„Alkohol und Frauen sind tödlich für einen Killer.“
Wie soll man eine Kritik zu einem Film schreiben, bei dem man nach Beendigung nicht genau sagen kann, mit was zur Hölle man sich die letzten gut 1 ½ Stunden beschäftigt hat. „Branded to Kill“ (im Original: Koroshi no rakuin – jap.) ist so ein Film. Zeitlich fällt er in eine Zeit des Aufbruchs, zumindest was den Film als künstlerisches Medium angeht. 1967 gedreht, stand andernorts auf der Welt das New Hollywood in den Startlöchern, während sich die Ära der Nouvelle Vague schon wieder dem Ende zuneigte. Doch im fernen Japan wurde ein heißes Eisen gedreht, an den sich kein westlicher Produzent herangewagt hätte. Da bleibt nach der ersten Sichtung nur eine kurze Pause, um ihn gleich noch einmal anzusehen und dabei erstaunliches zu entdecken.
Vorweg: Die Geschichte ist sehr konfus und würde einer genauen Betrachtung wohl kaum standhalten. Goro Hanada (Joemami Shishido) ist als Killer Nr. 3 für eine dubiose Untergrundorganisation tätig. Sein Tätigkeitsfeld erstreckt sich von Eskortieren über kaltblütige Morde, für die er eine ordentliche Bezahlung einstreichen kann. Zu seinem Leidwesen verpulvert seine Frau das Geld für Prunk und Protz. Er träumt davon, in der Hierarchie aufzusteigen und den Platz des mysteriösen, von niemandem bisher gesehenen Killer Nr. 1 einzunehmen. Auf dem Weg dahin kommt ihm die schwer depressive Misako (Annu Mari) in die Quere, die ihn für einen gefährlichen Job engagiert, der dann auch noch fehlschlägt. Was folgt ist eine Hetzjagd auf Killer Nr. 3, die ihn an den Rand des Wahnsinns treibt.
Viel interessanter als der Plot an sich ist die Geschichte, die hinter der Entstehung des Films steckt. Warum der Film so und nicht anders inszeniert worden ist, erklärt sich bei den näheren Umständen, die ihm zugrunde liegen. Als Low Budget Film konzipiert, musste sich Regisseur Seijun Suzuki (*1923) vielen widrigen Bedingungen aussetzen. Es wurden zu Beginn 25 Drehtage und drei Tage für die Post-Produktion angesetzt, zu allem Übel war die Studioleitung mit dem Drehbuch nicht einverstanden, sodass es am Vorabend des Drehbeginns und während des Drehs konstant abgeändert, ja fast schon improvisiert wurde. Das Resultat des mit nur 20 Millionen Yen budgetierten Films ist ein Streifen, dem man seine mangelnden Finanzmittel allzu oft ansieht. So sind es die mannigfaltigen Actionszenen, die besonders unter den geringen Finanzmitteln leiden. Beispielsweise schießt unser Killer bei voller Fahrt aus der Frontscheibe seines Autos, diese zeigt aber keine Spure der Beschädigung, obwohl man deutlich sieht, dass sie vorhanden ist. Eine gewisse Tashigkeit kann man dem Film nicht absprechen, getroffene Feinden drehen sich im Todestaumel gefühlt fünfmal um die eigene Achse, um dann mit einem gellenden Schrei aus dieser Welt zu scheiden. Natürlich ohne ein Zeichen der äußeren Verwundung.
Sieht man aber über den Fakt der etwas holprigen Tricktechnik hinweg, offenbart sich der hohe cineastische Anspruch. Die Kamerafahrten sind hervorragend, vereinzelt können Shots das Prädikat „meisterhaft“ erhalten. Was Regisseur Suzuki aber aus den Darstellern rausholt, ist überragend. Das manische Verhalten Hanadas, die Gefühlslosigkeit Misakos oder die obsessive Liebe Hanadas Frau Mami (Mariko Ogawa); man kauft den Darsteller ihre Performance in jeder Hinsicht ab. Wirklich besonders ist aber der Mut, den man bei der Realisierung des Films aufgebracht hat. Ist offene Sexualität im westlichen Film der 60er Jahre noch immer ein rotes Tuch, geht „Branded to Kill“ zwei Sprünge über die selbstgesetzte Grenze hinaus. Man sieht wahre Leidenschaft, Sex und Verachtung. Hier ist man dem westlichen Film Jahre voraus. Diesen Abstand hat man wohl erst mit „Der letzte Tango in Paris“ (1972) aufgeholt.
Dennoch bleibt man zweigespalten zurück. Zum einen ein historisch interessanter Film, zum anderen übersteigt sein Trash klar den Filmgenuss. Befindet sich der Film gerade auf einem Hochpunkt, wird er wieder durch absurde oder unlogische Momente gestört. Dies war zwar gewollt, da der Film eine Satire für die gängigen Gangster- und Agentenklischees darstellen soll, so richtig förderlich ist es dem Erzählfluss aber nicht. Für Regisseur Suzuki stellte der Film einen Einschnitt in seine Karriere dar. Der Legende nach wurde er mit den Worten gefeuert, sein Film „make no sense and no money“. Nach einem Rechtsstreit mit der Produktionsfirma landete er auf einer schwarzen Liste und drehte zehn Jahre lang keinen weiteren Spielfilm.