Die 60-jährige geistig beeinträchtigte Pia lebt mit ihrer alternden Mutter Guittou in einem Bauernhaus auf der dänischen Insel Langeland. Sie träumt davon, einem Mann zu begegnen. Sie träumt von dem Franzosen José aus Larzac, den sie aus dem Fernsehen kennt, mit dem sie Hagebuttensaft und Pizza zubereiten könnte. Die Tage kommen und gehen. Pia macht Gymnastik und Strandspaziergänge, liest Bücher, besucht eine Tageseinrichtung in der Stadt und kümmert sich liebevoll um ihre Gans Lola. Die Gespräche mit der Mutter kreisen um die Zukunft – wie und wo kann Pia wohnen, wenn Guittou nicht mehr lebt? Eines Tages begegnet Pia am Hafen Jens. Die beiden kommen ins Gespräch und beginnen, Zeit miteinander zu verbringen. Sie fahren für ein Wochenende nach Kopenhagen und besuchen das Aquarium Den Blå Planet.
Kritik
Wie alt werden Menschen, fragt die greise Mutter der Titelfigur in Daniel Joseph Borgmanns dokumentarischem Porträt einmal. 80 Jahre, meint die Tochter, die selbst ihre Jugend schon lange hinter sich gelassen haben muss. Wie sah diese Jugend aus? War sie einsam, verging diese Zeit so traurig, karg und leer, wie das gegenwärtige Leben der geistig behinderten Frau dahinplätschert? Die Wellen an der dänischen Küste plätschern auch, dunkel und müde. Das herbe Landschaftsbild vermittelt ein Gefühl von Isolation und Betrübnis, der zugleich eine beruhigende Gleichförmigkeit innewohnt. Es könnte eine Analogie, ein magisch-realistischer Spiegel des rätselhaften Seelenlebens der Protagonistin sein, doch der Regisseur greift solche lyrischen Assoziationen nicht auf.
Entweder sind sie ihm gleichgültig oder überhaupt nicht bewusst. Letzte scheint für viele Themen am Rande des halbdokumentarischen Figurenbilds zu gelten. Ein Mensch würde älter als 80, sagt Pias Mutter Guittou, denn sie selbst sei ja schon 84. Sie müsste sonst tot sein. Tot, was das ist, kann Pia Skovgaard nicht voll erfassen. Zu einem Zeitpunkt, der ohne konkrete chronologische Einordnung durch Borgmann oder dessen Protagonistinnen Monate oder Jahrzehnte zurückliegen könnte, war sie selbst beinahe tot. Der Gedanke erfüllt die kindliche alte Dame scheinbar weder mit Schrecken noch mit Trauer. Um abstrakte Konzepte wie „tot“ und „sterben“ sowie deren persönliche Implikationen und gesellschaftliche Konsequenzen zu begreifen, erfordert es geistige Reife.
Kinder erreichen diese Stufe meist im Alter zwischen 4 und 6. Pia hat sie nie erreicht. Im Nicht-Verstehen, Nicht-Ahnen-Können liegt ungeheuer Niederschlagendes, denn sie ahnen das Unglück, dass Pia erwartet. Noch lebt Pia im Haus ihrer Mutter. Die Tier, die sie hier versorgt, wird sie in eine staatliche Einrichtung nicht mitnehmen können. Die Freiheit zu Spaziergängen wird sie verlieren. Ihre Mutter hat ihr gesamtes Leben, so deutet sich in mitleidlosen Randaufnahmen an, wurde der Betreuung der gehandicapten Tochter geopfert. Ein Opfer, das umso tragischer erscheint ob seiner Nutzlosigkeit. Sie seien nicht vorangekommen in all den Jahren, sagt Guittou. Ein Urteil, dessen bedrückende Resolution auch auf den Film passt.
Fazit
Die Aneinanderknüpfung von Naturbildern, intimen Alltagseinblicken und zurückhaltenden Beobachtungen zeigt vereinzelte Ansätze zu leiser Poesie. Doch Anteilnahme für die Ausweglosigkeit der Charaktere vermittelt die fiktive und reale Elemente unterschiedslos verknüpfende Momentaufnahme nicht. Das gibt dem Titel einen zynischen Unterton, der in ernüchterndem Kontrast zu der behaupteten Empathie steht.
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