Inhalt
Ein kleines Mädchen und ein sozialistisches Waisenhaus.Es ist eine strenge Kindereinrichtung.Wie überwindet man Ängste, Unsicherheit und Einsamkeit?Dafür erschafft das Mädchen ein zweites Ich, mit dem es reden und streiten kann.Und natürlich den Traum von Amerika, wo alles schön und gut ist.Wo ihr Vater lebt und auf sie wartet.Ein Mädchen und ihre Pflegefamilie.
Kritik
„Unsere Identitäten werden von unseren Erinnerungen geformt, genauso wie von den Momenten, an die wir uns nicht erinnern können“, sagt Viktor Tauš (Ich habe den englischen König bedient) zu seiner hyperaktiven Hommage an die Titelfigur. In seiner Inszenierung heißt sie Emma, aber dieser Name ist unbedeutend gegenüber dem, den er ihr gibt, definiert durch ihren alles beherrschenden Wunsch nach Amerika zu kommen. Amerika meint offenbar die USA, aber die Weltmacht und der Kontinent sind das Gleiche in den Augen der prototypischen Protagonistin.
Womöglich gibt es in der impulsiven Inszenierung eine kurze Szene, in der sie nicht präsent ist, aber um das sicherzustellen, müsste man das Ganze nochmal ansehen. Keine gute Idee, wenn man nicht dort landen will, wo Girl America fast so ungern sein möchte wie in dem sozialistischen Waisenhaus, in dem sie nach dem Verlust der Mutter und dem Verschwinden ihres Vaters (nach …? Bingo, Amerika) aufwächst. Dieser Ort ist die Psychiatrie.
„Was ist eine ‚Psychiatrie‘?“ „Keine Ahnung. Aber willst du dort hingegen?“, fragt sie sich selbst und das buchstäblich, denn der Regisseur und Drehbuchautor David Jarab lassen sie doppelt und dreifach vor der unsteten Kamera herumspringen. Diese polarisierte Persönlichkeitsaufspaltung wirkt, als ob sie womöglich schon da wäre (der Psychiatrie, nicht Amerika). Aber nein, sie ist in einer Turnhalle, einem leeren Ballsaal, auf der Wiese, wo sie tobt oder stillsteht. Beides ist vergleichbar aussageschwach, erstes jedoch aufgrund des monomanischen Monolog-Masse entschieden anstrengender.
Fazit
Viktor Tauš hysterische Hyperbel ist eines jener filmischen Experimente, die mit einem Maximum an Aktionismus ein Minimum an Inhalt kaschiert. Grelle Farben, beliebige Kostüme, schräge Szenarien, eine wirbelnde, wackelnde Kamera und dialogische Logorrhoe umreißen das skizzenhafte Stereotyp ein psychisch labilen Frau. Deren daddy issues sind nicht das einzige generische Gender-Klischee in der improvisatorischen Inszenierung. Deren Rotieren um die Titelfigur wird zur unfreiwilligen Metapher für das Kreisen um sich selbst. Die vorgebliche Emanzipationsgeschichte ist mehr Ego-Show.
Autor: Lida Bach