Sardinien, 1940. Das lockere geflügelte Wort vom gemeinsamen „Pferde stehlen“ bekommt für den 14-jährigen Michele und seinen 11-jährigen Freund Ventura eine sehr ernste und am Ende tragische Bedeutung. Als sie erfahren, dass die Bauern ihre besten Pferde für gutes Geld an den Staat und damit ans Militär für den nahenden Krieg verkauft haben, treffen die Jungs eine so naive wie intuitive Entscheidung: Sie schenken der Herde in einer heiklen Nacht- und Nebelaktion die Freiheit.
Schemenhafte Silhouetten lösen sich geisterhaft aus dem monochromen Hintergrund Giovanni Columbus bittersüßer Ballade von Freundschaft, Freiheitsdrang und Verbundenheit und gleiten geisterhaft durch eine Schattenlandschaft, die sie wieder verschlingt. Die animierte Ästhetik des gleichsam zärtlichen und harschen Reflexion über Mut und Selbstbehauptung in einer Zeit von Zwang und Unterdrückung wird zu einer wortwörtlich malerischen Metapher der übergreifenden Motive von Sehnsucht, Träumen und Tod. Angesiedelt im Sardinien des Jahres 1940, am Vorabend des Zweiten Weltkriegs, entfaltete sich die minimalistische Handlung gleich den Phantasiebildern zu einem erzählten Märchen.
Als solches begann die melancholische Geschichte, die der Regisseur seiner Mutter widmet, die sie im einst erzählte. Zwei Jungen, elf und vierzehn Jahre alt, entdecken auf einer Militärfarm Pferde, die für den Kriegseinsatz bestimmt sind. In einem Anflug naiven Humanismus beschließen sie, die Tiere vor Schrecken und Leid zu bewahren. Heimlich entlassen sie die Pferde in die Freiheit, doch ihr Triumph ist von kurzer Dauer. Der Titel-Begriff ist ein sardisches Wort für Tapfere, das nicht einfach Kühnheit bezeichnet, sondern den Kampf für Gerechtigkeit und die Verteidigung der Schutzlosen.
Historische Vorbilder, lokale Erzählungen und universelle Ideale verschmelzen zu einem visuell fesselnden, inhaltlich zeitlosen Epos über den Wert von Mitgefühl und Mut in einer brutalen Welt. Vollständig von Hand gezeichnet, entstanden die Animationen aus Tausenden Tuschbildern und Papierschnitten, kombiniert mit Rotoskop-Technik. Der Verzicht auf digitale Technik verleiht den haptischen Formen die Wandelbarkeit eines Schattenspiels und taucht das geisterhafte Szenario in die melancholische Aura eines folkloristischen Heldenlieds. Angelehnt an das frühe Stummfilm-Kino, expressionistische Malerei und die Scherenschnitt-Figuren der Laterna Magic ersteht ein Leinwand-Gedicht zwischen Traum und Tragödie.
Fazit
Die Leinwand macht Giovanni Columbus grandioses Animations-Werk zum Gegenstand eines bewegten Gemäldes, dessen eindringliche Themen zugleich geschichtlich konkret und zeitlos sind. Im dramaturgischen Kontext faschistischer Militarisierung wird der Gesetzesbruch der kindlichen Protagonisten zu einem solidarischen Widerstandsakt, der die Bedeutung von Zivilcourage und sozialem Gewissen in Zeiten reaktionärer Regression betont. Die fragmentarische Erzählform mit nur vereinzelten Texttafeln und Dialog-Fetzen spiegelt die optische Reduktion. Eine düstere Farbpalette von Grau, Sepia und Schiefer unterstreicht den melancholischen Grundton der Handlung, in der didaktische Narrative zurücktreten zugunsten assoziativer Interpretation.
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