Inhalt
Dänemark, 1871: Die aus Paris geflohene Französin Babette, eine Katholikin, findet bei zwei protestantischen Pfarrerstöchtern namens Martine und Filippa Unterschlupf. Sie führt ihnen den Haushalt. Dank ihrer Kochkünste gelingt es ihr, auch aus einfachen Speisen Gaumenfreuden zu zaubern. Mit der Zeit wird sie von der Dorfgemeinschaft akzeptiert und lebt sich gut ein. Als sie Jahre später in der Lotterie gewinnt, möchte sie das Geld für ein großes Festessen ausgeben, wie man es auch in ihrer Heimat Frankreich zubereiten würde. Damit will sie sich bei allen bedanken. Doch die sehr konservativ denkenden, gläubigen Dorfbewohner fragen sich, ob es christlich ist, ein solches Festmahl zu genießen ...
Kritik
Mittlerweile kann unser nördlicher Nachbar Dänemark vier Oscarauszeichnungen in der Kategorie Bester fremdsprachiger Film vorweisen. Neben Thomas Vinterbergs Der Rausch haben auch Susanne Bier mit In einer besseren Welt und Bille August mit Pelle, der Eroberer, den begehrten Preis in Empfang nehmen dürfen. Den Anfang machte jedoch 1988 Babettes Fest von Gabriel Axel (Christian). Der Film basiert auf einer Novelle der dänischen Autorin Karen Blixen, aus deren Feder ebenfalls der Roman Jenseits von Afrika stammt, der 1985 mit Meryl Streep (Die Verlegerin) und Robert Redford (Picknick mit Bären) verfilmt wurde. Babettes Fest ist im dänischen Jütland des 19. Jahrhunderts angesiedelt und spielt in einem kleinen Dorf, in dem eine Gemeinschaft von Puritanern in Bescheidenheit, Demut und Frömmigkeit lebt und in deren Mitte nun die geflohene Französin auftaucht und Schutz sucht. Klarer Höhepunkt des Films ist das titelgebende Fest, in welchem Babette (Stéphane Audran, Der diskrete Charme der Bourgeoisie) ihren Gästen ein opulentes 7-Gänge-Menü serviert, das bei den Gemeindemitgliedern auf große Ablehnung stößt, da es nicht zu ihrem einfachen spartanischen Lebensstil, der auf ihren Glaubensgrundsätzen basiert, passt.
Im Gegensatz dazu serviert Gabriel Axel quasi ein 3-Gänge-Menü, in dem er den Film in drei wesentliche Handlungsabschnitte unterteilt. Als Vorspeise präsentiert Axel zugleich die Vorgeschichte der beiden Schwestern Martine (Vibeke Hastrup, Suicide Tourist - Es gibt kein Entkommen) und Filippa (Hanne Stensgaard, Jul på slottet) lange bevor Babette in das Dorf kommt. Das Leben in der puritanischen Gemeinschaft erscheint recht trist und freudlos, denn irdisches Vergnügen widerspricht ihrem Glauben. So trostlos wie das Leben dort erscheint auch die karge Landschaft Jütlands und verstärkt wird dieser Effekt noch durch die herausragende Kameraarbeit von Henning Kristiansen. Die ganze Szenerie wirkt häufig grau, nebelig oder verregnet und passt perfekt zur oft melancholischen Grundstimmung des Films. Fröhlichkeit, Farbe und Sonnenschein treten nur dann hervor, wenn Außenstehende im Dorf Einzug halten. In erster Linie handelt es sich um zwei Männer (Gudmar Klöving, August Strindberg - Ein Leben zwischen Genie und Wahn und Jean-Philippe Lafont, Der Panther) die sich aus unterschiedlichen Gründen in der Gegend aufhalten und alsbald um die Gunst der beiden Schwestern buhlen. Dies ist aber genauso vergebens, wie die Versuche anderer Interessenten, denn der strenge Vater und Pastor der Gemeinde (Pouel Kern, Die Olsenbande schlägt wieder zu) schickt sie alle davon, denn nach seiner Auffassung haben seine Töchter ein frommes, bescheidenes und enthaltsames Leben zu führen.
