Inhalt
Nachdem sie zum Erstaunen aller an ihrem Hochzeitstag Nein gesagt hat, verlässt Aya, eine Frau Anfang 30, Côte d’Ivoire und beginnt ein neues Leben in China. In einer Gegend, in der afrikanische Diaspora und einheimische Bevölkerung Tür an Tür leben, findet sie eine Anstellung in einem Teegeschäft, das dem 45-jährigen Cai, einem Chinesen, gehört. In der Abgeschiedenheit des Ladens führt Cai Aya in die chinesische Teezeremonie ein.
Kritik
Nicht von ungefähr erinnert schon der Titel Abderrahmane Sissako (8) gediegener Romanze an das vor ein paar Jahren aus dem Berlinale-Programm entschlackte Kulinarische Kino. Dort wäre das um aller Art sinnlicher Genüsse - Geschmack, Geruch, Gestik und Gefühl - gestrickte Gedankenspiel sicher weniger enttäuschend als im Wettbewerb. Hier wirkt die routinierte Kombination austauschbarer Schauwerte, stereotyper Figuren und Melodramatik deutlich fehl am Platz. Selbiges gilt indes noch mehr für die unsensible Wortwahl und euphemistische Botschaft der zwiespältigen Story.
Darin fasst Ivorerin Aya (Nina Mélo, Mädchenbande) auf ihrer Hochzeit den Entschluss zu einem Neustart in „Chocolate City“. Das klingt nach dem Geburtsort von Willy Wonka und sieht auf der Leinwand auch genauso süßlich, kunterbunt und herzig aus. Bloß liegt der Schauplatz tatsächlich im chinesischen Guangzhou, wo eine florierende pan-afrikanische Gemeinde in Harmonie mit den Einheimischen lebt. Hier existieren weder sprachliche noch sonstige Barrieren, Rastafarian-Farben hängen neben Papier-Lampions und rund um die Uhr ist lauschige Abendzeit.
Sinnbild dieser idealisierten kulturellen Verschmelzung ist Ayas Hingabe zum traditionellen Tee-Zeremoniell. Dessen Feinheiten lehrt sie zärtlich Cai (Chang Han, A Sun), in dessen Tee-Geschäft sie als Angestellte die Sorgen und Geschichte seiner Familie kennenlernt. Das Titelgetränk wird zum Liebestrank in dieser wahrhaftigen Traumwelt, deren realitätsferne Idealisierung jeglicher gesellschaftsstruktureller, politischer und ökonomischer Probleme ein später Twist kaum rechtfertigt. Eher unterstreichen derlei dramaturgische Ausflüchte die ängstliche Anbiederung dieses kunstgewerblichen Kitsches, dessen paternalistische Projektion so problematisch ist wie der Titel.
Fazit
In den satten Farben bühnenhafter Studiokulissen entwirft Abderrahmane Sissako ein romantisches Märchen, dessen dekorative Ästhetik eine unschöne Realität übertüncht. Nina Mélos differenziertes Schauspiel ändert nichts an der Ambivalenz einer Inszenierung, die Rassismus narrativ praktisch ausblendet, aber indirekt praktiziert. Problematische Bezeichnungen wie „Chocolate City“, „Black Tea“ als Spitzname für Mélos Protagonistin und eine ihr auferlegte xenophobe Dialoge verlangen nach einer kritischen Auseinandersetzung mit Diskriminierung. Die jedoch findet nie statt. Trotz edler Verpackung bleibt ein übler Nachgeschmack.
Autor: Lida Bach