MB-Kritik

Belén 2025

Drama, Crime

Julieta Cardinali
Dolores Fonzi
Gaia Garibaldi
Lili Juarez
Luis Machín
Laura Paredes
Camila Plaate
Ruth Plaate
Sergio Prina
César Troncoso

Inhalt

Eine Frau, die wegen Schmerzen im Krankenhaus liegt, erfährt, dass sie schwanger ist. Nach einem medizinischen Notfall wird sie strafrechtlich verfolgt. Mit Unterstützung ihres Anwalts und Frauenrechtsaktivistinnen kämpft sie für Gerechtigkeit in einem bahnbrechenden Fall, der Leben verändern könnte.

Kritik

Seine verstörende Kraft und politische Dringlichkeit erhält Dolores Fonzis (Nonostante) engagiertes Gerichtsdrama nicht allein durch die Historizität des dramatisierten Falls, sondern durch die wahrscheinliche Wiederholung zahlloser Schicksale ähnlich dessen der jungen Titelfigur. Belén (Camila Pláate), so das Alias einer jungen Frau, deren Identität zu ihrem Schutz bis heute nicht öffentlich bekannt ist, kommt im Jahr 2014 in der argentinischen Provinz Tucumán mit schweren Unterleibsschmerzen ins Krankenhaus. Das Personal schenkt ihr erst Beachtung, als sie mit plötzlichen Blutungen zusammenbricht. Statt sie zu versorgen, alarmieren die Ärzte die Polizei. 

Die verstörte Patientin erwacht ans Bett gefesselt und von Polizeibeamten umringt. Die Anklage lautet Mord an einem Familienmitglied. Ohne zu wissen, dass sie schwanger ist, hat Belén eine Fehlgeburt erlitten. Das Gericht verdächtigt sie einer selbst herbeigeführten Abtreibung. Schwangerschaftsabbruch war in Argentinien bis vor wenigen Jahren verboten. Basierend auf Ana Correas Buch „Somos Belén“ („Wir sind Belén“), das den realen Fall der Betroffenen schildert, inszeniert die argentinische Regisseurin und Co-Drehbuchautorin ein zorniges Justizdrama von bedrückender Realitätsnähe. Die Pflichtverteidigerin (Julieta CardinaliRomancero) will den Fall nur schnellstmöglich loswerden. 

Das Resultat ist eine achtjährige Haftstrafe für die Angeklagte, die schon während des Prozesses im Gefängnis sitzt. Durch Zufall erfährt die aktivistische Anwältin Soledad Deza, die Fonzi mit spürbarer gerechter Wut verkörpert, von dem Fall. Dessen Verlauf zeigt exemplarisch den inhumanen Hass eines patriarchalisch-konservativen Systems, das Opfer als Täter darstellt, um einen misogynen Moralbegriff durchzusetzen. Gezielt sucht sich Deza, die in den Fokus der angespannten Handlung rückt, die Unterstützung von Menschenrechtsgruppen und politischen Organisationen und entfacht so eine Protestbewegung, die dem pervertierten Rechtsapparat entgegentritt. 

Mit bedrückender Klarheit zeigt das straff strukturierte Szenario die exekutive Willkür, die daraus folgt, wenn ein konservativ-klerikal korrumpiertes Gericht und medizinischer Machtmissbrauch sich gegen Hilfesuchende verbünden. Belén ist trotz fehlender Beweise in den Augen der männlichen Richter von Anfang an schuldig. Pláates intensives Spiel zeigt die ohnmächtige Verzweiflung ihrer Figur, die trotz ihres Aufstiegs zum Symbol einer Bewegung immer menschliches Individuum bleibt. Ihr Fall steht stellvertretend für unzählige Frauen und Mädchen: in Argentinien ebenso wie in Ecuador, den USA, Irland und Polen. 

Fazit

Dumpfe, düstere Farben und ein fahles Licht unterstreichen die niederschmetternde Atmosphäre innerhalb eines sexistischen Machtapparats, der ideologisch motivierten Sadismus als Gerechtigkeit ausgibt. Beengende Studiokulissen und ein dezenter Retro-Touch werden zu formalen Analogien von Rückständigkeit und Repression in Dolores Fonzis kraftvollem Gerichtsdrama. Dessen markante Schwäche ist ein abgeschmackter Humor, der die brutale Ernsthaftigkeit der Situation und das Leid mit Albernheiten auflockern will. Der dramaturgische Wechsel auf die von Fonzi verkörperte Anwältin markiert auch einen dramatischen Wandel zu einer idealistischen Fortschitts-Botschaft im Widerspruch zur neo-konservativen Realität.

Autor: Lida Bach
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