso unerschrockenen wie formstreng durchdachten Langfilmdebüt schlussendlich dem Zuschauer, der für sich selbst entscheiden darf, ob die schwächelnden Atemzüge das Ende eines Lebens andeuten oder ein letztes, lebensnotwendiges Durchatmen symbolisieren.