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Quelle: themoviedb.org

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Eine namenlose Frau erwacht in einem Hotelzimmer, geht in die Stadt, wird überfallen und flüchtet. Vor Männern und vor sich selbst. Der einzige Film von John Parker gilt als bedeutender Experimentalfilm und gelungener Mix zwischen Film Noir und Horrorfilm.

Kritik

Noch bevor der amerikanische Regisseur John Cassavetes seine Feinfühler in die Geschichte des Kinos einbeziehen konnte, drehe der einmalige Regisseur John Parker einen einstündigen, grotesken Film, der Erstgenannten stark beeinflussen sollte. Ein Werk, das eine wunderbare Gelegenheit als Überleitung vom Horroctober zum Noirvember gewesen wäre, verbindet es doch deutlich Stilelemente des Film Noir mit dem des Horrorfilms - wie schon deutsche Filme aus den 1920ern, die Vertreter des Expressionistischen Stummfilms. Dementia (alternativer Titel Daughter of Horror) ist ein Fiebertraum, ein Stummfilm, ein Porträt eines verwirrten Verstandes und eine Verdichtung von ur-amerikanischen Motiven der Furcht.

Die gesamte Stunde des Films spielt in der Nacht. Ein sternenklarer Himmel, der am Rande heller und heller wird - und die lumineszierte Präsenz einer Großstadt angekündigt wird. Laternen, Leuchtreklamen, Scheinwerfer - halbherzige, Kopfschmerzen-verursachende Versuche des Menschen, der Finsternis Herr zu werden. Eine namenlose Frau träumt schlecht im Bett eines heruntergekommenen Hotels. Sie klammert sich an der Bettwäsche fest, John Parker zieht den Zuschauer mit in ihren Traum und lässt ihn direkt beim ersten Schritt stolpern. Der Film Noir zeichnet sich, im Gegensatz zum anderen ur-amerikanischen Genre, dem Western, durch vertikale Linien aus. Häuser, Straßen, Menschenmassen, Laternenpfähle, der Sturz in den Tod; alles passiert vertikal das Bild. Hier, im Traum, am Strand, lässt Parker wilde Diagonalen durch das Bild laufen. Eine Fluchtlinie besteht lediglich aus den im Sand hinterlassenen Trippelschritten. Andere Linien münden im Nichts, führen aus dem Bild heraus und geben einen verunsichernden Gesamteindruck. Die Frau wird schließlich von dem tosenden Meer verschlungen.

Durch das Fenster des Hotelzimmers dringt im Zwei-Sekunden-Takt strahlend kaltes Licht aus der Reklame in das Zimmer. Es wirkt wie eine Sirene, wie eine Warnung der Stadt, wie ein Signal, zurückzubleiben. Das Licht erhellt mal das Zimmer, dann lässt es dieses wieder im unendlichen Schwarz versinken. Es ist ein Rhythmus, dessen Ende klar ist; am Ende wird das Licht aus sein und die Dunkelheit gewinnen - das ist das Wesen der Natur. Das Licht erhellt abwechselnd das gesamte Gesicht der Frau, dann ist sie wieder komplett im Schatten. Es sind Lichteffekte, die den Kern der Hauptfigur zu beschreiben versuchen; eine gespaltene, gestörte, unsichere Persönlichkeit. Die äußere Welt lässt auf das Innere schließen. Das Innere wird nach außen gestülpt. Und es sind Lichteffekte, die ihren Einfluss nicht verfehlen: Woody Allen wird eine deutliche Reminiszenz in seinem Film Stardust Memories nehmen und ist damit einer von vielen, die von John Parkers Film augenscheinlich beeinflusst wurden.

Dementia zeigt eine Stadt, in der Leidende lieber allein sind, als ihr Leid zu teilen. Die lieber in der Stille sitzen, als zu reden. Die lieber in der Dunkelheit verschwinden, als sich zu zeigen. Eine Stadt der Unförmigkeit, in der Gesetz, Moral und Leben auf dem Kopf steht. Deutlich wird dies bereits in der Hauptfigur. Sie ist weiblich, aber eine typische Noir-Heldin. Und wie jene ist auch sie von ihrer Vergangenheit verfolgt, auch sie hat ihre Zukunft bereits verbaut. Die Frau als Hauptfigur im Noir, dazu eine schwarzhaarige Frau in Gesellschaft eines blonden Mannes. Regeln und Gesetze haben keinerlei Wirkung mehr. Parker holt das Publikum aus der gewohnten Welt, stellt die Dinge auf den Kopf und schubst ihn dann von Kapitel zu Kapitel - manchmal zwei, drei Ebenen tief in die Vergangenheit. Hier wird die Frau mit weitaus fantastischeren Elementen von ihrer Vergangenheit verfolgt, als in den kaltnassen Noirs eines Billy Wilders (der dennoch Einfluss auf diesen Film hatte). Fantastischer im Sinne der Unwirklichkeit, im Sinne des grotesken Horrors. Nicht umsonst zeigt Parker eine stumme Gesellschaft; gesprochen wird hier nicht ein Wort, nur das Schluchzen und gehässiges Gelächter klingen mal durch die Musik, die wie undurchdringliche Rauchschwaden den Raum erfüllen.

Simultan erzählt der Film über Wünsche, Fantasien und Bedürfnisse. Inwiefern diesen zu folgen ist, was aus ihnen resultieren kann, was mit der Psyche passiert, wenn man sich ihnen ergibt. Ein weiteres Thema ist Angst. Zentral ist das von den Erinnerungen der Frau bis zum Ende. Das Wohnzimmer ihrer Kindheit steht auf einem Friedhof, die Zigarre des blonden, reichen Unsympathen, zielt zwischen ihre Beine, als er sie anzündet. Parker nutzt dabei mehrfach eine Bildstaffelung und Tiefenschärfe, die Orson Welles in Citizen Kane eingeführt hat (der Unsympath ist optisch sogar an Kane, den Machtmenschen, angelehnt), nur sexualisiert er dies auf groteske Art und Weise. Die Frau ist in einer Gesellschaft aus Männern, aus Stummen. Sie ist in der Welt als Beute, die hin- und hergeschubst wird, die mitgezogen und weggerissen wird und ihren Platz nicht finden kann, nicht finden darf. Ein Leben wie in einem aufgebrachten Menschenpulk - nur dass niemand spricht und alle Augen auf Dich gerichtet sind.

Fazit

Mit „Dementia“ oder „Daughter of Horror“ hat John Parker seinen einzigen, aber einen beeindruckenden Film abgeliefert. Visionen des Albtraums, der Bedrängung und Blitze, einer anonymen, desinteressierten, im Gaffen erstarrten Gesellschaft. Die Menschheit ist auf ihre bloße Form reduziert und die Frau rennt, noir-typisch, immer weiter durch die Stadt und tiefer in ihren Verstand, ohne Orientierung, ohne Ziel, nur weg. Ein wichtiger Film, augenscheinlich beeinflusst von deutschem Kino der 1920er und augenscheinlicher Einfluss für Größen wie John Cassavetes, Woody Allen, Roman Polanski und David Lynch.

Kritik: Levin Günther

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