Inhalt
Mark sieht so aus, als wäre er nichts anderes als ein unscheinbarer Kameramann. Tagsüber arbeitet er in einem Fotostudio. Keiner kennt jedoch seine düsteren Geheimnisse. Als Kind missbrauchte ihn sein Vater für Experimente. Jede Nacht weckte er ihn auf, um ihn in Angst und Schrecken zu versetzen und dann minutiös seine Reaktionen festzuhalten. Dieser Horror hat sich fest in Marks Gehirn eingebrannt. Als Erwachsener geht er seinem ganz eigenen, krankhaften Hobby nach. Er überzeugt Frauen, entweder Statistinnen oder Prostituierte, sich von ihm filmen zu lassen. Bei laufender Kamera richtet er ihnen das Objektiv direkt aufs Gesicht und jagt ihnen ein am Stativ befestigtes Messer in den Hals. Anschließend betrachtet er sich diese kurzen Streifen, um sich die Todesangst in den Augen seiner Opfer zu Gemüte zu führen. Eines Tages lernt er Helen, die Tochter seiner Vermieterin, kennen. Aber sie ahnt nicht, welch dunkles und verstörendes Geheimnis Mark in sich trägt...
Kritik
Bereits The Red Shoes und Tales of Hofmann waren visuelle Spektakel, unter deren irisierender ästhetischer Oberfläche ein dunkler Subplot aus Manie, Grausamkeit und Perversion brodelte. So scheint es trotz des äußerlichen Kontrasts der märchenhaften Ballette und des realistischen Thrillers nur konsequent, dass Michael Powell sich schließlich unmittelbar mit der abgründigen Facette des Schauens auseinandersetzte. Der erneute Einsatz von Moira Shearer (Black Tights) in einer doppeldeutigen Schlüsselrolle betont die motivische Verknüpfung, die einer selbstreflexiven Korrosion des männlichen Blicks kulminiert. Diese radikale Dekonstruktion einer Perspektive, die nicht nur als kinematische, sondern kulturhistorische Norm injungiert ist, erzürnte die konservative Medienkritik und Zuschauerschaft ebenso wie die kühle Bloßstellung des alltäglichen Voyeurismus. Das aggressive Echo wurde zur zynischen Real-Parallele der psychopathischen Reaktion des Hauptcharakters.
Mark Lewis (Karlheinz Böhm, Sissi) bestraft die menschlichen Schauobjekte für das Verlangen, das er nach ihnen verspürt. Das mörderische Kamerastativ fungiert als mechanischer Phallus, der seine gekränkte Maskulinität bestätigen soll. Der Regisseur bricht mit dem gängigen Duktus, der die Schuld für männliche Gewalt und Perversion direkt oder indirekt weiblichen Figuren zuschreibt. Ursache von Marks Komplex ist nicht eine beherrschende Mutterfigur, sondern ein brutaler Vater, der ihn als Kind zum Studien- und Schauobjekt macht. In eine Rolle gedrängt, die traditionell Frauen aufgezwungen wird, fühlt Mark eine Emaskulation, vor der er beständig flieht. Entkommen kann er einzig in den Momenten, in denen er selbst die Funktion eines sadistischen Regisseurs einnimmt. Eine selbstkritische Szene, deren sarkastisches metatextuelles Potenzial Powell voll ausschöpft.
Schaulust in ihren verschiedenen Ausformungen steht im Zentrum des doppelbödigen Thrillers, der die sexuell aufgeladene Perspektive zugleich analysiert, seziert und zelebriert. Vor der Observation gibt es kein Entrinnen, am wenigsten für das trügerisch sichere Kinopublikum. Es ist doppelter Beobachter - Komplize des Mörders und des Regisseurs, der ihm einen Vexierspiegel vorhält. Das verstörende Psychogramm enthüllt eine bigotte Gesellschaft, die nach sensationellen Aufnahmen lechzt: in Sexheftchen, Privatvideos, Live-Shows und auf der Leinwand. Moral- und Normverstöße werden in einem Atemzug ausgekostet und verurteilt. In einer Gemeinschaft voller Voyeure ist jeder permanent exponiert und gezwungen zu sittsamer Scharade. Powell verweigert sich rigoros dieser Maskerade. In einem provokanten Twist macht seine Anamnese die versteckten Spanner zu Zeugen ihrer eigenen morbiden Triebe.
Fazit
Michael Powells lange Zeit verfemtes Meisterwerk vereint vielschichtige Analyse des Schauens und kalte Demaskierung einer verlogenen Gesellschaft, die in ihrem Moralkonzept ebenso pathologisch agiert wie ihrer unterdrückten Sexualität. Psychologisch präzise und inszenatorisch ingeniös, gelingt dem Regisseur und den exzellenten Darstellern ein hochintelligenter Thriller, dessen Horror die rigiden Strukturen eines pervertierten Patriarchats sind. Die Zuschauerschaft wird zum "Peeping Tom" und mit den Implikationen des eigenen Blicks konfrontiert.
Autor: Lida Bach