Inhalt
Stilisiertes Drama von Pedro Almodóvar um die Liebe eines Mannes zu einem anderen, die in grenzenlose Eifersucht, Begierde und Wahnsinn führt.
Kritik
Konsequent. So ließe sich ad hoc Das Gesetz der Begierde beschreiben, dafür bedarf es allerdings des entsprechenden Hintergrundes. Konsequent nämlich in der Entwicklung, die sich im damals zwar immer noch relativ jungen, aber längst schon gereiften Schaffen von Pedro Almodóvar abzeichnete. Er bleibt sich und seinen Wurzeln, seinen Idealen natürlich immer treu, der Tonfall änderte sich jedoch schleichend. Waren seine Frühwerke in ihrem Kern zwar kritisch und angriffslustig, in ihrer schrillen Exzentrik stets aber so lebensbejahend und positiv nach vorne gerichtet, das sich ihre Wut über Ausgrenzung, Unterdrückung und Ungerechtigkeit in ein farbenfrohes, freches Knallbonbon verwandelte. Mit Womit habe ich das verdient? hielt 1984 erstmals ein gewisser, negativ-behafteter Unterton in seine Filme Einzug. Nein, es lässt sich nicht alles einfach nur persiflieren und der Lächerlichkeit preisgeben, manches bleibt schlicht bedrückend, auch wenn man ihm mit Zwecks-Sarkasmus begegnet. Was damals nur bedingt funktionierte, entwickelte Almodóvar bei Matador (1986) entscheidend weiter und lieferte neben seinem ersten, wirklich vollprofessionell anmutenden Films gleichzeitig auch seinen ersten Thriller ab. Das Gesetz der Begierde kann als weiterer Schritt in diese Richtung betrachtet werden und ist eindeutig die bisher tragischste, fast schon pessimistischste Arbeit ihres Schöpfers.
Eine komplizierte, extrem problematische Dreiecks – bzw. sogar Vierecks – Kiste präsentiert Almodóvar. Die zwischen bewusst überdramatisierter Groteske, zynischem Psychothriller und sarkastischer Beobachtung über enorm beziehungs- und bindungsgestörte Figuren angesiedelt ist, die sich durch ihre Kapriolen gegenseitig an den Rande des Verderbens bringen. Zentrum des Ganzen ist der erfolgreiche, wenn auch sehr provokante Regisseur Pablo (Eusebio Poncela, Eyes of Crystal), der sicherlich als ein zumindest stark angelehntes Alter Ego von dessen geistigen Vaters interpretiert werden darf. Dieser führt eigentlich eine offiziell lose, trotzdem sehr intensive Beziehung mit dem jungen Juan (Miguel Molina, Das Kloster zum heiligen Wahnsinn), der sich gerade eine Auszeit nimmt und sich an die Küste zurückgezogen hat. Genau an dem Punkt schlägt plötzlich Antonio (Antonio Banderas, Die Haut in der ich wohne) auf der Bildfläche auf. Ein attraktiver Fan-Boy, besessen von Pablo. Schnell landen die beiden in der Kiste und obwohl am nächsten Morgen alles längst gegessen sein sollte, geht es nun erst richtig los. Denn Antonio hat seine Emotionen noch weniger im Griff als Pablo. Der diese Problematik eher durch arrogant-egomanisch wirkende Abgrenzung versucht zu regeln, wohingegen Antonio zur unkontrollierbaren Furie wird. Mit radikalen Auswirkungen, in die auch Pablo’s Schwester Tina (wer sonst: Carmen Maura, Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs) - die früher mal sein Bruder war – mehr involviert wird, als zunächst zu vermuten wäre.
Neben den teils überraschenden Entwicklungen und einer raffinierten Vortragsweise (mit durchaus wichtigen Details geht Almodóvar behutsam um und wirft sie erst dann in den Ring, wenn sie durch die Positionierung einen größeren Aha-Effekt besitzen) lebt Das Gesetz der Begierde eindeutig von seinen Personalien und ihrem Emotions-Chaos. Welches Vergleiche zum Soap-Irrsinn nicht nur zulässt, sondern stellenweise hervorragend überspitzt und für seine Zwecke ausnutzt. Im Grunde sind alle Charaktere so untreu wie eifersüchtig. Sich selbst belügend tugendhaft wie moralentkernt. Besitzergreifend wie freiheitsliebend. Sie brauchen sich, trotzdem stoßen sie sich bei jedem Aufkeimen echter, emotionaler Intimität fast reflexartig ab, nur um sich in der Folge noch hemmungsloser anzuziehen. Ein Paradoxon. Personifizierte Widersprüche, anhand derer aber viel Wahres über die menschliche Natur berichtet wird und sie als Figuren wesentlich glaubhafter, greifbarer, da fehlerhaft erscheinen. In einer gewollten Extreme. Mündend in einem Fiasko. Wie könnte es auch anders sein? Ach so, Inzest und Pädophilie darf auch nicht fehlen, aber der Pedro hat inzwischen schließlich so was wie einen Ruf zu verlieren…
Fazit
Pedro Almodóvar könnte mit diesem Film beinah als Zyniker wahrgenommen werden, dabei bleibt er so authentisch und spitzfindig wie zuvor, nur mit anderer Methodik. Im Prinzip verdeutlicht der Film nur, wie sehr man sich selbst im Wege steht, wenn man nicht bereit ist, sich voll und ganz zu öffnen und klar Stellung zu beziehen. Kompromisse, kleine Affären und totgeschwiegene Probleme mutieren wenn echte Gefühle im Spiel sind oftmals unkontrolliert. Ein Appell an emotionale Ehrlichkeit und gleichzeitig ein Dokument über die Kraft von Leidenschaft und Begierde, die manchmal zur Seuche werden kann. Giftig, faszinierend, sinnlich, lebendig und irgendwie hämisch…auf eine respektvolle Weise. Wie so was geht? Einfach anschauen.
Autor: Jacko Kunze