Inhalt
Für die junge Victoria Page wird ein Traum wahr: Impresario Lermontov holt sie in seine legendäre Balletttruppe. Mit dem Ballett "Die roten Schuhe" avanciert Victoria zur gefeierten Primaballerina. Doch wie in Andersens Märchenvorlage endet auch Victorias Geschichte tragisch: hin- und hergerissen zwischen ihrer Liebe zum Komponisten Julian Craster und ihrer Verehrung für den dämonischen Lermontov tanzt sie auf den Abgrund zu.
Kritik
Selbst wenn man das weltbekannte Märchen von Hans Christian Andersen nicht kennt, so weckt der Titel des Films doch unweigerlich Assoziationen in die entsprechende Richtung. Die roten Schuhe wirkt anziehend, erinnert an Tanz, Leidenschaft und Hingabe, aber auch an unterschwellige Bedrohung und Gefahr. Ist man jedoch mit der Vorlage vertraut, so gewinnt der Bezug eine weitere, nunmehr deutliche düstere Ebene, denn das Schicksal der jeweiligen Hauptfiguren scheint merklich miteinander zu korrelieren. Schnell wird klar, dass Andersens Märchen nicht nur jenes Bühnenstück darstellt, dass Victoria Page (Moira Shearer) zu Weltruhm verhilft, sondern gleichsam ihr eigenes Ende prophezeit. Ist es in der Vorlage noch einer übernatürlichen Komponente geschuldet, dass die junge Protagonistin sich in den roten Schuhen wortwörtlich zu Tode tanzen muss, so überträgt sich dieses Element auf symbolische Weiße auch auf den Film.
Denn auch Victoria verfällt einer Leidenschaft, einem unstillbaren Verlangen. Zu Leben bedeutet für sie zu Tanzen. Das sagt sie schon zu Beginn des Films und spätestens als sie in die titelgebenden Schuhe schlüpft, erkennen wir die wahre Bedeutung dieser Aussage. Am eindrucksvollsten wird das in jener 15-minütigen Tanzsequenz zur Mitte des Films geschildert, welche in formvollendeten Bewegungen das restliche Werk vorwegnimmt. Kaum ein Augenblick der Filmgeschichte kommt jenem Rausch aus Farbe und Bewegung gleich, diesem Bilderreigen, der alle Sehnsüchte und Ängste des Lebens offenbart. Die Grenzen zwischen Realität und Traum, zwischen Wirklichkeit und Wahn verwischen in den grellen Technicolor-Abbildern zusehends und bald bleibt nur das bestehen, was Kino im Herzen ausmacht. Jenes Gefühl vollends verstanden zu werden, sich in den immersiven Bildern zu verlieren und letztlich doch selbst zu finden. Das kurze Gefühl von Freiheit, wenn die Poesie der Bewegung ihren Höhepunkt erreicht.
Im Rausch des magischen Realismus dieser 15 Minuten fällt es leicht den restlichen Film zu vernachlässigen, wohnt den übrigen zwei Stunden doch keinesfalls die expressionistische Qualität jenes Augenblickes inne. Muss sie jedoch auch nicht, denn Die roten Schuhe versteht sich selbst primär als gewissenhaftes Erzählkino, das langsam, aber nicht wirkungslos auf den Abgrund zusteuert. Eine gekonnte Inszenierung, großartige Schauspielleistungen und eine fantastische Ausstattung tun ihr übriges um dem Werk zu seiner zeitlosen Klasse zu verhelfen. Tatsächlich sind die Erkenntnisse des Films auch 70 Jahre später noch zutreffender als das meiste, was seitdem über den Zwiespalt zwischen Liebe und Karriere, dem hin und her verschiedenen Leidenschaften geschildert wurde – inklusive seinem tragischen Ende.
Fazit
Völlig zu Recht ist „Die roten Schuhe“ ein prämierter Klassiker, der von Powell und Pressburger unnachahmlich in Bilder gegossen wurde. Zeitlos berichtet er über den inneren Zwiespalt einer jungen Tänzerin, über eine aussichtslose Wahl zwischen zwei Leidenschaften. Höhepunkt ist dabei eine formvollendete Tanzsequenz, die zu den großartigsten Momenten der kompletten Filmgeschichte zählt. Empfehlenswert!
Autor: Dominic Hochholzer