Die Töchter nehmen es mehr oder weniger klaglos hin und so zieht wieder die gleiche Tristesse ins Dorf ein. Dabei scheint es nicht unbedingt der Wunsch der beiden Schwestern zu sein, denn gerade die beiden Männer schaffen es, verborgene Talente hervorzuholen und den beiden Schwestern die Freuden des Alltags zu zeigen. Rund 35 Jahre später steht in einer stürmischen, regnerischen Nacht plötzlich die Französin Babette Harsant vor der Tür. Als 2. Gang bringt Gabriel Axel nun die Ankunft und das Einleben von Babette auf den Tisch. Die beiden Schwestern (nun: Birgitte Federspiel, Die Olsenbande läuft Amok und Bodil Kjer, John og Irene) sind älter geworden, der Vater ist verstorben und sie versuchen sein Andenken zu wahren und die Dorfgemeinschaft zusammenzuhalten. Ihre Zeit und ihr geringes Einkommen opfern sie den Bedürftigen. Aus christlicher Nächstenliebe fühlen sie sich verpflichtet, Babette zunächst Asyl zu gewähren, auch wenn sie gleich zu erkennen geben, dass sie eigentlich nicht willkommen ist. Dabei spielt zum einen Babettes katholischer Glauben, aber genauso der Glauben der beiden Schwestern eine Rolle. Babette bietet sich an, als Dienstmagd zu arbeiten, was jedoch nicht mit ihren religiösen Werten vereinbar ist, denn Hausangestellte passen nicht zu dem bescheidenen entbehrungsreichen Leben. Dennoch erkennen sie, dass Babette sehr nützlich für sie ist, denn sie können sich nun mehr auf ihre karitativen Tätigkeiten konzentrieren. Mit Babettes Ankunft zeigt sich wieder das gleiche Farbenspiel, denn in vielen Szenen mit ihr erscheint die ganze Szenerie viel fröhlicher, heller und farbenfroher.
Ein genauso gespaltenes Verhältnis zu Babette haben auch die anderen Dorfbewohner, denn Babette feilscht mit den Fischern um Preise und verfeinert das Essen, dass sie für die Bedürftigen zubereitet. Die sind aber an das eintönige Essen in Gestalt von Stockfisch und Brotsuppe gewöhnt und lehnen jede geschmackliche Veränderung ab, denn selbst beim Speiseplan entsagen die Mitglieder der Glaubensgemeinschaft jeglichen weltlichen Genüssen. Zudem zeigt sich immer mehr, wie zerstritten die Gemeinde nach dem Tod des Pastors ist. Nun kommt Gabriel Axel zum letzten Gang und tischt zum Dessert als Höhepunkt das titelgebende Fest auf. Aus Dankbarkeit möchte Babette ein Festmahl für die Gemeindemitglieder zubereiten, die mit dieser irdischen Freude zwar nichts anzufangen wissen, es aber dennoch gestatten. Als sie merken, wie üppig das Mahl ausfallen wird, beschließen sie zwar es anzunehmen, aber es nicht zu genießen. Axel gelingt ein stimmungsvolles Ende des Films, mit dem sich letztendlich der Kreis schließt und zeigt, dass die lange Vorgeschichte durchaus eine große Relevanz hatte. Gerade während des Festes beweist Axel ein ausgezeichnetes Gespür dafür, den oft unterschwelliges Humor dezent zu platzieren.
Die Quintessenz des Films ist sicherlich, dass es nicht nur Freude macht, anderen eine Freude zu bereiten, sondern dass es genauso schön ist, dieses Geschenk anzunehmen. Trotz Bescheidenheit, Enthaltsamkeit und Frömmigkeit sollten die Freuden des Lebens nicht ausgeschlossen werden, denn diese führen schließlich zu einem erfüllten Leben. Ruhig, langsam und geduldig baut sich Babettes Fest auf und schreitet genauso voran und wird selbst zum Finale hin nicht hastig. Geduld bewies auch Regisseur Gabriel Axel, der zehn Jahre benötigte, um sein Projekt zu verwirklichen, für das er schlussendlich die französische Grand Dame Stéphane Audran gewinnen konnte, die sich schnell für das Drehbuch begeisterte. Sie strahlt im Film eine natürliche Eleganz aus, die durch ihr recht schlichtes, aber dennoch stilvolles Kostüm, das von keinem Geringerem als dem Modezaren Karl Lagerfeld (Zoolander) entworfen wurde, untermauert wird. Ihr Schauspiel ist ein absoluter Gewinn für den Film.
Fazit
"Babettes Fest" ist nichts für Liebhaber von Fast Food, sondern erfordert von seinen Zuschauern Geduld und manchmal auch Ausdauer. Ruhig und gemächlich erzählt der Film meist recht melancholisch eine Geschichte, in der das Essen sinnbildlich für die Freuden des Lebens steht, die es trotz mancher freiwilliger oder unfreiwilliger Entbehrungen zu genießen gilt, wenn sich hierfür die Chance ergibt. Obwohl "Babettes Fest" manchmal ein paar Längen hat, ist Axel Gabriels Werk ein durchaus interessantes Kapitel des dänischen Kinos.
Autor: Andy Mieland